Finanzinstitute Nachfolge von Paul Achleitner: EZB drängt Deutsche Bank zur Eile

Die Europäische Zentralbank will Insidern zufolge von der Deutschen Bank möglichst zügig Klarheit haben über die Nachfolge von Aufsichtsratschef Paul Achleitner.

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Die Amtszeit des Deutsche-Bank-Aufsichtsratschefs endet im Mai 2022. Quelle: dpa

Im Mai kommenden Jahres läuft die Amtszeit des Aufsichtsratschef beim größten deutschen Geldhauses aus. Aufseher wünschen sich, dass es bald eine Entscheidung über die Nachfolge gebe, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters von zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen.

Das Thema sei in den vergangenen Monaten bereits mehrfach beim regelmäßigen Austausch zwischen der Bank und EZB-Chefbankenaufseher Andrea Enria zur Sprache gekommen, sagte einer der Insider. Den Aufsehern sei Kontinuität und ein geordneter Übergang an der Spitze des Kontrollgremiums wichtig. Eine Frist für eine Entscheidung gebe es bislang nicht. Die EZB und die Deutsche Bank wollten sich nicht dazu äußern.

Achleitner will die Bank im Mai 2022 nach dann zehn Jahren an der Spitze des Kontrollgremiums verlassen. In seine zwei Amtszeiten fallen Milliardenverluste durch riskante Geschäfte im Investmentbanking, Geldwäscheskandale und zwei Chefwechsel.

Drei Mal versuchten Anleger, den Österreicher abzusägen. Vor allem fehlerhafte Personalentscheidungen werden ihm angelastet. Für die Berufung des jetzigen Vorstandschefs Christian Sewing, der das Institut grundlegend umbaut und 18.000 Jobs streicht, wird er dagegen gefeiert von Anlegern und Aufsehern.

Als Favorit für die Nachfolge des 64-Jährigen gilt mehreren Insidern zufolge Deutsche-Börse-Chef Theodor Weimer, dessen Vertrag bei dem Börsenbetreiber noch bis Ende 2024 läuft.

Achleitner selbst bringe den Namen immer wieder in Gesprächen mit Aufsehern auf den Tisch, sagte einer der Insider. Diese würden jedoch nicht akzeptieren, dass Weimer gleichzeitig beide Jobs ausübe. Möglich sei allenfalls eine Übergangsperiode.

Auch Investoren lehnen ein Doppelamt strikt ab. „Weimer bringt mit, was man sich als Großaktionär wünscht: langjährige Erfahrung in der Bankenbranche und insbesondere im Investmentbanking, strategischen Weitblick und er kennt die Kapitalmärkte bestens“, sagt Portfoliomanagerin Vanda Rothacker von der Fondsgesellschaft Union Investment, die zu den größeren Anteilseignern der Bank gehört. „Eine gleichzeitige Übernahme beider Ämter würden wir aber nicht unterstützen.“ Auch die Union-Rivalin Deka, ebenfalls Großinvestor der Bank, spricht sich dagegen aus.

Auch Investoren dränge auf eine Entscheidung

Bis spätestens zum Jahresende will Rothacker wissen, wer Achleitner beerbt. „Je schneller wir Klarheit über die Nachfolge haben, desto besser.“ Insidern zufolge stehen auch die Aufsichtsratsmitglieder Frank Witter und Norbert Winkeljohann auf der Liste der potenziellen Kandidaten. Bei beiden gibt es aber Bedenken von Investoren.

Der ehemalige VW-Finanzchef Witter, der erst im Mai in das Gremium gewählt wurde, verfüge über keine Erfahrung im Investmentbanking, das für die Bank eine große Bedeutung habe, sagt Rothacker. Winkeljohann ist vor einem Jahr zum Aufsichtsratschef von Bayer gewählt worden, auch er hätte das Problem der Ämterhäufung. Winkeljohann und Witter lehnen Kommentare zu dem Thema ab.

Weimer reagiert auf Fragen, ob er im nächsten Jahr das Amt von Achleitner übernehmen will, unwirsch. „Das ist überhaupt kein Thema. Ich bin hier im Vertrag“, sagte er bei der Jahrespressekonferenz des Börsenbetreibers. „In der Deutschen Bank gibt es darüber keine Diskussion.“ Für den 61-Jährigen wäre der Posten des Deutsche-Bank-Oberkontrolleurs mit finanziellen Einbußen verbunden. 2020 verdiente er bei der Börse rund sechs Millionen Euro - mehr als sechs Mal so viel wie Achleitner.

Achleitner hatte Weimer 2020 in das Kontrollgremium geholt und damit Spekulationen über seine Nachfolge losgetreten. Der Börsenchef habe schon kurz nach seinem Start persönliche Kontakte gesucht zu sämtlichen Mitgliedern des Gremiums, was sehr ungewöhnlich sei für einen neuen Aufsichtsrat, sagte ein Insider. „Er ist von Anfang an sehr präsidial aufgetreten. Die Weichen sind meiner Ansicht nach gestellt.“

Großinvestor Deka legt Wert darauf, dass der Chefkontrolleur der Deutschen Bank auch künftig von einer starken Persönlichkeit geführt wird. „In der Bank wird es weiter unruhig bleiben“, sagt Ingo Speich, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit. „Der neue Aufsichtsratschef muss aber nicht mehr so aktiv ins Geschehen eingreifen wie Achleitner in den vergangenen Jahren, denn die Pfosten sind gesetzt.“

Achleitner lässt sich bei der Suche nach seinem Nachfolger nicht in die Karten blicken. Zu gegebener Zeit werde es einen Vorschlag des Nominierungsausschusses geben, sagte er bei der Hauptversammlung. Den Vorsitz in diesem Ausschuss, der wichtige Personalentscheidungen trifft, übergab er im vergangenen Sommer an die US-Bankerin Mayree Clark. Auch sie wollte sich nicht äußern.

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