Junge Deutsche im Alter von 17 bis 27 Jahren zweifeln an der privaten Altersvorsorge. Lediglich 23 Prozent sind der Meinung, dass man durch private Vorsorge bessere Erträge erwarten kann als durch die staatliche Rente. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 sagten das noch 31 Prozent.
Zugleich wächst der Wunsch an die Politik, die staatliche Rente zu verbessern. 39 Prozent sagen, es könne auch in Zukunft eine gute staatliche Rente geben, wenn die Politik nur wolle. Im Vergleichsjahr 2010 sagten das lediglich 31 Prozent.
Diese Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage hat die „Metallrente“, ein Versorgungswerk für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie, am Donnerstag veröffentlicht. Für die Untersuchung hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest 2500 junge Leute im Alter zwischen 17 und 27 Jahren befragt. Die Daten zeigen, dass der von der Politik gewünschte Mentalitätswechsel bei der jungen Generation ausbleibt - und sich sogar in Richtung Staat statt privat verschiebt.
Altersvorsorge: So viel Rente darf der Standardrentner erwarten
Die Prognosen beziehen sich auf den sogenannten Standardrentner, der 45 Jahre Beiträge gezahlt und immer das Durchschnittseinkommen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdient hat. Die angegebene Bruttostandardrente versteht sich vor Steuern. Das Sicherungsniveau vor Steuern gibt das Verhältnis der Renten im Vergleich zum Durchschnittseinkommen der beitragszahlenden Beschäftigten abzüglich der durchschnittlichen Sozialversicherungsbeiträge an.
Quelle: Rentenversicherungsbericht 2015, Deutsche Rentenversicherung Bund, Stand: November 2015
Beitragssatz zur GRV: 19,9 %
Bruttostandardrente: 1224 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 51,6 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1372 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,7 %
Beitragssatz zur GRV: 18,7 %
Bruttostandardrente: 1517 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 47,6 %
Beitragssatz zur GRV: 20,4 %
Bruttostandardrente: 1680 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 46,0 %
Beitragssatz zur GRV: 21,5 %
Bruttostandardrente: 1824 Euro monatlich
Sicherungsniveau vor Steuern: 44,6 %
Die Riester-Rente, die derzeit von CSU und SPD in Frage gestellt wird, ist unter jungen Leuten zunehmend weniger beliebt. Im Jahr 2010 sagten 50 Prozent derjenigen, die für das Alter vorsorgen, dass sie eine Riester-Rente abgeschlossen haben. Sechs Jahre später ist dieser Wert auf 42 Prozent gesunken. Zugleich wird die betriebliche Altersvorsorge beliebter. 2010 sorgten 31 Prozent der 17- bis 27-Jährigen damit vor, heute sind es immerhin 40 Prozent.
Dies hängt offenbar mit der Komplexität der Produkte zusammen. Knapp 40 Prozent der Befragten gaben an, sie könnten eine betriebliche Altersversorgung einem Freund erklären. Aber nur 27 Prozent trauen sich zu, die Riester-Förderung beschreiben zu können. Noch vor Riester-Rente und betrieblicher Vorsorge entscheiden sich im Übrigen 60 Prozent für das klassische Sparbuch oder Festgeld-Anlagen, um für das Alter vorzusorgen, 56 Prozent vertrauen auf den Bausparvertrag.
Rentenprognosen für 2040
Die vorliegenden Berechnungen stammen aus der Studie "Rentenperspektiven 2040" von Prognos. Die Prognosen beziehen sich jeweils auf zwei Kreise im Vergleich zum Bundesdurchschnitt. Berechnet wurden jeweils die durchschnittliche Bruttorente für sechs typisierte Erwerbsbiografien. Erwerbslücken aufgrund von Kindererziehungszeiten weisen in diesem Beispiel zwei Erwerbsbiografien auf. Gerechnet wurden die Prognosewerte ohne Inflationsanpassung, das heißt nach dem Preisniveau in Euro aus dem Jahr 2015 um die Zahlen mit heutigen Werten vergleichbar zu machen. Nominal dürften die zukünftigen Renten und Einkommenshöhen 2040 entsprechend höher liegen. Der Kaufkraftvergleich steht im Zentrum der Betrachtung.
Stand: 12.11.2015
Bruttorente (€) | Bruttorentenniveau |
1678 | 38,90 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hamburg | 2726 | 2383 | 33,5 % |
Schwerin | 2291 | 2343 | 33,6 % |
Bund | 2597 | 34,0 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Halle | 2045 | 2158 | 35,8 % |
Saalekreis | 2191 | 2463 | 34,4 % |
Bund | 2324 | 36,9 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Berlin | 1451 | 1369 | 35,3 % |
München | 1452 | 1113 | 34,4 % |
Bund | 1456 | 35,4 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hildesheim LK | 1083 | 1174 | 52,0 % |
Konstanz LK | 1086 | 1026 | 50,9 % |
Bund | 1095 | 50,8 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Hohenlohekreis | 2579 | 2658 | 34,1 % |
Merzig-Wadern | 2391 | 2439 | 35,5 % |
Bund | 2366 | 33,6 % |
Kreise/Bund | Bruttorente (€) | Rentenkaufkraft (€) | Bruttorentenniveau |
Bonn | 1611 | 1506 | 42,1 % |
Köln | 1620 | 1473 | 41,8 % |
Bund | 1612 | 39,7 % |
Aufschlussreich sind auch die Pläne derjenigen, die noch nicht vorsorgen, sich das aber künftig vorstellen können. Nur 19 Prozent wollen demnach eine Riester-Rente abschließen. 2010 waren es noch 42 Prozent. Für eine private Rentenversicherung würden sich noch 38 Prozent entscheiden – statt 51 Prozent vor sechs Jahren. Die Lebensversicherung finden nur noch 35 Prozent attraktiv, 2010 waren es noch 44 Prozent.
"Die Bereitschaft zur Vorsorge ist im Sinkflug"
Die Skepsis gegenüber der privaten Vorsorge spielt der Bundesregierung aus Union und SPD in die Hände. In dieser Woche hatte die große Koalition satte Rentenerhöhungen beschlossen. In Westdeutschland steigt die Rente zum 1. Juli um 4,25 Prozent, im Osten um 5,95 Prozent. Das ist die kräftigste Rentenerhöhung seit 23 Jahren. In diesem Jahr fallen für die gesetzliche Rentenversicherung zusätzliche Kosten in Höhe von 6,4 Milliarden an, ab kommendem Jahr sind es sogar 12,7 Milliarden Euro.
SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert noch in dieser Legislaturperiode eine große Rentenreform, da die Bevölkerung es nicht akzeptieren würde, wenn das Rentenniveau auf 40 bis 42 Prozent des letzten Bruttogehalts sinken sollte. SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles will die umlagefinanzierte Rente als „die zentrale Säule unseres Alterssicherungssystems“ erhalten und bekommt Unterstützung von CSU-Chef Horst Seehofer, der das Rentenniveau ebenfalls nicht weiter absenken möchte.
Heribert Karch, Geschäftsführer des Versorgungswerks "Metallrente", warnt davor, dass die rot-grüne Rentenreform aus dem Jahr 2001 hin zu mehr privater Vorsorge scheitern wird. „Die Bereitschaft zur Vorsorge ist im Sinkflug, die Beteiligung an der privaten Riester-Rente rückläufig“, sagt Karch. „Wenn es eigenes Geld kostet, handeln die jungen Menschen nun mal nicht automatisch im Sinne der Rentenreform.“
Die Idee der Rentenreform, die vor 15 Jahren beschlossen wurde, gehe nicht auf. Junge Menschen sollten im Umlagesystem weniger für den alten Rentner zahlen und stattdessen mit der staatlich geförderten Riester-Rente vorsorgen. „Die Generation Y wird von der vermeintlich gerechter behandelten zur prekären Generation der Rentenpolitik“, sagt Krach.
Das Versorgungswerk Metallrente fordert nun, dass die zusätzliche Altersvorsorge nicht mehr auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden soll. Nur so würden sich Eigenvorsorge sowie betriebliche oder tarifliche Leistungen lohnen. „Der Staat darf nicht auf Altersersparnisse zugreifen“. sagt Krach, der sich im Sinne seiner Branche selbstverständlich mehr Betriebsrenten wünscht.
Eine große Rentenreform noch vor der Bundestagswahl im Herbst des kommenden Jahres ist indes unwahrscheinlich, auch wenn CSU und SPD das fordern. Die CDU will das Thema aus dem Wahlkampf raushalten. Begonnen hat er längst.