Verkehrte (Finanz)welt
Das deutsche Rentensystem kommt angesichts einer alternden Bevölkerung und steigender Inflation unter Druck. Quelle: imago images

Die Aktienrente – eine Zeitenwende für das deutsche Rentensystem

Die Ampelkoalition plant, einen Teil des gesetzlichen Rentensystems in Deutschland künftig mit Hilfe einer Aktienrente zu finanzieren. Bei einem entsprechend langen Anlagehorizont spricht vieles dafür. Eine Kolumne.

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Zu viele Frührentner, Renteneintritt der Baby-Boomer, Forderung der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 – die Nachhaltigkeit des deutschen Rentensystems steht in der Kritik. Die Altersvorsorge beruht in Deutschland bekanntlich auf drei Säulen:

Der gesetzlichen Rentenversicherung, der betrieblichen Altersversorgung (häufig ausgelagert in Pensionskassen) und der privaten Vorsorge (beispielsweise über Anlagelösungen von Versicherungen und Finanzinstituten).

Die gesetzliche Rente, die bislang die wichtigste Rolle bei der Sicherstellung der Altersvorsorge in Deutschland spielt, wird primär durch Zahlungen der im Arbeitsleben stehenden Generation für die Rentner („Umlageverfahren“ beziehungsweise „Generationenvertrag“) sowie über Steuerzuschüsse finanziert. Nun soll die neue Aktienrente hinzukommen. Dafür sollen, zunächst finanziert aus dem Bundeshaushalt, zehn Milliarden Euro über die „Stiftung Generationenkapital“ in ein globales Aktienportfolio investiert werden.

Deutschland im internationalen Vergleich

Die Ampelregierung plant also eine Ergänzung des umlagefinanzierten Systems durch kapitalgedeckte Modelle. Vorschläge, die – in ähnliche Richtung – auch von den Autoren des Mercer CFA Institute Global Pension Index geäußert werden, in dem Deutschland hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Rentensystems lediglich Platz 17 von 44 untersuchten Märkten einnimmt.

Zur Person

Verlassen wir die gesetzliche Rente und werfen einen Blick auf die betriebliche Altersversorgung so fällt auf, dass der Aktienanteil der privaten Pensionskassen in Deutschland mit knapp 7 Prozent einer der niedrigsten aller OECD-Länder ist. Lediglich Südkorea, die Slowakei, Slowenien und Tschechien liegen noch darunter. Nicht zuletzt setzt sich das Positionspapier zur Altersvorsorge der CFA Society Germanymit der Problematik der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge auseinander.

Spiegelt sich diese Aktienquote auch in der Wertentwicklung der verwalteten Vermögen wider? Über einen Zeitraum der vergangenen 15 Jahren zeigen die Anlageresultate deutliche Unterschiede. So lag die inflationsbereinigte Rendite deutscher Pensionskassen bei 2,5 Prozent pro Jahr. Die österreichischen Pensionskassen erzielten mit einer höheren Aktienallokation (29 Prozent) lediglich 1 Prozent Rendite. Dagegen brachten es die Schweizer Pensionskassen auf eine Rendite von 3,1 Prozent und die Holländer kamen sogar auf 4,4 Prozent (beide mit einem Aktienanteil von 30 Prozent). Die einfache Gleichung „mehr Aktien = mehr Rendite“ würde zu kurz greifen. Was sich hingegen verlässlich nachweisen lässt: Bei längerem Anlagehorizont sinkt die Wahrscheinlichkeit für einen Wertverlust bei einem globalen Aktieninvestment.

Aktien und langer Anlagehorizont

Wenn wir von kapitalgedeckten Modellen sprechen, ist die Vermögensaufteilung entscheidend, also welcher Anteil des Geldvermögens etwa in Aktien, Renten, Immobilien oder Bargeld fließt. Wir fokussieren uns auf Aktien. Aktien erfüllen drei Funktionen in dem Portfolio: Sie sollen zur Kapitalwertsteigerung beitragen, ein regelmäßiges Einkommen über Dividenden generieren sowie einen gewissen Schutz gegen Inflation bieten.




Globale Aktienportfolien, wie sie die Bundesregierung aufzulegen plant, sind aufgrund ihrer breiten Streuung langfristig gut geeignet, um Kursschwankungen abzufedern. Um diese These zu überprüfen, haben wir die Renditen dreier einzelner Regionen (Nordamerika, Europa und Japan) mit einem globalen Aktienportfolio im Zeitraum Januar 1999 bis November 2022 verglichen. Die Sharpe Ratio, definiert als Überschussrendite des Aktieninvestments über dem risikofreien Zins dividiert durch die Volatilität (Kursschwankungen) der Aktien, ist in Nordamerika mit 0,39 am höchsten. Es folgen das globale Aktienportfolio mit 0,34, Europa mit 0,23 und Japan mit 0,17. Betrachtet man die historischen Renditen über verschiedene rollierende Zeiträume, so zeigt sich ein deutlicher Trend: Die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts sinkt bei einem globalen Aktieninvestment mit zunehmendem Anlagehorizont.

Fazit und Ausblick

Das deutsche Rentensystem kommt angesichts einer alternden Bevölkerung und steigender Inflation unter Druck. Ein ausreichendes Auskommen im Alter erscheint in Deutschland für die künftigen Generationen nicht sicher. Im internationalen Vergleich befindet sich das deutsche Rentensystem hinsichtlich seiner Nachhaltigkeit nur im Mittelfeld. Die im Vergleich zu anderen OECD-Ländern sehr niedrige Aktienquote der Pensionskassen wird als Schwachstelle wahrgenommen.

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Die Bundesregierung hat nun einen ersten Schritt gemacht: Analysen zeigen, dass ein Fonds, der in globale Aktien investiert, ein guter Weg ist, um Vermögen aufzubauen und Inflation teilweise auszugleichen. Es ist jedoch noch ein weiter Weg hin zu einem stabilen, nachhaltigen deutschen Rentensystem.

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