So einen Unterschied zwischen Versprechen und Wirklichkeit gab es in der Welt der Versicherungen noch nie: Drei Prozent wollen die Assekuranzen ihren Lebensversicherungskunden im Durchschnitt Jahr für Jahr garantiert gutschreiben. Doch wenn die Versicherungsmanager das täglich in Millionenhöhe hereinströmende Geld anlegen wollen, haben sie ein Problem. Denn wenn sie sich wie gewohnt langfristig und extrem sicher binden wollen, in Bundesanleihen über zehn Jahre etwa, würden sie nicht einmal ein Prozent herausbekommen. Deshalb sinkt der Garantiezins in zwei Monaten erneut. Von 2015 an liegt er bei nur noch 1,25 Prozent – aktuell sind es noch 1,75 Prozent. Daher trommeln Versicherer im Endspurt mit Slogans wie „Verschenken Sie kein Geld“ und richten auf ihren Web-Seiten gar Countdowns ein. Zeit also, dass sich Anleger mit den Lebensversicherern auseinandersetzen. Wer kapitalstark ist und hohe Renditen verspricht, zeigt das große Exklusiv-Ranking der WirtschaftsWoche.
Fall 1: Mit Kleinbeträgen lange sparen
Schnell noch Langfristsparer zu einer Unterschrift unter einen Rentenvertrag zu bewegen, das hat bei Natalie Tiranno aus Frankfurt bereits geklappt. Die 35-Jährige hatte sich schon seit einiger Zeit immer wieder zum Thema Rente beraten lassen. Doch unterschrieben hat die Freiberuflerin erst diesen Oktober. „Ich wollte schon lange was für die Rente machen, wusste aber nicht, wie und was“, sagt die Lehrerin, die Menschen über Musik Fremdsprachen beibringt. Melodie und Rhythmik nehmen ihren Schülern die Angst vor Sprachen – das Versprechen, mit kleinen Beiträgen flexibel fürs Alter vorzusorgen, nahm ihr jetzt die Scheu vor der Entscheidung für das Renten-Sparen. Fünf Jahre lang will die Selbstständige 70 Euro im Monat zahlen, danach soll der Beitrag auf 130 Euro steigen. „Ich denke, dass ich mir den höheren Betrag dann leisten kann.“ Falls nicht, dann darf sie auch bei dem niedrigeren Beitrag bleiben; die Vertriebsprovision bliebe aber wie gehabt und drückte dann die Rendite.
Wichtige Kennzahlen zur Beurteilung von Versicherern
Hermann Weinmann, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule Ludwigshafen, hat für die WirtschaftsWoche Daten zur Leistungsfähigkeit der größten Versicherer ausgewertet. Sie haben etwa 60 Prozent Marktanteil. Soweit veröffentlicht, sind die Zahlen von 2013, ansonsten 2012.
Stand: 26.05.2014
Diese Verzinsung kann Einmaleffekte aus den Verkauf von Wertpapieren enthalten. Vorzugsweise sollte diese Zahl auch um Einmaleffekte bereinigt angegeben werden. Sie zeigt, was Versicherer pro Jahr aus Kapitalanlagen ziehen. Generali etwa schaffte 3,0 Prozent – weniger als die 3,1 Prozent, die die Branche Kunden im Schnitt garantiert.
Sie entstehen, wenn der aktuelle Marktwert von Wertpapieren höher ist als der Wert, mit dem die Versicherer sie in ihren Büchern stehen haben. Um magere Renditen bei Zinspapieren auszugleichen, können Versicherer einen Teil dieser Reserven durch Verkäufe heben. So machen sie Geld flüssig, das sie an Kunden auszahlen könnten.
Mit den Kapitalerträgen muss der Versicherer mindestens die garantierten Leistungen finanzieren. Was darüber hinaus bleibt plus eingesparte Kosten, kann der Versicherer zusätzlich an die Kunden ausschütten. Versicherer, die sauber kalkulieren und kostengünstig arbeiten, schaffen hohe Überschüsse. Für die Finanzkraft des Versicherers ist die Quote Überschuss/Beitragseinnahmen entscheidend.
Versicherer bilden für zukünftig fällige Überschussbeteiligungen Rückstellungen. Das Geld stammt aus dem Kapitalanlagetopf. Erwirtschaftet der Versicherer mehr, als er den Versicherten schuldet, kann er freie Rückstellungen aufbauen.
Je höher die freien Rückstellungen im Verhältnis zu den im Folgejahr fälligen Überschussbeteiligungen sind, desto länger kann ein Versicherer eine Flaute auf dem Zinsmarkt aussitzen.
Mit wie viel Geld sie im Rentenalter rechnen kann, weiß sie ohnehin nicht genau. Sicher sind ihr lediglich aktuell garantierte 166 Euro im Monat, wenn sie 31 Jahre lang wie geplant einzahlen sollte.
Und anders als es die Versicherer in ihrer Werbung hinausposaunen, ist der Garantiezins auch nur ein Teil der Wahrheit. Denn der wird nur auf denjenigen Anteil am Kapital gezahlt, den der Versicherer nach Abzug seiner Kosten anlegt – und das können je nach Höhe des in der Lebensversicherung eingebauten Todesfallschutzes plus weitere Kosten auch nur 70 bis 80 Prozent der eingezahlten Kundengelder sein. Folge: „Wegen der niedrigen Zinsen kann besonders bei kurzlaufenden Verträgen von bis zu zwölf Jahren die ausgezahlte Summe unter der eingezahlten liegen“, hat Axel Kleinlein, Vorstandschef beim Bund der Versicherten, ausgerechnet. Deshalb ist es für Kunden wichtig, dass ihr Versicherer geringe Kosten hat. Und da es bei insgesamt 811 Milliarden Euro an Einlagen nicht um Kleingeld geht, muss der Versicherer zudem kapitalstark sein. Das bedeutet, dass er mit seinen Anlagen künftig deutlich mehr erwirtschaften kann, als er an Garantiezins zahlen muss.
Gut untergebracht
Tiranno hat nicht nur die noch bis Jahresende geltenden höheren Garantiezinsen mitgenommen. Sie kann mit ihrer Entscheidung vor allem deswegen ruhig schlafen, weil sie ihre Versicherung bei der Debeka abgeschlossen hat. Diese zählt im Rating der WirtschaftsWoche seit Jahren zu den kapitalstärksten Lebensversicherern der Branche, 2014 liegt sie auf Platz zwei. Damit Anleger vorbildliche Versicherer aufspüren oder ihre bestehenden Verträge abklopfen können, haben der Wiener Finanzwissenschaftler Jörg Finsinger und das Analysehaus Softfair zum 18. Mal im Auftrag der WirtschaftsWoche 70 Lebensversicherer aus Sicht der Kunden analysiert.
Wer neu abschließt, muss zudem mit einem rechnen: Er könnte Kunden mit alten Verträgen subventionieren. Schuld ist das Gefälle zwischen hohen und niedrigen Garantien. 1994 stieg der Garantiezins mit vier Prozent auf seinen höchsten Stand, seit Sommer 2000 aber ist er rückläufig (siehe Grafik). Wer noch einen Vertrag aus den goldenen Jahren hat, bekommt eben jene vier Prozent – bis zum Laufzeitende. Doch Zinsen auf sichere Anlagen, die Versicherer am Kapitalmarkt bekommen, sind niedrig – aktuell rentieren etwa 16-jährige Bundesanleihen bei 1,4 Prozent. Die Finanzaufsicht BaFin hat die Branche daher dazu verdonnert, zusätzliches Geld speziell für Hochprozent-Verträge zurückzulegen, seit 2011 rund 19 Milliarden Euro.
Lebensversicherer (Neugeschäft eingestellt, mit * markiert) | Realis. Zins auf Kapital- anlagen (1,²) | Abschl.- kosten- quote (1,4) | Ausschütt.- quote (1,6) | Leistungs- fähigkeit für den Kunden (1,7) | Sterne (8) |
Europa | 3,2 | 3,5 | 92,0 | 268,8 | 5 |
Debeka | 3,2 | 3,4 | 88,0 | 228,6 | 5 |
LVM | 3,1 | 3,2 | 91,2 | 198,0 | 5 |
Hannoversche | 3,1 | 3,6 | 93,1 | 191,4 | 5 |
HUK-Coburg | 2,9 | 3,1 | 92,6 | 173,4 | 5 |
Cosmos Direkt | 2,6 | 2,3 | 90,0 | 172,7 | 5 |
Mecklenburgische | 3,2 | 4,1 | 86,4 | 146,8 | 5 |
WGV | 3,1 | 3,8 | 88,3 | 141,6 | 5 |
Allianz | 3,0 | 4,2 | 78,7 | 86,1 | 5 |
Nürnberger Beamten | 3,0 | 4,1 | 89,1 | 84,3 | 5 |
Ergo Direkt | 3,1 | 4,2 | 81,4 | 81,6 | 5 |
Süddeutsche | 2,9 | 3,4 | 84,3 | 81,0 | 5 |
R+V | 3,0 | 4,4 | 82,8 | 71,2 | 5 |
Öff. LV-Anstalt Oldenburg | 3,0 | 4,5 | 94,7 | 66,4 | 5 |
Oeco Capital | 2,9 | 3,9 | 91,7 | 53,2 | 5 |
Bayern-Versicherung (VKB) | 3,0 | 4,5 | 81,8 | 48,3 | 5 |
Delta Lloyd* | 3,0 | 3,1 | 57,2 | 44,7 | 5 |
Alte Leipziger | 3,1 | 4,7 | 83,4 | 43,0 | 5 |
Landeslebenshilfe | 3,5 | 5,9 | 84,2 | 42,9 | 5 |
neue leben | 3,0 | 4,7 | 80,4 | 41,5 | 5 |
VHV | 3,4 | 5,7 | 100,0 | 39,4 | 5 |
Concordia | 3,1 | 4,5 | 85,8 | 36,8 | 5 |
Öffentl. Braunschweig | 3,0 | 4,3 | 80,9 | 34,5 | 5 |
HanseMerkur | 3,0 | 4,2 | 80,5 | 33,6 | 5 |
Itzehoer | 3,0 | 4,7 | 66,6 | 22,9 | 4 |
Stuttgarter | 3,2 | 5,4 | 89,2 | 22,6 | 4 |
InterRisk | 3,0 | 3,5 | 84,5 | 16,3 | 4 |
Volkswohl-Bund | 3,0 | 4,9 | 91,3 | 9,7 | 4 |
Neue Bayerische | 3,1 | 5,3 | 92,7 | 0,9 | 4 |
Öff. Leben Sachsen-Anhalt | 3,0 | 5,0 | 86,4 | 0,3 | 4 |
Benchmark (9) | 3,0 | 4,9 | 85,1 | - | - |
Quelle: Softfair Analyse, Professor Jörg Finsinger 1 in Prozent, gerundet; ² prognostizierte Rendite auf die Kapitalanlagen des Versicherers, unter realistischen Annahmen nach einem mathematischen Modell, |
Fall 2: Vier Prozent bis zum Jahr 2034
Bisher spielte der garantierte Zins nur im Einzelfall eine Rolle; die meisten Versicherer haben bei der Überschussbeteiligung (Garantiezins plus Bonus) alle Kunden gleich behandelt: Ende des Jahres legten sie die Mehrrendite für das kommende Jahr fest, zuletzt lag die Gesamtverzinsung laut der Ratingagentur Assekurata für alle, die bis zum Vertragsende durchhalten, im Schnitt bei 4,3 Prozent – egal, welcher Garantiezins im Vertrag stand. Doch Achtung: Einzelne Versicherer liegen drunter. Inklusive aller Bonusbeträge zahlt etwa die Ergo Lebensversicherung für 2014 nur eine Gesamtverzinsung von 3,55 Prozent. Das ist das Problem: Sinkt die Verzinsung unter 4,0, dann bekommen Kunden mit einem 4,0-Prozent-Vertrag weiter ihre Garantien – das Geld kann nicht mehr an andere ausgeschüttet werden. Ergo teilte dazu lapidar mit, dass Kunden „mindestens den Garantiezins“ bekämen. Und der könne „höher sein als die für 2014 deklarierte Gesamtverzinsung“. Übersetzt heißt das: Jungen Kunden muss Ergo Rendite abknapsen, um alte vertragsgemäß zu bedienen. Willkommen in der Zweiklassengesellschaft.
Simone G. ist eine der glücklich versicherten: Als 30-Jährige hat sie 1999 einen bis 2034 laufenden Vertrag unterschrieben — zum Höchstgarantiezins. Die Entscheidung für die Police fiel der Frau aus Eisenberg leicht: Es sei schon damals „kein Geheimtipp mehr“ gewesen, dass „die spätere gesetzliche Rente nicht ausreichen wird“. Also unterschrieb sie – und hielt auch gegen Widerstände am Vertrag fest.
Lebensversicherer (Neugeschäft eingestellt, mit * markiert) | Realis. Zins auf Kapital- anlagen (1,²) | Abschl.- kosten- quote (1,4) | Ausschütt.- quote(1,6) | Leistungs- fähigkeit für den Kunden (1,7) | Sterne (8) |
LV von 1871 | 3,0 | 4,8 | 90,5 | -14,2 | 3 |
Inter | 3,0 | 4,2 | 82,7 | -16,5 | 3 |
SV Versicherung | 3,0 | 5,3 | 83,6 | -17,7 | 3 |
Provinzial Rheinland | 2,9 | 5,3 | 85,9 | -26,4 | 3 |
Victoria* | 3,0 | 4,6 | 88,9 | -38,3 | 2 |
Asstel | 3,0 | 5,4 | 86,6 | -39,2 | 2 |
Continentale Leben | 3,1 | 5,7 | 91,5 | -39,9 | 2 |
Condor | 3,1 | 5,3 | 87,6 | -46,0 | 2 |
Provinzial Hannover | 3,0 | 5,7 | 92,5 | -46,4 | 2 |
SV Sachsen | 2,9 | 5,5 | 91,8 | -48,8 | 2 |
Universa | 3,0 | 4,9 | 95,2 | -50,4 | 2 |
Generali | 2,9 | 4,9 | 90,0 | -51,1 | 2 |
Saarland | 3,0 | 5,5 | 88,3 | -52,7 | 2 |
Öff. Berlin Brandenburg | 2,9 | 5,2 | 93,4 | -53,2 | 2 |
Familienfürsorge | 2,9 | 5,2 | 85,7 | -53,4 | 2 |
Provinzial NordWest | 3,1 | 5,7 | 87,3 | -56,9 | 2 |
DEVK Allgemeine | 3,0 | 5,7 | 90,3 | -58,8 | 2 |
Gothaer LV | 3,0 | 5,4 | 81,3 | -62,6 | 2 |
DEVK | 3,1 | 5,8 | 83,2 | -65,9 | 2 |
Barmenia Leben | 3,0 | 5,0 | 86,0 | -66,4 | 2 |
WWK Leben | 3,0 | 5,4 | 93,0 | -70,8 | 1 |
Aachener und Münchener | 2,8 | 5,0 | 83,4 | -76,9 | 1 |
Iduna Vereinigte | 3,0 | 5,2 | 81,9 | -79,6 | 1 |
Rheinland | 3,0 | 4,5 | 79,8 | -85,0 | 1 |
Münchener Verein | 2,9 | 5,2 | 83,0 | -90,6 | 1 |
Swiss Life | 2,9 | 5,5 | 83,2 | -95,8 | 1 |
Ideal | 3,0 | 5,1 | 91,1 | -101,3 | 1 |
Deutsche Ärzteversicherung | 2,9 | 5,2 | 80,2 | -104,8 | 1 |
Württembergische | 3,0 | 5,8 | 81,5 | -109,9 | 1 |
Helvetia | 3,0 | 5,9 | 83,0 | -112,5 | 1 |
ARAG | 2,9 | 5,6 | 80,2 | -123,7 | 1 |
AXA | 2,9 | 5,7 | 78,7 | -134,7 | 1 |
Ergo | 2,9 | 6,1 | 86,2 | -145,8 | 1 |
Basler (Deutscher Ring) | 2,9 | 6,0 | 87,3 | -146,4 | 1 |
Nürnberger | 3,0 | 6,3 | 82,7 | -168,2 | 1 |
Zurich Deutscher Herold* | 2,9 | 6,6 | 78,1 | -179,6 | 1 |
Hamburger Leben* | 3,0 | 7,9 | 55,0 | -218,5 | 1 |
VPV Lebensvers. | 2,9 | 6,9 | 85,4 | -229,8 | 1 |
HDI | 2,9 | 7,2 | 83,1 | -252,7 | 1 |
Direkte Leben | 3,2 | 9,2 | 77,9 | -278,9 | 1 |
Quelle: Softfair Analyse, Professor Jörg Finsinger 1 in Prozent, gerundet; ² prognostizierte Rendite auf die Kapitalanlagen des Versicherers, unter realistischen Annahmen nach einem mathematischen Modell, |
Alt oder neu?
Einmal wollte sie ein Verkäufer aus einem Strukturvertrieb zum Umschichten bewegen. „Bestehende Verträge sollten mal geprüft werden“, um mehr aus ihren Sparraten zu machen, warb der Vertriebler. Sein eigennütziger Vorschlag: Sie sollte auf eine Police setzen, die nicht mehr wie bisher garantierte Zinsen hat, sondern indirekt über Fonds an den Kapitalmarkt geht. „Durch die Anlage in Fonds könnte mehr als das Doppelte an Kapital bis zum Ablaufdatum erzielt werden, wurde mir versprochen“, so Simone G. Doch der Haken: Eine fondsbasierte Lebensversicherung garantiert keine Mindestrente. „Als sicherheitsorientierter Mensch wusste ich aber, dass meine bisherige Versicherung zum Ablauf garantiert fast 50 000 Euro auszahlen wird“, sagt Simone G. Das habe das neue Angebot nicht bieten können.
Mit oder ohne Berufsunfähigkeit?
Simone G. kann doppelt froh über ihre ablehnende Haltung sein, hätte sie doch Steuervorteile verloren (siehe Grafik). Sicherheit gab ihr zudem die Honorarberatung Zeroprov in Schkölen nahe Jena. Von der Kündigung ihrer Police hat Zeroprov nach Durchsicht der Unterlagen „klar abgeraten“. Grund: In 35 Jahren zahlt G. deutlich weniger ein, als sie herausbekommt. Für G. liegt die Rendite allein auf die Beiträge zur Lebensversicherung bei rund 2,7 Prozent – gerechnet ohne eine Beteiligung an möglichen Überschüssen. „Ich verliere kein Geld und bin während der Laufzeit noch gegen Berufsunfähigkeit abgesichert“, rechnet die Mittvierzigerin vor. Ihre Versicherung beinhaltet neben einem Todesfallschutz auch eine Absicherung gegen Berufsunfähigkeit, für die sie extra zahlt. Falls sie nicht mehr arbeiten könnte, bekäme sie 767 Euro pro Monat, und ihr Versicherer, die Alte Leipziger, würde ihren Versicherungsbeitrag bis zum planmäßigen Ablauf der Leben-Police übernehmen.
Trennbare Verträge
So wie Simone G. haben viele den Schutz gegen Berufsunfähigkeit an ihren Vertrag gekoppelt. Wer neu abschließt, sollte Verträge aber nicht zusammenfassen. Nur so können Sparer in einer Notlage entscheiden, welcher Vertrag wichtiger ist. Dann können Anleger den Leben-Vertrag kündigen, ohne ihre Absicherung gegen Berufsunfähigkeit zu verlieren – oder umgekehrt.
Wer einen gekoppelten Vertrag kündigen muss und eine neue Absicherung abschließt, für den werden oft Vorerkrankungen zum Problem, die er beim Abschluss der alten Police nicht hatte. Vorbelastete Kunden sind ein höheres Risiko für die Versicherung, welches sie sich vergüten lässt. Wer krank ist, könnte allein wegen des integrierten Risikoschutzes seiner alten Police gezwungen sein, einen unrentablen Vertrag weiter zu besparen. Wer aussteigen muss und eine Absicherung gegen den Todesfall braucht, sollte prüfen, ob er eine separate Risikolebensversicherung abschließen kann, die nur im Todesfall einspringt.
Angesichts extrem niedriger Zinsen ist es ohnehin fragwürdig, ob es sich noch lohnt, eine Lebensversicherung abzuschließen oder eine unrentable zu halten. Die Antwort lautet erst einmal: nein.
Zum einen liegen die Zinsen auf vermeintlich sichere Geldanlagen wie Pfandbriefe, Staatsanleihen oder Bankdarlehen, wie Lebensversicherer sie benötigen, seit Jahren tief: Laut dem Spezialisten für Lebensversicherungen, Assekurata, sinken die durchschnittlichen Überschüsse der Versicherten seit 2009 fortwährend.
Hinzu belasten neue Eigenkapitalvorschriften, bei denen die Versicherer Extra-Geld als Sicherheitspuffer zur Seite legen müssen, wenn sie in chancenträchtige, aber riskantere Anlagen wie Aktien investieren wollen. Nur für Staatsanleihen sind keine Extra-Euro nötig. Politikern kommt das zupass: Versicherer werden in unrentable Staatsanleihen getrieben, Versicherte finanzieren so die klammen Staaten durch die Hintertür – der Regulierung sei Dank.
Und doch spricht eins für den Rentenvertrag: Menschen brauchen im Alter kalkulierbares Einkommen. Wer weiß schon, wie alt er wird, wie viel er sparen muss? Daher ist es richtig, auf Sparen und Rente zu setzen. Wer sicher sein will, sollte umfassend vorsorgen – mit gesetzlicher und privater Rente sowie eigenen Spargroschen.
Fall 3: Einmal zahlen, sofort Rente
So wie Bernd Schneider*. Der 62-Jährige hat der Alten Leipziger im Februar 150 000 Euro überwiesen. Gegenleistung: eine sofort beginnende Rentenzahlung. Monat für Monat bekommt der Privatier nun rund 720 Euro aufs Konto, fest garantiert hat ihm der Versicherer davon 540 Euro. Den Aufschlag gibt es, wenn die Kapitalanlage der Versicherung gut läuft.
Der Privatier aus Mühlacker bei Pforzheim ist happy mit seiner Sofortrente, als ehemaliger Selbstständiger ist er auf die private Rente voll angewiesen: „Für meine Versorgung im Alter brauche ich Sicherheit in Form von regelmäßigen Einnahmen“, sagt er. Schließlich wisse ja auch er nicht, wie alt er werde. „Meine Versicherung ist meine Wette auf ein langes Leben. Das Butterbrot muss sicher sein, nun kann ich mich um die Marmelade kümmern“, sagt er. Das Butterbrot sind die regelmäßigen Zahlungen, die Marmelade sein Erspartes. Das legt er auch schon mal riskanter an, etwa in Aktien.
Dank Kunden wie Schneider boomt bei den Versicherern zumindest das Geschäft mit Einmalbeiträgen, bei denen Menschen eine große Summe auf einen Schlag einzahlen: Die Branche sammelte 2013 auf diese Weise rund 25 Milliarden Euro ein – ein Plus von über 14 Prozent.
Nicht übertreiben
Eine Alternative zur Privatversicherung gibt es laut Mathematiker Kleinlein mit der deutschen Rentenversicherung: „Wer früher als zum gesetzlichen Rentenbeginn in Rente geht, muss Abschläge in Kauf nehmen. Von diesen aber kann man sich freikaufen.“ Zu diesem Zweck überweisen Frührentner dem Staat ein paar Tausend Euro, im Gegenzug gibt es ein paar Rentenpunkte mehr. „Die staatliche Rente, die man je 10 000 investierten Euro herausbekommt, ist höher als bei einem privaten Versicherer“, sagt Kleinlein.
Wer lieber eine Lebensversicherung abschließt, darf sich keine zu hohe finanzielle Last aufbürden, das beweisen Tausende Kündiger jedes Jahr. Denn kaum ein Kunde hält bis zum Ende der Vertragslaufzeit durch – allein 2013 wurden 3,32 Prozent der Verträge gekündigt.
Doch wer kündigt, verliert Geld. Versicherte erhalten zwar einen Rückkaufswert, doch der liegt gerade anfangs weit unter den eingezahlten Beiträgen. Kunden bekommen dann knapp die Hälfte ihres bereits angesparten Guthabens nach Abzug von Kosten zurück. Beinhaltet der Vertrag zudem einen Risikoschutz, wie eine hohe Zahlung im Todesfall, können die Verluste allerdings dramatischer sein.
Die Kündigung hat weitere Nachteile: Der Versicherer kürzt das angesparte Guthaben um Stornokosten, zudem fallen Schlussüberschüsse weg, die erst am Ende gezahlt würden. Je nach bisheriger Laufzeit sind Steuervorteile in Gefahr. „Statt zu kündigen, wäre es dann sinnvoller, die Police beitragsfrei zu stellen“, rät der Stuttgarter Versicherungsberater Karsten George.
Wer seine Police beitragsfrei stellt, lässt das Geld bei der Versicherung, zahlt aber keine Beiträge mehr ein. Gut ist das etwa für kurzfristig klamme Menschen, die nicht an das Geld müssen. Pferdefuß: „Lebensversicherungen lassen sich erst dann beitragsfrei stellen, wenn sie eine bestimmte Versicherungssumme oder Mindestrente erreicht haben“, sagt George. Wann der Wert erreicht ist, steht im Vertrag.
Fall 4: Viele Verträge, viele Probleme
Schon eine Lebensversicherung kann also Probleme machen. Barbara Reinfeld* aus Hamburg hat den Schwierigkeitsgrad glatt vervierfacht. Schuld, so die selbstständige Psychotherapeutin, seien Ratschläge eines Finanzberaters, dem sie 2005 ihre Altersvorsorge anvertraute. „Eigentlich wollte ich mein Geld im Versorgungswerk der Psychotherapeuten anlegen, schließlich hatte ich nur eine geringe gesetzliche Rente zu erwarten“, sagt die Mitte 50-Jährige, „leider habe ich mich anders entschieden.“
Sie ließ eine damals bereits laufende Kapitallebensversicherung der „neue leben“ beitragsfrei stellen, weil ihr Finanzberater mehr Rendite versprach mit Policen, die in Fonds investieren. Als Ersatz für die Police der „neue leben“ schloss sie drei weitere Lebensversicherungen ab. Nur bei einer davon, der Police der Helvetia Versicherung, läuft es wie versprochen: Die Beiträge verzinsen sich positiv. Bei den beiden anderen fondsgebundenen Versicherungen – eine von der liechtensteinischen Vienna Life, eine andere von der britischen Friends for Provident – hat sie dagegen Geld verloren. Nun überlegt die Therapeutin juristisch gegen Vienna Life vorzugehen, weil es Streit um die Höhe des Guthabens gibt. Da ihre Rechtsschutzversicherung für einen Prozess nicht aufkommen will, müsste sie dafür etwa 6000 Euro aus eigener Tasche zahlen. Kein Wunder, dass sie noch zögert.
Nicht alles muss bleiben
Bereits entschieden hat sie sich dagegen bei Friends for Provident: Sie stellte die Police beitragsfrei. Zu schwach war ihr die Performance der Fonds, in die Beiträge flossen. Wer wie Reinfeld mehrere Policen hat, sollte schauen, wie hoch der jeweilige Garantiezins ist. Sinnvoll könnte es sein, sich von Policen mit niedrigerem Zins zu trennen, wenn gleichzeitig der Anbieter auch noch kapitalschwach sein sollte. Oben auf der Streichliste stehen zudem Fondspolicen, die keine Garantie bieten.
Tipps: Die richtige Police finden
Versicherte zahlen Beiträge oft monatlich. Dafür fallen Zuschläge an. Wer pro Jahr zahlt, profitiert. Auf 20 Jahre bringt das schnell 1000 Euro mehr.
Automatische jährliche Beitragssteigerungen sollen die Inflation abfedern. Nachteil: Es fallen jedes Jahr neue Abschlusskosten an. Kunden können die Dynamik aussetzen. Sinnvoll ist der Automatismus höchstens bei integriertem Risikoschutz und bei steuerfreien Policen von vor 2005, da die alten Vorteile (früherer Gesundheitszustand, alte Steuerregeln) dank Dynamik auch für höhere Leistungen gelten.
Anlage und Risikoschutz mit separaten Policen abdecken. Versicherte können die Lebenspolice sonst kaum kündigen oder beitragsfrei stellen, da der Risikoschutz gefährdet wäre.
Staatliche Förderung, etwa Riesteroder Rürup-Policen, beschert meist kein geschenktes Geld – trotz anderslautender Werbung. Das liegt vor allem an Steuereffekten. Vorteile gibt es meist nur, wenn die Steuersätze im Alter viel niedriger als vorher sind.
Bei Neuabschluss sind für die reine Sparanlage, also bei Policen mit Einmalauszahlung, allenfalls Top-Versicherer interessant. Immerhin bestehen hier selbst bei neuen Verträgen noch kleinere Steuervorteile. Für die Altersvorsorge hingegen ist die Auszahlung als monatliche Rente besser. Versicherer setzen allerdings teils über 100 Jahre Lebenserwartung an. Entsprechend niedrig sind die Renten. Die Rentenpolicen sind nur Absicherung, kein Renditebringer.
Bei Rentenversicherungen kommt es zudem auf die Sterbetafeln an. Damit berechnen Versicherer die Höhe ihres Risikos: Je älter Kunden werden, desto länger fließt Rente. Die Sterbetafeln werden daher regelmäßig an die steigende Lebenserwartung angepasst. „Versicherer kalkulieren für Neugeborene inzwischen mit einer Lebenserwartung von 105 Jahren“, sagt Kleinlein. Fazit: Je älter die Sterbetafel, die alten Verträgen zugrunde liegt, desto eher lohnt es sich, weiter zu sparen, weil die Rente vergleichsweise hoch ist. Bei neueren Policen, bei denen Versicherer mit sehr hoher Lebenserwartung kalkulieren, fallen Renten niedriger aus. Solche Policen beitragsfrei zu stellen oder zu kündigen schmerzt daher weniger.
Früher hatten Kündiger einen Puffer: Kunden, die ihre Police aufgaben, mussten seit 2008 zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligt werden. Die entstehen, wenn Kursgewinne in den Büchern stehen, zugehörige Papiere aber noch nicht verkauft wurden. Je stärker die Zinsen sanken, desto höher stiegen vor allem die Kurse alter Anleihen mit hohen Kupons. Versicherer mussten Milliarden ausschütten.
Doch im Sommer hat der Bundestag die Regel aufgeweicht. Anleger, deren Vertrag künftig ausläuft oder die ihn kündigen, erhalten nicht mehr zwangsläufig die Hälfte an Reserven von festverzinslichen Wertpapieren. Wenn die BaFin feststellt, dass ein Versicherer Grenzwerte erreicht hat, bei denen die an Kunden insgesamt zugesagten Leistungen gefährdet sind, darf der Versicherer keine Reserven auf Festzinspapiere mehr ausschütten, die durchschnittlich 89 Prozent der Anlagen ausmachen.
Bei vielen ist es schon eng. Besonders betroffen sieht Kleinlein Kunden, deren Vertrag in den kommenden zwei Jahren ausläuft. Wegen der Niedrigzinsphase „müssen sie damit rechnen, dass die Auszahlung um fünf bis zehn Prozent geringer ausfällt“, sagt er. Viele Versicherer haben ihren Kunden für 2014 aber bereits eine Beteiligung an den Reserven zugesagt. Diese Zusagen sind von der Reform nicht betroffen. Läuft also eine Police 2014 aus oder kündigt der Versicherte bis spätestens Ende November seinen Vertrag, bleibt der zugesagte Teil der Reserven erhalten. Anleger, die ohnehin vorhaben, zu kündigen, sollten prüfen, ob ihnen noch eine Beteiligung zusteht.
Wann lohnt Widerruf?
Einen Joker könnten Kunden in der Hand haben, die ihren Vertrag zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen haben. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Verbraucher mit Kapitallebens- und Rentenversicherungen ein unbefristetes Widerspruchsrecht haben, falls sie nicht ordnungsgemäß über ihr Recht auf Widerruf belehrt worden sind (IV ZR 76/11). Lag bei Abschluss keine oder nur eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung vor, können Kunden ihrem Vertrag heute noch widersprechen und gezahlte Prämien zurückfordern. Die Summe, um die es geht, ist groß: Experten gehen für die Lebensversicherungsbranche von einem Volumen von bis zu 400 Milliarden Euro aus. Der Widerruf lohnt aber nicht immer, denn der Versicherer darf Kosten für den über Jahre gewährten Versicherungsschutz gegenrechnen.
Für solche und alle anderen Fälle gilt eine Binse: Anleger sollten ihren Vertrag lesen. Er regelt nicht nur die Chance auf Widerspruch, sondern auch ob und wie man ihn etwa nach einer beitragsfreien Phase reaktivieren kann. Auch sollten Sparer ihren Versicherer fragen, ob bei einer beitragsfreien Zeit der Todesfallschutz eingeschränkt wird und wie man ihn aufrechterhalten kann. Berater George geht davon aus, dass sich Policen bis zu 24 Monate beitragsfrei stellen und dann zu alten Konditionen weiterführen lassen. So kann es von Vorteil sein, Zahlungen einzufrieren, statt zu kündigen. Haken: Nach sechs bis zwölf Monaten verlangt der Versicherer meist eine neue Gesundheitsprüfung, die für Berufsunfähigkeitsschutz und Todesfallleistungen gilt. Lösung: Bei vielen Policen können die Versicherten nur noch den Beitrag für den Risikoschutz (rund 20 Prozent der vollen Prämie) zahlen.
Fall 5: Bei Ausstieg Schutz erhalten
Mit diesen Problemen musste sich Andreas Endl, 35, aus Neumarkt in der Oberpfalz, herumschlagen. 2007 nach seinem BWL-Studium in Bayreuth schloss er eine Rürup-Rente der Heidelberger Leben ab. Er wollte sich als Steuerberater selbstständig machen. Sein Plan als Freiberufler zerschlug sich jedoch, stattdessen nahm er einen gut bezahlten Job als angestellter Controller an. Die auf Selbstständige zugeschnittene Basisrente, die ihm sein Finanzberater wegen der Steuervorteile schmackhaft gemacht hatte, passte nicht mehr zur Lebenssituation. „Eigentlich wollte ich die Police kündigen, was bei einer Basisrente aber nicht möglich ist“, sagt Endl. Ihm blieb daher nur, die Rürup-Rente beitragsfrei zu stellen. Nachteil: Die Beiträge für den Berufsunfähigkeitsschutz waren verloren. Auf diesen Baustein wollte er nicht verzichten, schließlich ist er verheiratet und hat ein Kind. Der Vermittler, der ihm die Police der Heidelberger Leben verkauft hatte, bot Endl jedoch keine Alternative zum Berufsunfähigkeitsschutz. Die Lösung: Ein unabhängiger Versicherungsberater verschaffte ihm eine kostengünstige neue Berufsunfähigkeitsversicherung eines anderen Anbieters. Das war für ihn deutlich günstiger, als weiter an Rürup festzuhalten.
Sparmöglichkeiten
Wer Geld benötigt, aber nicht kündigen will, kann außerdem ein Policendarlehen aufnehmen. Der Versicherer zahlt einen Kredit aus, die Lebensversicherung dient als Sicherheit. Das Darlehen ist aber maximal nur so hoch, wie der meist mickrige Rückkaufswert der Police. Und „die Zinsen für ein Policendarlehen sind vergleichsweise hoch“, sagt Kleinlein. Wer seine Police beleiht, behält aber den Todesfallschutz.
Um Prämien zu verringern, kann der Kunde die Versicherungssumme herabsetzen, Anspruch darauf gibt es laut Kleinlein aber nicht. Der Kunde zahlt dann weniger Beitrag, bekommt aber später eine kleinere Rente. Bei manchen Versicherern können Kunden den Beitrag später auf das alte Niveau aufstocken, ohne dass dies wie ein neuer Abschluss gewertet wird. Falls doch, könnte eine neue Gesundheitsprüfung anfallen. Wer Vorerkrankungen hat, guckt in die Röhre. Betroffene sollten nachhaken –, auch ob erneut Abschlusskosten anfallen.
Als Alternative können Zweifler ihre Police verkaufen. Seriöse Aufkäufer, beispielsweise Cash Life oder Policen Direkt, kaufen in der Regel nur Verträge renditestarker Anbieter an. Im Einzelfall können Versicherte bei einem Verkauf aber mehr Geld herausholen als mit einer Kündigung.
Wer hingegen unbedingt noch eine Versicherung abschließen will, der sollte sich beeilen und tatsächlich zu 1,75 Prozent unterschreiben – bei einem kapitalstarken Anbieter. Dass gerade jetzt die Versicherungsvertreter noch einmal zu Hochform auflaufen, hat aber nicht nur mit dem bald sinkenden Garantiezins zu tun. 2015 sollen die Versicherer nämlich auch die Provisionen der Verkäufer eindampfen. In der Ebbe liegen eben alle Schiffe auf Grund.