
Als die deutschen Zöllner den älteren Herrn an der Grenze von der Schweiz nach Deutschland aus der Schlange herauswinken und kontrollieren, wedelt der mit einem Blatt Papier. Sie könnten den Wagen gerne durchsuchen, ruft er freudig, er habe sich dem Finanzamt bereits offenbart, sprich selbst angezeigt. Zum Beweis präsentiert er den Beamten in Weil am Rhein ein zweites Dokument: Der Deutsche überwies dem Staat eine Steuernachzahlung, weil er jahrelang Schwarzgeld in der Schweiz bunkerte.
Selber Ort, anderer Fall: Eine Ex-Steuerhinterzieherin meldet bei der Einreise ihr Bargeld an. Warum sie so viel Geld mit sich herumträgt? Sie brauche es, gibt sie kleinlaut zu, um dem Finanzamt die fälligen Steuern aus ihrer Selbstanzeige zu überweisen.
Nicht alle, die mit ihrem Pkw den deutsch-schweizerischen Schlagbaum in Weil am Rhein passieren, rollen auf dem Pfad der Tugend: 110 Reisende, die insgesamt 4,4 Millionen Euro Bargeld nicht anmeldeten, erwischten die Zöllner 2010 allein in Weil. An allen Übergängen zur Schweiz fischten sie 49,8 Millionen, ein deutlicher Anstieg gegenüber den Vorjahren. Nachdem die deutsche Regierung und Länder Steuer-CDs mit Sünderdaten gekauft hatten, versuchten offenbar viele, schnell Geld heimzuholen.
Stichproben nach schwarzen Schafen
Wer per Auto, Zug oder Flugzeug aus der Schweiz nach Deutschland reist, darf zwar unbegrenzt Bargeld, Reiseschecks oder Aktien mitnehmen, muss diese aber ab 10 000 Euro Wert unaufgefordert schriftlich beim Zoll anmelden. Wer nicht willig ist und erwischt wird, dem drohen Geldbußen von bis zu einer Million Euro. Anlagesilber wie Barren ist bei der Einfuhr gar mehrwertsteuerpflichtig, selbst wenn der Wert unter 10 000 Euro liegt.
An diesem Freitag im Juli postieren sich die Zöllner Mark Sodies, 37, und Hubert Dichter, 54, von der mobilen Kontrolle an der Autobahngrenze in Weil. Mit Handschellen, Waffen und Taschenlampen ausgerüstet, winken sie Autos heran. Tagsüber passiert alle drei Sekunden ein Pkw den Übergang Richtung Deutschland, im Durchschnitt 15 000 Wagen pro Tag.
Sodies und Dichter können nicht mit jedem Fahrer sprechen, erst recht nicht jedes Auto durchsuchen. Sie machen Stichproben. Um die schwarzen Schafe zu filtern, brauchen sie Gespür: Sodies zieht die Stirn unter seiner grünen Zoll-Kappe in Falten. Hoch konzentriert scannt er mit den Augen jeden Fahrer. Ein Pärchen streckt gleich die Pässe aus dem Fenster, der Herr im dunkelgrünen Jaguar hebt bloß die buschige Augenbraue, die Blondine im Golf sinkt unsicher hinters Lenkrad, und der junge Geschäftsmann im Audi wirkt genervt. Er passiert die Grenze täglich. Wer aber schmuggelt Schwarzgeld?