VZBV-Chef Klaus Müller „Wir brauchen ein Provisionsverbot – bei allen Anlageprodukten“

Klaus Müller, Chef der Verbraucherzentralen in Deutschland. Quelle: dpa Picture-Alliance

Klaus Müller, Deutschlands oberster Verbraucherschützer, hält Riester-Sparen für zu teuer, will Provisionen im Finanzvertrieb verbieten, und Facebook zwingen, Daten an die Nutzer rauszugeben.

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Herr Müller, die private Altersvorsorge in Deutschland steckt in der Krise. Lebensversicherungen rentieren sich nicht mehr und Riester-Sparprodukte sind unbeliebt wie nie zuvor. Was läuft schief?
Riester war gut gemeint, aber grottenschlecht umgesetzt. Die Finanzprodukte sind einfach zu teuer und zu kompliziert. Die Verbraucher haben nicht die Zeit sich durch komplizierte Verträge zu arbeiten. Viele verstehen nicht, wie sich eine bestimmte Anlagestrategie auf die Rendite auswirkt. Es gibt eine große Sehnsucht nach einfachen Produkten, denen man vertrauen kann. Das ist legitim.

Das allein wird nicht reichen, um Riester wiederzubeleben.
Zunächst müssen die Vertriebs- und Marketingkosten weg. Selbst manche Anbieter gestehen heute, dass ihnen die über den Kopf gewachsen sind. Wir brauchen ein Provisionsverbot – bei allen Anlageprodukten. Derzeit wird den Verbrauchern zu häufig das verkauft, was die meiste Provision bringt. Und dann sollten wir über die teuren Garantien der Ansparphase sprechen.

Sie überraschen mich, dass Sie als Verbraucherschützer Garantien kritisch sehen.
Wir sind nicht gegen Garantien, sondern für eine ehrliche Debatte darüber. Viele Verbraucher wünschen sich Garantien in der Ansparphase ohne zu wissen, wie viel Rendite sie tatsächlich kosten. Das sollten wir ihnen erklären, damit sie entscheiden können, wie viel ihnen eine solche Absicherung wert ist. Grundsätzlich ist in der privaten Altersvorsorge eine Garantie kein Muss. Wer über Jahrzehnte anlegt, kann zwischenzeitliche Wertschwankungen an den Finanzmärkten verkraften.

Zur Person

Wenn das Provisionsverbot kommt, wer soll Anleger dann – zum Beispiel über die Kosten der Garantie- informieren? Honorarberater spielen in Deutschland kaum eine Rolle.
Ohne Provision gebe es sicher weniger Berater, aber die Qualität wäre höher. Dies haben die Erfahrungen aus Großbritannien und den Niederlanden gezeigt. Und nicht jeder Verbraucher braucht immer eine ausgewachsene Beratung. Inzwischen gibt es eine Reihe von Online-Plattformen, die bei standardisierten Finanz-und Versicherungsprodukten helfen. Soweit sie unabhängig und zuverlässig informieren, sind sie eine echte Alternative.
Im Internet finden sich unzählige Seiten, die über Riester informieren. Gefühlt ist diese Form der Altersvorsorge dennoch tot...
...weil der Name ähnlich wie bei den Hartz-Gesetzen vorbelastet ist. Mit einem neuen Namen und einem völlig anderen Konzept ließe sich die Idee wiederbeleben.

Wie könnte das aussehen?
In Schweden gibt es für alle Arbeitnehmer einen Fonds für die private Altersvorsorge. Er ist staatlich aufgesetzt und wird größtenteils privat gemanagt. Er kommt ohne Garantien in der Sparphase aus, hat niedrige Kosten und deutlich höhere Renditen als unsere Riester-Produkte.

Befürworten Sie eine Klageindustrie, Herr Müller?

Dort muss man als Anleger widersprechen muss, um nicht automatisch in diesen Fonds einzuzahlen. Das ist Bevormundung.
Beim schwedischen Modell können die Anleger statt im Standard-Altersvorsorgeprodukt ihr Geld auch in rund 800 verschiedene private Fonds anlegen. Nur ein Bruchteil tut dies — weil der Standard-Fonds so erfolgreich ist. Es hat sich gezeigt, dass Zuschüsse und Steuervorteile als Anreize nicht reichen. Auch die Rendite und damit die Qualität der Finanzprodukte muss stimmen.

Bisher haben die Deutschen ihr Geld vor allem in Lebensversicherungen angelegt. Die Versicherer verlieren jedoch das Interesse an diesem Produkt und verkaufen ihre Bestände. Ein Risiko für Anleger?
Wir beobachten die Situation sehr genau. Bislang gibt es keinen Grund für Alarmismus, wohl aber zur Wachsamkeit. Versicherungsbestände wurden auch in der Vergangenheit verkauft und bisher haben der BaFin zufolge seriöse Unternehmen die Bestände übernommen. Es gibt derzeit keine Indizien dafür, dass garantierte Leistungen gefährdet wären.

Für die Käufer ist das Interesse der Anleger zweitrangig, sie wollen ihren Schnitt machen. Bleiben die Zinsen über Jahre weiter niedrig...
...kann es eng werden und gegebenenfalls werden Anleger mit alten, hochverzinsten Verträgen Abstriche erleben. Es ist absehbar, dass es bei anhaltendem Niedrigzins für einige Lebensversicherungen ziemlich schwer werden wird. Womöglich gibt es dann auch eine Debatte über Rettungspakete.

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