Zinstief Lohnt sich Sparen noch?

Die Botschaft des Weltspartages: „Sparen trägt Früchte“ – mit solchen und ähnlichen Slogans locken Sparkassen und Volksbanken Jahr für Jahr vor allem junge Kunden. Kritiker werfen der EZB vor, Sparer zu enteignen.

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Die realen Renditen schrumpfen – und könnten unter Null fallen. Quelle: dpa

Frankfurt „Dein Sparschwein – ein wertvoller Schatz. Mach mehr daraus!“ Unverdrossen werben Sparkassen und Volksbanken für eine deutsche Institution: den Weltspartag. Seit 1925 soll er Jahr für Jahr vor allem Kinder dafür begeistern, Geld zurückzulegen – und es einfach auf dem Sparbuch für sich arbeiten zu lassen.

Es gab Zeiten, da gehörten satte Sparzinsen zur Kindheit wie Freibad und BMX-Räder. Doch das ist lange her. Auch der diesjährige Weltspartag am 28. Oktober steht unter einem ungünstigen Stern.

„Wie wollen Sie heute Kindern den Sinn des Sparens erklären, wenn am Ende des Jahres keine Zinsen gezahlt werden? Wenn sich der Verzicht auf Konsum heute nicht lohnt?“, fragt sich die Chefin von HSBC Deutschland, Carola Gräfin von Schmettow. Schon im Februar unkte Aktienmarkt-Stratege Robert Halver von der Baader Bank: „Der Weltspartag ist kein Freudentag mehr, er ist ein Volkstrauertag.“

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinsen im Euroraum quasi abgeschafft. Banken bekommen frisches Geld von der Notenbank zum Nulltarif – sind also nicht mehr darauf angewiesen, Spargelder von Kunden einzuwerben und diesen dafür Zinsen zu zahlen. Dazu kommt: Institute mit einem Überhang an Einlagen müssen dafür Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.

Die Folge: Sparbuch und Tagesgeld, die bei den risikoscheuen Deutschen besonders beliebt sind, werfen kaum noch eine Rendite ab. Zinssätze von 0,00 oder 0,01 Prozent bei Sparkonten sind keine Seltenheit, bei täglich verfügbaren Tagesgeldern sieht es - abgesehen von vereinzelten Lockangeboten – kaum besser aus.

Dennoch verändern viele Deutsche ihr Anlageverhalten nicht. Bargeld und Einlagen bei Banken sind nach jüngsten Zahlen der Bundesbank mit gut 2091 Milliarden Euro nach wie vor der größte Posten des Geldvermögens der privaten Haushalte – sogar mit steigender Tendenz. Aktien machten zum Ende des ersten Quartals 2016 nur rund 545 Milliarden Euro der insgesamt 5339 Milliarden Euro an Vermögen aus.


„Im besten Fall erziehen wir eine Generation von Eigenheimbesitzern“

„Das klassische Banksparen hat immer noch die größte Bedeutung“, stellt Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), fest. Auch die Sparquote in Deutschland – also das Verhältnis von Erspartem und verfügbarem Einkommen – lag im ersten Halbjahr 2016 stabil bei 9,7 Prozent. „Das ist etwa auf der Höhe des langjährigen Durchschnitts“, so Martin. „Die Bundesbürger lassen sich hier nicht beirren und sehen eben die Notwendigkeit, auch weiterhin Geld zur Seite zu legen.“

1924 verständigten sich Sparkassen-Vertreter aus 28 Nationen in Mailand auf die Einführung eines Weltspartages, ein Jahr später fand er erstmals statt. Zum 90. Jahrestag 2015 erinnerte der heutige Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon, an die hehren Ziele: „Der Weltfeiertag der Sparkassen, wie er damals hieß, sollte – und ich zitiere – „... nicht ein Tag des Müßiggangs sein, sondern ein Tag der Arbeit, an dem die Handlungen aller von dem Ideal der Sparsamkeit erfüllt sein sollen““.

Doch ist der Weltspartag in Zeiten von Zinsen auf Rekordtief immer noch „die ideale Gelegenheit, um mehr aus Deinem Geld zu machen“, wie Sparkassen heute werben? „Sparsam sein ... besser leben“, lautete das Motto 1950, 1960 dann „Sparen schafft Eigentum“, fünf Jahre später „Vermögen fängt mit Sparen an“.

Kritiker werfen der EZB vor, Sparer zu enteignen – ausgerechnet in Zeiten, in denen eine private Altersvorsorge immer wichtiger wird. Die Bundesbank, deren Präsident Jens Weidmann durchaus nicht alles gutheißt, was die EZB tut, mahnte wiederholt dennoch zu einer ausgewogeneren Analyse: „Wir alle sind ... nicht nur Sparer, sondern auch Arbeitnehmer, Häuslebauer, Steuerzahler und Unternehmer – und aus dieser Perspektive erscheinen die niedrigen Zinsen nicht nur negativ.“

Pragmatisch, so bewertet es HSBC-Deutschland-Chefin von Schmettow, könne man es also so sehen: „Im besten Fall erziehen wir eine Generation von Eigenheimbesitzern und Aktionären.“

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