Versicherungen Kein Papierkram

Eine neue App soll Nutzern die Verwaltung ihrer Versicherungen erleichtern. Die Anbieter wollen damit Versicherungsmakler unter Druck setzen und die Bestandsprovisionen der Versicherer einstreichen. Verbraucherschützer sind skeptisch.

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Unterlagen: Eine App soll den Papierkram einfacher machen. Quelle: gms

Es wirkt in Zeiten der Digitalisierung altmodisch. Immer noch heften viele Deutsche ihre Versicherungen in Ordnern ab und füllen Formulare aus, um einen Schaden bei ihrer Versicherung zu melden. Christian Wiens will das ändern. Er sitzt leicht wippend auf einem grauen Gymnastikball in seinem Heidelberger Büro und hält zwei Leitz-Ordner in die Luft. "Darin sind meine ganzen Versicherungsunterlagen abgeheftet. Mit dieser Zettelwirtschaft wird es künftig vorbei sein", sagt er und wirft die beiden Ordner unter seinen Schreibtisch.

Der 30 Jahre alte Wiens und sein Partner Marius Blaesing, 24, bringen am heutigen Donnerstag eine App mit dem Namen Safe auf den Markt. Damit können Kunden Versicherungen auf dem Smartphone verwalten. Die App erstellt einen digitalen Ordner aller Versicherungsunterlagen und eine Kostenübersicht für alle Policen - egal, bei wie vielen Versicherern man Verträge hat.

Wiens und Blaesing wollen die Versicherungsbranche radikal vereinfachen. Denn bisher verwalten Hunderte, vor allem dem Berufsstand Makler Zugehörige, die Policen ihrer Kunden. „Makler, die zum Kunden fahren, werden überflüssig“, sagt Wiens.

Denn die App biete viele nutzvolle Zusatzfunktionen an. So können Nutzer per Knopfdruck einen Schaden bei der Versicherung melden und können einen Berater anrufen, wenn sie ihren Vertrag anpassen möchten. Zudem informiert die App die Nutzer, wenn sich Beiträge erhöhen oder Kündigungsfristen auslaufen.

Momentan sind die beiden Gründer mit Berliner Investoren im Gespräch, um Safe am Markt zu etablieren. Millionensummen sollen fließen, denn Anfang 2015 wollen sie TV-Werbung für die "Safe-App" schalten.

Doch die App ist kostenlos, wie wollen die Jungunternehmer Geld verdienen? „Das Geschäft funktioniert nur über die Masse“, sagt Wiens. Safe hat es nämlich auf die Bestandsprovisionen abgesehen. Für jede Police zahlen die Versicherer eine Verwaltungspauschale zwischen sieben und zehn Euro im Jahr an den Makler, wenn dieser sich um die Verwaltung kümmert. Safe ist als Versicherungsmakler lizenziert und bekommt die Provision, wenn der Nutzer beim Installieren der App einwilligt, seine Versicherungen über Safe zu verwalten. "Wir greifen damit einen großen Markt an", sagt Wiens. Er weiß: Jeder Deutsche hat im Schnitt sechs Versicherungen, das sind insgesamt rund 460 Millionen Verträge, die verwaltet werden müssen.

Safe ist das bereits zweite Start-up, das Wiens und Blaesing gegründet haben. Sie entwickelten zuvor die Tischreservierungssoftware Gourmeo, die sie später an die Müller Medien Verlagsgruppe verkauft haben. Den sechsstelligen Verkaufserlös haben sie nun in Safe investiert.

Längst bieten auch Versicherer selbst ihren Kunden Onlinetools zur Verwaltung ihrer Verträge an. Zum Beispiel können Kunden bei Ergo Direkt von unterwegs auf ihre Post zugreifen und in einem Live-Chat mit einem Kundenbetreuer sprechen.

Das Problem aus Sicht der App-Erfinder: "Die Versicherer kochen bislang ihr eigenes Süppchen", sagt Wiens. Safe sei das erste Angebot, das einen Überblick über alle Versicherungstypen von verschiedenen Anbietern gibt. Von der Haftpflichtversicherung bis zur Rürup-Rente. Dafür müssen Kunden nur ihren Namen und den Namen der Versicherung eingeben. Die App fordert dann automatisch die Unterlagen an.

Ein Problem ist der Datenschutz: Zwar soll eine Verschlüsselung auf Banklevel die notwendige Sicherheit für die Daten gewährleisten. "Aber es werden auf der App hochsensible Kundendaten hochgeladen, die bei einem Sicherheitsleck in falsche Hände geraten könnten", warnt Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender beim Bund der Versicherten. Mobiltelefone seien nach wie vor sehr anfällig für Trojaner.

Verbraucherschützer Kleinlein bezweifelt, ob die App vor einem Siegeszug steht: „Im Schadensfall müssen Kunden oftmals auch das Kleingedruckte eines Vertrags lesen können. " Das sei auf dem kleinen Bildschirm eines Smartphones aber kaum möglich.

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