Versicherung Der beste Rechtsschutz für alle Fälle

Rechtsschutzversicherungen sind gefragt, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Welche Policen sich wirklich lohnen, wie Sie die besten Angebote finden.

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Bei Rechtsfragen hilft der Rat eines Anwalts Quelle: fotolia.com

Die böse Überraschung kam wie aus dem Nichts: Eines Tages bat der Chef zum Gespräch, in dem tauchte das Juristen-Unwort „betriebsbedingte Änderungskündigung“ auf. Das Unternehmen, für das Peer Jansen* seit sechs Jahren arbeitet, zieht von Norddeutschland ins Rheinland. Doch für den kaufmännischen Leiter des Mittelständlers kommt ein Umzug nicht infrage: Eigenheim, Kind, Schule, Job der Frau. Jansen ruft seinen Anwalt an, der handelt einen Kompromiss aus: Jansen bleibt fünf Monate länger angestellt als geplant. „Der Anwalt hat für mich Zeit erkämpft, ich kann mich jetzt aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis bewerben“, sagt der 42-Jährige. Über 2500 Euro möchte Jansens Anwalt für seine Bemühungen sehen. Zum Glück muss Jansen nur 150 Euro zahlen – die Selbstbeteiligung seiner Rechtsschutzversicherung. Den Rest zahlt sein Rechtsschutzversicherer.

Fälle wie dieser sind Alltag vor den Arbeitsgerichten. Auf den Tischen der Richter stapeln sich seit Ausbruch der Wirtschaftskrise die Akten: Allein in Nordrhein-Westfalen gingen bei den Arbeitsgerichten 2009 rund 116.000 Klagen ein – ein Anstieg um 13 Prozent. In Baden-Württemberg zählt das Justizministerium 19 Prozent mehr Verfahren. Rechtsschutzversicherer müssen immer mehr Geld für teure arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen ausgeben. 532 Millionen Euro haben die Assekuranzen 2009 allein für Arbeitsrechtsfälle ausgezahlt – ein Viertel mehr als noch 2008.

Neu in dieser Wirtschaftskrise ist laut Rechtsschutzversicherer Arag, dass viele leitende Angestellte mit über 100 000 Euro Jahresgehalt plötzlich auf der Straße stehen – und dass Lehrlingen oft mitten in der Ausbildung gekündigt wird. Eine Rechtsschutzversicherung bietet in solchen Fällen Unterstützung. Das ist hilfreich, gerade bei Arbeitsstreitigkeiten. Denn anders als bei anderen Prozessen muss der Verlierer – zum Beispiel der Arbeitgeber – in der ersten Instanz dem Prozessgewinner dessen Anwaltskosten nicht erstatten.

„Die Rechtsschutzversicherung ist ein Komfort-Schutz“, sagt Hajo Köster vom Bund der Versicherten. „Anders als eine Haftpflicht- oder Berufsunfähigkeitspolice ist sie nicht existenziell notwendig, bietet aber ein beruhigendes Gefühl.“ Das brauchen offensichtlich viele: Insgesamt haben die Deutschen fast 21 Millionen Rechtsschutzpolicen abgeschlossen. Sinnvoll sind diese vor allem für Vermieter, Vielfahrer und eben für Angestellte mit drohenden Problemen am Arbeitsplatz. Vorab sollten Interessenten aber prüfen, welchen Schutz Mitgliedschaften in Verkehrsclubs und Berufsorganisationen beinhalten. „Oft bieten diese Organisationen Rechtsschutz für den jeweiligen Bereich“, sagt Köster.

Wer darüber hinaus Schutz braucht, muss sich auf dem Markt einen Anbieter suchen. Hilfreich dabei ist eine Rangliste, die das Deutsche Institut für Service-Qualität (Disq) für die WirtschaftsWoche aufgestellt hat. Das Institut hat im Februar und März 27 Versicherer untersucht und Qualität und Preise der beliebtesten Police bewertet – einer Kombination aus Privat-, Berufs- und Verkehrsrechtsschutz. Anhand von 24 Kriterien zu Leistung und Kundenfreundlichkeit gab es Punkte: Bis zu welcher Summe springt der Versicherer im In- und Ausland maximal ein? Berät ein Anwalt telefonisch kostenlos? Wie lange müssen Neukunden warten, bis der Versicherer auch Arbeitsstreitigkeiten übernimmt? Für Interessenten spielt neben der Leistung der Preis die entscheidende Rolle. Die Tester fragten die Beitragshöhe jeweils für vier verschiedene Musterkunden ab: ein kinderloses Ehepaar, eine Familie mit zwei Kindern und zwei alleinstehende Neukunden (ein Endzwanziger und ein 50-jähriger, alleinerziehender Vater). Sowohl Tarife mit als auch solche ohne 150 Euro Selbstbeteiligung flossen in das Ergebnis ein.

Testsieg WGV Versicherung

Aus den beiden Teilbereichen Leistung und Preis errechneten die Tester des Disq das Gesamtergebnis für den jeweiligen Rechtsschutzversicherer. In einer ersten Version hatten sich dabei jedoch Fehler eingeschlichen (siehe Kasten). Nach der Korrektur holt sich den Testsieg die WGV Versicherung. Sie punktet vor allem mit niedrigen Beiträgen. So gut wie alle Musterkunden zahlen bei WGV am wenigsten. Nur unwesentlich teurer sind die Policen der BGV Badische, die allerdings keine Tarife ohne Selbstbeteiligung anbietet.

„Für Versicherte, die sowieso nur für aufwendige, teure Fälle Rechtsschutz wollen, ist eine Selbstbeteiligung sinnvoll“, sagt Köster vom Bund der Versicherten. Wer den Versicherer nicht in Anspruch nimmt, spart bei einer Police mit einer Selbstbeteiligung von 150 Euro jährlich rund 50 Euro Beitrag. Um die Prämie noch zusätzlich zu drücken, könnten Versicherte eine höhere Selbstbeteiligung vereinbaren und den Beitrag jährlich statt monatlich überweisen, sagt Versicherungsberater Michael Rieger aus Hannover. Letzteres spart rund fünf Prozent des Beitrags, die sonst oft als Ratenzuschlag anfallen.

Rechtsschutzversicherungen im Vergleich

Bei WGV sichern sich die Musterkunden im Test bei einer Selbstbeteiligung von 150 Euro schon für 142,40 Euro Jahresbeitrag ab. Bei der BGV zahlen Singles – je nach Alter – 130 bis 145 Euro.

Interessenten, die einen besonders umfangreichen Schutz suchen, fahren mit der Rechtsschutz Union am besten. Im Leistungsranking siegt sie mit Abstand vor dem zweitplatzierten Versicherer, Auxilia. Vorbildlich etwa: Wenn die Rechtsschutz Union künftig ihre Leistungen verbessert, gelten die neuen Konditionen auch für Kunden mit alten Verträgen. Das gilt allerdings nur dann, wenn für die neuen Leistungen nicht auch der Beitrag gestiegen ist.

Kein anderer Versicherer bietet diesen nachträglichen Service. Bei der DMB Rechtsschutz gibt es einen ähnlichen Service ("Automatische Leistungsaktivierung") zwar ebenfalls, allerdings nur als Option, die extra gewählt werden muss. Außerdem können unzufriedene Kunden der Rechtsschutz Union schon nach dem ersten Rechtsschutzfall außerordentlich kündigen – nur sechs der 27 getesteten Versicherer gestehen ihren Kunden dies zu. Doch umsonst ist nichts, Kundenfreundlichkeit hat ihren Preis: Ein Single zahlt bei der Rechtsschutz Union im Tarif ohne Selbstbeteiligung 292 Euro pro Jahr, 84 Euro mehr als beim günstigsten Konkurrenten. Generell sind die Preisunterschiede zwischen den Anbietern groß, der Vergleich lohnt sich. So müssen Versicherte des günstigsten Anbieters teilweise nur die Hälfte des Beitrags der teuersten Assekuranz zahlen.

Große Leistungsunterschiede

Die Versicherer im Test unterscheiden sich auch in ihren Leistungen deutlich. Besonders teure Policen müssen nicht immer besonders gut sein. Negativ fielen vor allem Debeka und HDI-Gerling auf, die teure und kundenunfreundliche Policen haben. So räumt sich die Debeka als einziger Versicherer schon nach dem ersten Rechtsschutzfall ein außerordentliches Kündigungsrecht ein. HDI-Gerling lässt seine Versicherten zum Beispiel beim Streit um Aufhebungsverträge allein – anders als zwei Drittel der Testkandidaten.

Für einige besonders häufig auftretende Rechtsprobleme will kein Versicherer einstehen: Probleme beim Bau eines Hauses oder beim Kauf einer Wohnung schließen etwa alle Versicherer aus. „Das führt immer wieder zu Ärger“, hat Köster vom Bund der Versicherten beobachtet. Auch Kapitalanleger, die nach verlustreichen Börsen- und Spekulationsgeschäften Beistand suchen, werden meist enttäuscht. „In der Krise haben viele Versicherer Geldanlagethemen aus dem Schutz herausgenommen“, sagt Versicherungsberater Rieger.

Wer eine alte Police zugunsten eines günstigeren Tarifes kündigen will, sollte daher zunächst Bedingungen und die abgedeckten Versicherungssummen vergleichen. Neukunden können sich nur noch in wenigen, teuren Premium-Tarifen Unterstützung für Streitfälle um Kapitalanlagen sichern – zum Beispiel im Tarif Roland Kompakt Plus (für Anlagen bis 50.000 Euro) und DAS Optimal (bis 20.000 Euro). Versicherte sollten generell vor allem existenzbedrohende oder zumindest extrem teure Risiken absichern. Diese goldene Regel gilt auch für Rechtsschutz. Dass nur jeder siebte Anbieter im Test für den Streit um das Knöllchen nach falschem Parken aufkommt, ist zu verschmerzen.

Auf Stillhaltezeit achten

Autofahrer, die sich nach einem Führerscheinverlust gegen Behörden wehren wollen, brauchen hingegen oft einen langen Atem und tiefe Taschen. 16 der 27 Testkandidaten zahlen Verkehrsrechtsstreitigkeiten mit Behörden, ohne dass der Kunde nach Vertragsabschluss eine Wartezeit absitzen muss. Bei den anderen elf Anbietern sind Kunden in den ersten drei Monaten noch nicht geschützt.

Auf eine Stillhaltezeit müssen Neukunden sich auch beim Arbeitsrechtsschutz einlassen. Die meisten Versicherer springen erst frühestens drei Monate, nachdem der Vertrag unterzeichnet wurde, in die Bresche. Debeka und Jurpartner genehmigen sich sogar sechs Monate Wartefrist. Zu kurz vor einer möglichen Kündigung sollten Arbeitnehmer ihre Police also nicht abschließen.

* Name von der Redaktion geändert

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