




Allmählich nimmt die Politik die Alarmrufe der Lebensversicherer ernst. Am Montagabend tritt in Berlin der Finanzausschuss des Bundestages kurzfristig zusammen, um über die zunehmend ernsten Probleme der Branche zu beraten.
Nach fünf Krisenjahren wird die Lage brisant: Wegen der niedrigen Zinsen sollen über zehn Lebensversicherer die Finanzaufsicht BaFin gebeten haben, Kunden zeitweise weniger Geld gutschreiben zu dürfen, als sie müssten. Die BaFin will weder bestätigen noch dementieren, der Verband der Versicherer spricht von einer Zeitungsente.
Wie dem auch sei: Die Folgeschäden der Finanzkrise, niedrige Zinsen, richten immer schlimmere Schäden in den Portfolios der Versicherer an. Verursacht haben das Problem Zentralbanker und ihre heimlichen Einflüsterer aus der Politik, als sie Wackelbanken und Schuldenstaaten die Medizin „niedrige Zinsen und billiges Geld“ verabreicht haben.
Bei ihren hastigen Reparaturen am Weltfinanzsystem haben die vermeintlichen Retter allerdings übersehen, dass die Krise im Kern einst entstanden ist, weil das Geld viel zu billig war. Genau deswegen beginnt der nächste Akt der Krise – bei den Lebensversicherern.





Doch deren Kunden, die Altersvorsorge-Sparer, sind den Rettern bislang egal. Auf die Frage, wie er angesichts niedriger Zinsen die Versicherer stabilisieren wolle, antwortete Jörg Asmussen, Direktoriums-Mitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) und in der Krise 2008 Staatssekretär im Finanzministerium, einmal: „You can’t have it all“ – man könne eben nicht alles haben.
Anfangs konnten sich Politik und EZB diese Ignoranz gegenüber den Versicherten durchaus leisten. Weil Versicherer das Kapital der Sparer langfristig anlegen, können sie niedrige Zinsen kurzfristig verkraften. Bleibt der Zins aber dauerhaft unten, wackeln Versicherer. Große, kapitalstarke Anbieter dürften erst mal nicht betroffen sein. Wenn’s brennt, würden eher kleinere Versicherer zur BaFin laufen.
Umkippen wird so schnell keiner. Vor dem Showdown könnte die BaFin vertraglich garantierte Zinsen kippen und Auszahlungen kürzen. Noch ist davon nicht die Rede, aktuell wird diskutiert, die Mindestzuführungsverordnung auszusetzen. Sie regelt, in welcher Höhe Kunden an den drei Gewinnquellen der Versicherer beteiligt werden müssen. So gehen die Erträge aus Kapitalanlagen zu mindestens 90 Prozent an Kunden. Risikogewinne, die entstehen, wenn weniger Kunden sterben als kalkuliert, gehören Sparern zu 75, Kostengewinne zu 50 Prozent. Letztere entstehen, wenn Kosten niedriger ausfallen als geplant. Teilen Versicherer Kunden mit Erlaubnis der BaFin kurzfristig weniger Geld zu, müssen sie es später nachzahlen. Allein: Wann schaffen sie das?
Nun droht gar Hilfe von anderer Seite: Finanzinvestor Cinven hat die Heidelberger Leben zu 80 Prozent übernommen und kauft jetzt die Lebensversicherungsbestände von Anbietern auf, die am Leben-Geschäft keinen Spaß mehr haben. Die Policen sollen dann kostensparend gemanagt werden. Die Dummen sind die alten Kunden: Denn Heuschrecken haben null Interesse daran, hohe Überschüsse zu zahlen – neue Kunden, die sie damit locken könnten, wollen sie ja gar nicht mehr gewinnen.