Elektroauto-Batterien So kämpfen deutsche Autobauer gegen Asiens Übermacht

Quelle: imago images

Ausgerechnet beim Herz des Elektroautos, der Batterie, steckt die deutsche Autoindustrie in einer gefährlichen Abhängigkeit. Nun setzt sie auf eine neue Technologie, von der niemand genau weiß, was sie kann und wann sie kommt.

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Akira Yoshino sieht etwas müde aus an diesem sonnigen Septembertag. 9310 Kilometer ist der Erfinder des Lithium-Ionen-Akkus aus Tokio angereist, um in Düsseldorf vor Vertretern der europäischen Autoindustrie zu sprechen. Und er hat eine unmissverständliche Warnung im Gepäck: „Wenn Europa in den kommenden Jahrzehnten noch Autos verkaufen will, sollte es besser umgehend anfangen, eigene Batteriefabriken aufzubauen.“

Der Akku ist der technologische und wirtschaftliche Kern jedes Elektroautos. Auf ihn entfällt fast die Hälfte der Wertschöpfung. Er bestimmt den Verkaufspreis und damit die Gewinne der Hersteller. Für seine Fertigung braucht es Rohstoffe und Know-how, die auf dem Weltmarkt zunehmend umkämpft sind. Die Produktion der Akkuzellen liegt bisher in der Hand weniger asiatischer Konzerne. Und das Quasioligopol spielt seine Marktmacht aus: Kleinere Abnehmer bekommen – trotz laufender Verträge – oft keine Zellen mehr.

Die Machtverhältnisse dürften die europäische Autoindustrie hart treffen; ihr Bedarf nach Zellen für E-Autoakkus steigt. Doch statt eine eigene Zellfertigung anzuschieben, baut etwa die deutsche Fahrzeugindustrie auf ein Luftschloss: Egal, ob VW-Boss Herbert Diess, Conti-Chef Elmar Degenhart oder BMW-Chef Harald Krüger – wann immer deutsche Automanager auf die drohende Zellknappheit angesprochen werden, verweisen sie auf den Festkörperakku.

Ausgerechnet beim Herz des Elektroautos, der Batterie, steckt die deutsche Autoindustrie in einer gefährlichen Abhängigkeit. Quelle: dpa

Der soll alle Akkuprobleme auf einmal lösen. Soll die Reichweiten des E-Autos in neue Dimensionen katapultieren, die Ladezeiten verkürzen, die Akkupreise senken und auch für mehr Sicherheit sorgen. Vor allem aber soll er helfen, die technologisch enteilten Asiaten einzuholen.

Zaudern und Zögern

Die Technologie an sich ist vielversprechend: Einen Festkörper ohne Batterieflüssigkeit vor einem Brand zu schützen ist einfacher, als die Entflammbarkeit heutiger Autoakkus zu hemmen, die nicht auslaufen dürfen. Feste statt flüssige Elektrolyte ermöglichen zudem neue Elektrodenmaterialien, die mehr Strom speichern können. Theoretisch. Denn ihre Leistung ist nur im Labor überragend. Niemand weiß, wann der Festkörperakku marktreif sein wird. Wie kommen die Autobauer also auf die Idee, sich ausgerechnet von dieser Batterie abhängig zu machen – und die führenden Asiaten überholen zu wollen?

Die asiatischen Hersteller haben einen erheblichen Vorsprung. Die Lithium-Ionen-Batterie (LIB), die der heute 70-jährige Akira Yoshino 1985 entwickelt hat, begann ihren Siegeszug Anfang der Neunzigerjahre, als Sony sie erstmals im Walkman einsetzte. Zwar sind die heutigen LIB-Zellen viel leistungsfähiger. Doch das Funktionsprinzip ist nach wie vor gleich: Geladene Teilchen des Leichtmetalls Lithium wandern vom Pluspol durch einen flüssigen Elektrolyten in den Minuspol der Zelle und zurück. Der Vorteil: Sie verbinden sich dabei nicht zu kristallinen Strukturen, sondern bleiben mobil. Das ist der Grund, weshalb eine LIB fast beliebig oft wieder aufgeladen werden kann.

Anders als in Europa haben Asiens Elektronikkonzerne die Batteriezellen stets als strategischen Zweig der Industrie betrachtet und deren Weiterentwicklung forciert: Sie benötigen sie für immer kleinere, tragbare Elektronikgeräte. Deshalb gibt es das Know-how, Lithium-Ionen-Zellen in ausreichender Qualität für moderne Autos und zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen, heute nur in Asien – von Teslas Gigafactory in Nevada einmal abgesehen. Aber auch dort baut Tesla die Zellen mit Know-how von Panasonic aus Japan.

„Lithium-Ionen-Akkus werden noch für viele Jahre die einzige Batterietechnologie sein, die genügend Strom auf begrenztem Raum speichern kann und sich oft genug wieder aufladen lässt, um Autos, Omnibusse oder Gabelstapler anzutreiben“, sagt Daniel Küpper, Experte für Batterietechnik bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Die deutsche Industrie ist daher drauf und dran, einen gefährlichen Sonderweg einzuschlagen. „Wer auf den Durchbruch des Festkörperakkus wartet, wird den Anlauf der Massenfertigung von Elektroautos verpassen“, warnt etwa Martin Winter, der am Helmholtz-Institut in Münster, am Forschungszentrum Jülich und an der Uni Münster zum Thema forscht und den Markt seit Jahrzehnten beobachtet.

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