Elektroauto-Batterien So kämpfen deutsche Autobauer gegen Asiens Übermacht

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E-Auto-Industrie ist abhängig vom Oligopol

Bereits heute, vor der mutmaßlichen Produktionsexplosion von E-Mobilen, werden die LIB-Zellen knapp. Und so gut wie alle Autohersteller haben für das nächste und übernächste Jahr neue Modelle mit E-Antrieb angekündigt. Nach teilweise langem Zögern wollen VW, Daimler, GM, Renault-Nissan, Hyundai/Kia, Ford und BMW ab 2020 jeweils mehrere Hunderttausend Batterie-Autos pro Jahr bauen. „Allein VW hat E-Autos und Hybride angekündigt, die ab 2025 jährlich 200 Gigawattstunden (GWh) Zellkapazität benötigen“, sagt Winter.

Zum Vergleich: Bis Ende 2017 wurden weltweit insgesamt Zellen mit einer Kapazität von rund 80 GWh in Elektroautos verbaut. 2017 allein 30 GWh, so viel wie in den fünf Jahren davor. In den kommenden zehn Jahren, so Schätzungen, wird die Nachfrage nach Zellen auf 1000 GWh jährlich klettern.

Zwar wird auch die Produktionskapazität für Zellen massiv ausgebaut. Allerdings wiederum fast nur in Asien. Die neun größten Zellproduzenten der Welt vereinen 82 Prozent der globalen Zellproduktion auf sich. Zu den langjährigen Marktführern Panasonic und LG Chem kommen aggressive, schnell wachsende Produzenten aus China, wie Lishen, BYD und vor allem CATL. Und dieses Quasioligopol, berichten Abnehmer der Zellen, spiele zunehmend seine Marktmacht aus. So würden etwa auch laufende Lieferverträge gebrochen, um die Zellen in China teurer zu versteigern.

Die Automanager träfen in ihren Verhandlungen mit den Zellproduzenten „auf eine Marktmacht, die sie überhaupt nicht gewohnt sind“, sagt Wolfgang Bernhart, langjähriger Branchenexperte von Roland Berger. Das Geschäftsverhältnis sei gewissermaßen auf den Kopf gestellt. Denn normalerweise kuschen Teilelieferanten vor den Einkäufern der Konzerne. Nicht so die Batteriehersteller. „An jeden Kopfstützenbezug knüpfen wir seitenlange Qualitätsnormen, sichern uns eine zweite oder auch dritte Bezugsquelle“, sagt ein Entwickler eines Premiumherstellers. Ausgerechnet bei den Zellen beschränke man sich auf einen Lieferanten – und dem „haben wir die Zellen ohne Qualitätsprüfung abgekauft“.

Warum die Industrie nicht will

Doch statt sich aus dem Würgegriff der Zulieferer zu befreien, zaudert und zögert die deutsche Autoindustrie. Es sei „sinnlos, den technisch weit enteilten Asiaten in der aktuellen Batterietechnologie hinterherzurennen“, meint etwa Bosch-Chef Volkmar Denner. Die Top-Manager der anderen deutschen Autokonzerne und ihrer großen Zulieferer, wie Continental, äußern sich sehr ähnlich. Man wolle „voll einsteigen“, wenn der Festkörperakku „marktreif“ sei. 2025 soll es so weit sein, sagt etwa Degenhart.

Forscher bezweifeln das. Und: Auch die aktuelle Technologie wird stetig weiterentwickelt und verbessert. Mit ihr müsste der neue Festkörper konkurrieren, technisch – und wirtschaftlich. Batterieforscher Winter warnt, die aktuelle Technologie abzuschreiben: „Sie überrascht uns seit 27 Jahren immer wieder und zeigt Stärken, die wir ihr so nicht zugetraut hätten.“

Vielleicht ist der Verweis auf den Festkörperakku, bei dem die deutschen Autokonzerne wieder jene Technologieführerschaft demonstrieren wollen, die sie beim Verbrennungsmotor innehaben, nur eine Ausrede, um die Investitionen in die Fertigung eigener Batterien noch aufzuschieben.

Für die Zurückhaltung gibt es Gründe: Die Entwicklungskosten sind hoch, die Aussichten auf Gewinn ungewiss. „Wir reden über drei Standorte, wenn man auf allen drei Autokontinenten Nordamerika, Europa und Asien als großer Player präsent sein möchte, und damit über Investitionen von mehreren Milliarden Euro“, sagt Arno Perner, Leiter Battery Systems beim zweitgrößten Autozulieferer der Welt, Continental.

Eine solche Summe ist weder für Conti noch Bosch oder Daimler eine Kleinigkeit. Und keiner dieser Konzerne wartet gern jahrelang auf die Amortisation von Investitionen. Experten schätzen, dass es sechs bis acht Jahre dauert, bis ein Konzern, der neu in die Batteriezellenfertigung einsteigt, damit Geld verdient. Für börsennotierte Konzerne wie Daimler, BMW, VW und Continental sind so lange Zeiträume ohnehin schwierig: Wie soll man den oft ungeduldigen und an Ausschüttungen interessierten Aktionären erklären, dass sie viele Milliarden in ein Geschäft investieren sollen, das fast zehn Jahre lang keine Gewinne abwirft?

Ja, der Einstieg in die Batterieherstellung sei teuer, sagt LIB-Erfinder Yoshino. Nur: „Je länger man damit wartet, desto teurer wird es.“ Stattdessen kündigen die Autohersteller immer wieder neue Projekte zum Festkörperakku an und schüren „so die Erwartungen an eine Technologie, von der niemand weiß, wann sie marktreif wird“, kritisiert sein Kollege Winter vom Helmholtz-Institut in Münster.

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