Finanzkrise Wall-Street-Crash: So retten Sie Ihr Geld

Krise und kein Ende: Wie das Banken-Chaos weitergeht, wo eine Kettenreaktion droht, warum die reale Wirtschaft leiden wird, was sich ändern muss – und wo Ihr Geld sicher ist.

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Jochen Sanio, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) Quelle: AP

Die King Kamehameha-Suite in Frankfurt: Treffpunkt für Investmentbanker und Frauen, die auf dicke Geldbeutel stehen. 100 Meter entfernt liegen die Doppeltürme der Deutschen Bank im Dunkeln, es ist Mittwochabend. Der Hedgefonds-Manager trägt ein offenes weißes Hemd zur Jeans, doch locker ist heute nur sein Aufzug. Mit ihm über Hedgefonds-Angriffe auf die Deutsche Börse zu sprechen, ist unmöglich – ständig hängt er Mann an seinem iPhone, das Becks-Bier auf dem Tresen wird schal. Seit vor drei Tagen Lehman Brothers zusammenbrach, kursieren ungeheuerliche Gerüchte: Morgan Stanley geht pleite, UBS und Credit Suisse reden über eine Fusion, die Commerzbank will den Dresdner-Kauf abbrechen. Der Dow Jones hat soeben mehr als vier Prozent im Minus geschlossen, gibt der Partner aus dem Büro durch. Einen Abend später dann die vermeintliche Wende: Eine Auffanggesellschaft nach dem Vorbild des Resolution Trust aus den Achtzigerjahren soll angeblich die Turbulenzen beenden - eine Art Treuhandgesellschaft, in der alle Finanzinstrumente gesammelt würden, die die Banken untereinander nicht mehr handeln. Die Börse reagierte euphorisch: Der Dow Jones schoss binnen Minuten um 400 Punkte nach oben. Die Finanzwelt ist in Aufruhr. Seit Bankenaufseher Jochen Sanio im Spätsommer 2007 vor „der schlimmste Finanzkrise seit 1931“, warnte, hatten ihn Banker hinter vorgehaltener Hand immer wieder der Panikmache bezichtigt. Noch am Mittwoch vor dem großen Beben verbreitete Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann zum wiederholten Mal Optimismus. Es bestätige sich immer mehr, dass der „Anfang vom Ende der Finanzkrise“ erreicht sei. Drei Tage später ging Lehman Brothers in Konkurs. Seitdem ist der Dax fast jeden Tag auf Talfahrt, fragen sich Anleger auf beiden Seiten des Atlantik, welche Bank als nächste kippen könnte, wie stark die Krise auch die Industrie erfasst – und wie sicher das eigene Geld noch ist.

Die Vogel-Strauß-Taktik der Banken – Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass der Sturm vorüberzieht – ist nicht aufgegangen. Dafür gibt es zwei Gründe: Die Hoffnung auf eine Kurserholung bei Ramschhypotheken und anderen Kreditkonstrukten, die mit fragwürdigen Sicherheiten hinterlegt sind, hat sich als das erwiesen, was sie von Anfang war: Irrational. Zudem sind immer weniger Investoren bereit, dieses wenig werthaltige Vermögen in den Bankbilanzen zu finanzieren.

Lange Zeit hielten sich die Institute gegenseitig die Stange, unterstützt von den Notenbanken, die Tausende Milliarden Dollar und Euro an Liquidität zur Verfügung stellten und in den USA seit vergangener Woche sogar stark schwankungsanfällige Aktien als Sicherheit akzeptieren. Doch die kurzfristigen Zinsen halten sich weiter auf schmerzhaftem Rekordabstand zu den eigentlich niedrigen Leitzinsen. Bankgeschäfte sind so teuer wie seit Jahrzehnten nicht.

Lehman Brothers etwa benötigte zur Aufrechterhaltung des Geschäfts regelmäßig kurzfristige Finanzierungen von mehr als 180 Milliarden Dollar. Die bisherigen Kapitalgeber – andere Geldhäuser, Hedgefonds, Pensionskassen und Versicherungen – verlangten dafür immer mehr Sicherheiten. Sicherheiten, die Lehman ob der dramatisch gesunkenen Preise nicht bieten konnte.

Ein Ende der Turbulenzen ist nicht absehbar. Zu sehr hat sich die Bilanzpolitik der Banken mittlerweile vom Prinzip des vorsichtigen Kaufmanns entfernt. Die Citigroup etwa hat sogenannte Alt-A-Derivate – sie beruhen auf mittelmäßig guten Hypotheken – auf 80 Prozent abgeschrieben, bei Lehman standen ähnliche Papiere zuletzt mit gerade mal 39 Prozent des Ursprungswertes in der Bilanz. Gemessen daran drohen der Citigroup Abschreibungen von weiteren sieben Milliarden Dollar.

Wirtschaftsprüfer winken seit gut einem Jahr reine Schätzwerte in den Bankbilanzen durch – anstatt sich an den ab und an tatsächlich erzielten Verkaufspreisen zu orientieren. Bei Morgan Stanley etwa machen als Vermögen verbuchte Schätzwerte mehr als das Doppelte des Eigenkapitals aus. Jetzt sucht die Bank einen Partner oder Kapital in Asien. Die Folge der Pi-mal-Daumen-Bilanzierung: 516 Milliarden Dollar an von Wirtschaftsprüfern testiertem Vermögen sind binnen zwölf Monaten aus den Bilanzen der US-Banken radiert worden. 283 Banken sind pleite – allein in den USA.

Die Ratingagenturen schließen weiter die Augen vor der tristen Realität. Während seit Wochen über einen Lehman-Brothers-Bankrott spekuliert wurde, behielt die Bank ihr gutes Bonitätslabel – erst am vergangenen Montag folgte eine Abstufung um dramatische 17 Noten. Da war es längst zu spät.

Ein Ende der Turbulenzen

Ein Ende der Turbulenzen ist nicht absehbar. Zu sehr hat sich die Bilanzpolitik der Banken mittlerweile vom Prinzip des vorsichtigen Kaufmanns entfernt. Die Citigroup etwa hat sogenannte Alt-A-Derivate – sie beruhen auf mittelmäßig guten Hypotheken – auf 80 Prozent abgeschrieben, bei Lehman standen ähnliche Papiere zuletzt mit gerade mal 39 Prozent des Ursprungswertes in der Bilanz. Gemessen daran drohen der Citigroup Abschreibungen von weiteren sieben Milliarden Dollar.

Wirtschaftsprüfer winken seit gut einem Jahr reine Schätzwerte in den Bankbilanzen durch – anstatt sich an den ab und an tatsächlich erzielten Verkaufspreisen zu orientieren. Bei Morgan Stanley etwa machen als Vermögen verbuchte Schätzwerte mehr als das Doppelte des Eigenkapitals aus. Jetzt sucht die Bank einen Partner oder Kapital in Asien. Die Folge der Pi-mal-Daumen-Bilanzierung: 516 Milliarden Dollar an von Wirtschaftsprüfern testiertem Vermögen sind binnen zwölf Monaten aus den Bilanzen der US-Banken radiert worden. 283 Banken sind pleite – allein in den USA.

Die Ratingagenturen schließen weiter die Augen vor der tristen Realität. Während seit Wochen über einen Lehman-Brothers-Bankrott spekuliert wurde, behielt die Bank ihr gutes Bonitätslabel – erst am vergangenen Montag folgte eine Abstufung um dramatische 17 Noten. Da war es längst zu spät.

Frankfurt, Rathenauplatz. Bis um zwei Uhr gab es in der Nacht zum Montag in der deutschen Lehman-Zentrale noch Hoffnung. Die Banker warteten auf Nachrichten aus den USA. Es war klar, dass sich ihr Schicksal vor Öffnung der Börse Tokio entscheiden werde. Das Ergebnis sei „eine einzige Katastrophe“, sagt ein Lehman-Banker. „Bis zuletzt haben wir an die Zukunft des Instituts geglaubt – und nun sind wir ein Teil der größten Insolvenz der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte.“ So reich, wie viele glaubten, sei er auch nicht. Ein großer Teil der Bonuszahlungen erfolgte in Aktien, die jetzt nahezu wertlos sind. Zusätzlich haben viele Mitarbeiteraktien gekauft. Der „alte Sturkopf“ , Bankchef Richard Fuld, sei Schuld an der Pleite, flucht ein Banker. Manche laufen jetzt demonstrativ mit grünen Lehman-Kappen herum. Fuld habe zu lange mit dem Verkauf gezögert, die vergifteten Papiere zu lange gehalten und darauf vertraut, dass irgendwie schon der Staat eingreifen werde.

Grafik Kreditwetten (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken) Quelle: Bloomberg Markit

Teufelszeug CDS. Hätte Fuld ein paar Wochen früher die Hand gehoben – bevor die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac durch Hunderte Milliarden Dollar Staatsgeld aufgefangen wurden – wäre die Rettung durch die Finanzfeuerwehr aus US-Finanzminister Hank Paulson und Zentralbankchef Ben Bernanke vielleicht noch möglich gewesen. Immerhin war Lehman eine nicht unbedeutende Partei auf dem Markt für sogenannte Credit Default Swaps (CDS). Diese Kreditderivate werden nicht an Börsen, sondern nur unter Banken, Versicherern, Fonds und Hedgefonds gehandelt. Die Ratingagentur Fitch reihte Lehman Brothers – wie auch Bear Stearns – 2007 unter die zehn wichtigsten Spieler ein.

Ursprünglich waren CDS keine üble Idee. Mit ihnen können sich Kreditgeber gegen den Konkurs eines Unternehmens oder einer Bank absichern, denen sie Geld geliehen haben. Der Kreditgeber bezahlt eine Risikoprämie, damit jemand anders die Ausfallrisiken übernimmt, wenn der Schuldner tatsächlich pleite geht.

Problem nur: Der CDS-Markt ist in den vergangenen Jahren unkontrolliert gewachsen und hat eine aberwitzige Eigendynamik entwickelt. CDS dienen heute längst nicht nur dazu, sich gegen Ausfallrisiken zu wappnen, sondern mutierten zu stark gehebelten Risikowetten. So kann man sich zum Beispiel gegen einen Schuldenausfall von SAP absichern, obwohl der Softwarekonzern überhaupt keine Schulden hat.

Allein zwischen Ende 2006 und Ende 2007 verdoppelte sich das CDS-Volumen nach Statistiken der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) auf einen Nominalwert von 57.894 Milliarden Dollar. Diese Summe übersteigt das Welt-Bruttoinlandsprodukt um 20 Prozent. Versichert wird aber lediglich ein Kreditvolumen von etwa 2000 Milliarden Dollar – ein Irrsinn.

Geht nun ein großer Anbieter von Versicherungsschutz pleite, verfallen die Kontrakte. Gefährdete Kredite sind plötzlich unbesichert, eine Kettenreaktion träfe weitere Banken, der ganze Markt könnte zusammenbrechen. Bear Stearns soll vor dem Kauf durch JP Morgan Chase der zweitwichtigste Händler gewesen sein und CDS im Nominalvolumen von 2700 Milliarden Dollar gehalten haben. Eine Pleite hätte den gesamten Markt einstürzen lassen und auch den vermeintlichen Retter gefährdet. Denn JP Morgan ist der wichtigste CDS-Händler und -Halter mit einer Exponierung in Höhe von schätzungsweise 8000 Milliarden Dollar.

Im Fall Lehman Brothers kamen US-Notenbank und US-Regierung offenbar zu dem Schluss, dass der Konkurs keinen Kollaps des CDS-Marktes auslösen werde – sonst hätten sie eingegriffen, wie anschließend beim Versicherungsriesen AIG. Bei AIG musste die „Gelddrucker-Irrenanstalt“ (Investmentlegende Marc Faber über die Fed) wieder ran, sie pumpte 85 Milliarden Dollar in den Versicherungsriesen. Dessen Probleme resultierten ebenfalls hauptsächlich aus einem umfangreichen Engagement im undurchsichtigen CDS-Markt.

Auch deutsche Banken, unter ihnen die biederen Landesbanken, sitzen noch auf infizierten Papieren – und leiden unter der Lehman-Pleite, wenn auch nicht existenzbedrohend. Bei der BayernLB soll ein dreistelliger Millionenbetrag im Feuer sein. Besonders peinlich: Die staatseigene KfW überwies noch am Montag 350 Millionen Euro an Lehman. Nun bleibt ihr die Hoffnung, die Hälfte davon wieder zurückzubekommen. Zwei Vorstände und einen Bereichsleiter schickte der KfW-Verwaltungsrat ob des erneuten Millionen-Missgriffs in die Wüste. Denn andere Banken schnitten Lehman schon seit Tagen. „Es gab die strikte Order, kein Geld mehr herauszugeben“, sagt ein Investmentbanker.

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