Versicherungschefs im Gespräch "Seit Jahrzehnten falsch versichert"

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Vertreter, Makler, Supermarkt. Fehlen noch die Strukturvertriebe wie AWD, DVAG oder MLP. Wie sieht es denn bei denen aus?

Castelló: Die Beratungsqualität ist bei den Strukturvertrieben nicht gut und daran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert.

Meister: Was Sie da sagen, ist doch haltlos, Frau Castelló. Die DVAG zum Beispiel hat sich von Ratingunternehmen wie Assekurata oder ServiceRating bewerten lassen. Die Ergebnisse – das wissen Sie genau – sind hervorragend. Und es sind Ratings aus Sicht der Verbraucher. Außerdem investiert die DVAG jährlich rund 40 Millionen Euro in die Aus- und Fortbildung ihrer Vermögensberater. Im Übrigen ist es dann kein Zufall, dass die DVAG gerade in den beratungsintensiven Geschäftsfeldern wie Riester- oder Rürup-Rente zu den absoluten Spitzenvermittlern in der Branche zählen.

Haas: Die Vertriebe werden immer professioneller, die großen wie AWD, MLP oder DVAG sind da schon sehr weit. Bei den mittleren und kleineren gibt es noch Verbesserungsbedarf. Das wird sich auch durch die Reform des Versicherungsvertragsgesetzes verbessern. Wenn Vermittler nicht professionell beraten und keine Verkaufserfolge haben, werden sie aus dem Markt scheiden.

Was meinen Sie mit professioneller? Dass die Vertreter mehr verkaufen? Oder kundenorientierter verkaufen?

Haas: Es geht darum, den Kunden ganzheitlich zu beraten. Der Vermittler hat Beratungsprotokolle, anhand derer er die Bedürfnisse und die Finanzsituation erfassen muss. Der Beratung wandelt sich derzeit von einem produktgetriebenen Ansatz hin zu einem kundenorientierten Ansatz.

Castelló: Auch in der Vergangenheit hätte der Ansatz eigentlich kundenorientiert sein sollen. Neuerdings steht es so im Gesetz.

Haas: In der Vergangenheit dürfte sicher das eine oder andere nicht immer optimal gelaufen sein. Wenn Sie aber sehen, wie viele Kunden letztendlich mit ihrer Versicherung zufrieden sind, zeigt das, dass es im Großen und Ganzen schon ganz gut lief.

Riester- und Rürup-Versicherungen kommen nicht aus den Schlagzeilen. Es gab kürzlich Berichte, wonach von Riester und Rürup nur die Versicherer profitieren, nicht aber die Versicherten. Wie sinnvoll sind solche Versicherungen überhaupt?

Oletzky: Riester und Rürup ergeben Sinn. Riester vor allem auch für Verdiener mit geringem Einkommen, weil die staatliche Förderung proportional höher ist. Die Diskussion, die wir in den vergangenen Monaten führten, war völlig übertrieben. Ob man die geförderte private Altersvorsorge allerdings – wie es heute der Fall ist – auf Sozialleistungen anrechnen muss, sollte sich die Politik wirklich noch einmal gut überlegen.

Gibt es Signale aus der Politik, dass das geändert wird?

Oletzky: Über konkrete Signale kann ich Ihnen derzeit nichts sagen. Aber es wird Gespräche zwischen der Versicherungswirtschaft und der Politik geben.

Den Versicherern wurde vorgeworfen, dass sie bei Riester-Policen mit zu hohen Lebenserwartungen arbeiten. Das schmälert die Rendite erheblich, füllt aber die Taschen der Versicherer.

Meister: Ich halte diesen Vorwurf für unverantwortlich und realitätsfremd! In der Vergangenheit ist die Lebenserwartung stetig gestiegen – das wird auch in Zukunft so sein. Das wissen wir doch alle. Wir garantieren Kunden eine lebenslange Rente, und das, egal ob er 60 oder 100 Jahre alt wird. Deshalb müssen wir vorsichtig rechnen. Oder sollen wir einem Kunden, der 90 Jahre oder älter wird, sagen, dass wir seine Lebenserwartung unterschätzt haben und er für den Rest seines Lebens nun selbst klar kommen soll? Castelló: Riester ist ja nicht gleichzusetzen mit Versicherung. Bei den Kosten schneiden Versicherungsverträge in der Regel so schlecht ab, dass die staatlichen Zulagen aufgefressen werden. Damit hat das ganze keinen Sinn mehr. Wir empfehlen deshalb den Verbrauchern Banksparpläne oder Fondssparpläne. Und Rürup ist eine Zeitbombe. Eine Beitragsfreistellung wird nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich sein. Wenn Selbständige nach einigen Jahren die Beiträge nicht mehr zahlen können, werden sie feststellen, dass ihr Geld weg ist. Wenn sich das herumspricht, wird das einigen Versicherern um die Ohren fliegen.

Oletzky: Wir müssen aufpassen, dass wir mit solchen pauschalen Äußerungen nicht den Kunden den Eindruck vermitteln, private Vorsorge würde sich nicht lohnen oder gar nicht erforderlich sein. Wir sind gehalten, vorsichtig zu kalkulieren; Gewinne, die aus dieser Kalkulation entstehen, kommen zum weitaus größten Teil den Versicherungskunden zugute.

Durstin: Am Anfang ist Riester auch deshalb schlechter verkauft worden, weil die Vermittler Provisionen zurückzahlen mussten, wenn der Kunde innerhalb der ersten zehn Jahre kündigte. Später galt das nur noch für die ersten fünf Jahre. Seitdem hat der Vertrieb besser funktioniert. Auch das zeigt: Sobald die Provision stimmt, werden die Produkte verkauft – unabhängig davon, ob die Produkte gut für den Kunden sind. Dabei gäbe es viele andere Möglichkeiten für die Deutschen, Vermögen anzusparen. Altersvorsorge ist insbesondere auch nicht gleichbedeutend mit Kapitallebensversicherung. 75 Prozent der Verträge mit mehr als 30 Jahren Laufzeit werden gar nicht durchgehalten. Wer aber vorzeitig kündigt, verliert viel Geld.

Kapitallebensversicherungen sind also für die Altersvorsorge gar nicht geeignet?

Castelló: Garantiert werden bei einer Kapitallebensversicherung oder Rentenversicherung teilweise nur zweieinviertel Prozent Rendite auf das Deckungskapital. Dadurch sind noch nicht einmal die eingezahlten Beiträge abgesichert, weil davon noch die Kosten abgezogen werden.

Oletzky: Durch die Überschussbeteiligung bei der Kapitallebensversicherung haben Sie am Ende deutlich mehr als die zweieinviertel Prozent. Die Überschussbeteiligung zu unterschlagen, führt natürlich zu falschen Ergebnissen.

Castelló: Sie reden jetzt aber nur von den 25 Prozent der Kunden, die auch wirklich bis zur Rente durchhalten!

Meister: Garantiezins plus Überschussbeteiligung ist immer noch besser als nichts oder Renditen von minus 80 Prozent. Was haben Sie denn 2002 einem 60-Jährigen gesagt, der 100.000 Euro in Fonds investiert hatte und plötzlich mit 20.000 Euro dastand? Bei einer Kapitallebensversicherung hat er gar nichts verloren.

Castelló: Mit Bundesschatzbriefen kommen sie auf ähnliche Ergebnisse. Und die garantierten Rentenzahlungen sowie die gezahlten Renten sind so schmal, dass das jede Sparkasse leisten kann.

Meister: Sie tut es aber nicht. Denn sie kann es nicht. Sie kann Ihnen, wenn Sie 60 Jahre alt sind, die Garantie geben, dass Sie mit dem angesparten Kapital eine Rente bis 80 bekommen. Wenn sie aber älter werden, bekommen sie danach kein Geld mehr. Das ist nun einmal Tatsache. Und die verschweigen Sie einfach.

Oletzky: Die Aktionäre der börsennotierten Versicherungsunternehmen werfen der regulierten deutschen Lebensversicherung immer wieder vor, dass die Versicherer in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Europas viel zu wenig verdienen – und wir führen hier eine Diskussion darüber, dass die Kunden zu schlecht behandelt werden.

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