Elektroauto-Batterien So kämpfen deutsche Autobauer gegen Asiens Übermacht

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Was der Festkörper-Akku bringen soll

Auf Start-ups, die an Festkörperakkus forschen, hat ein regelrechter Run der Autohersteller eingesetzt: VW, mit gut 230 Milliarden Euro Umsatz größter Autobauer der Welt, hat sich mit 100 Millionen Dollar am Festkörper-Start-up Quantum Scape aus San José in Kalifornien beteiligt. Die Reichweite des E-Golf soll sich durch den Einsatz der Feststoffbatterie von derzeit 300 auf 750 Kilometer erhöhen. Renault-Nissan, Marktführer bei E-Autos, investiert in Ionic Materials, das ebenfalls die Feststoffbatterie zur Serienreife entwickeln möchte. Degenhart, Chef von Continental, hat den Festkörperakku im Kopf, wenn er laut über einen Einstieg in die Batteriefertigung nachdenkt. Sogar der Staubsaugerhersteller Dyson hat unter lautem PR-Rummel ein Elektroauto für den Massenmarkt angekündigt: Ein „Festkörperakku“ soll dem Gefährt schon von 2020 an „enorme Reichweiten“ bescheren, verspricht Gründer James Dyson. Dazu hat auch er sich ein US-Start-up für Festkörper gekauft: Sakti3 aus Michigan. Insgesamt soll Dyson das Abenteuer zwei Milliarden Euro wert sein.

Bei Conti verweisen sie auf die Sicherheit der neuen Technologie. Allein: Brennende Elektroautos sind zwar jedes Mal ein großes Medienspektakel, jedoch laut Statistiken der Schweizer Feuerwehr nicht häufiger als Feuer fangende Autos mit Verbrennungsmotor. „Das Sicherheitsargument ist kein besonders schlagendes“, findet Batterieforscher Jürgen Janek von der Universität Gießen. „Man vermutet, dass der Festkörper sicherer ist; testen konnte man ihn im Auto ja bisher noch nicht.“

Ein weiteres Problem: Der Festkörperakku müsste in vielen, teils konkurrierenden Punkten besser abschneiden als die aktuelle Technik. „Für die Anwendung im Auto gelten sehr hohe Anforderungen“, sagt Bernhart von Roland Berger: an Speicherkapazität und Schnellladefähigkeit, an Lebensdauer, Temperaturtoleranz – und an den Preis. Eine neue Technologie, so Bernhart, müsste in allen fünf Kriterien besser sein als die bestehende, und „nicht nur in einem oder zwei“.

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Vor allem bei der Lebensdauer der Festkörperbatterien gibt es noch große Probleme. Beim Laden im Labor bilden sich oft kleine Lithium-Äste, sogenannte Dendriten. „Es ist ja gerade der ganz große Vorteil der bestehenden Technik mit flüssigem Elektrolyten, dass man dieses Problem dort nicht hat“, sagt Janek. Denn je mehr Lithium-Ionen an einem der beiden Pole hängen bleiben, desto weniger oft kann man die Zellen neu aufladen. Schlimmstenfalls können die Dendriten zu Kurzschlüssen führen. Keine Alternative für Autohersteller, die acht Jahre Garantie auf ihre Akkus geben.

Zweifel hegen Wissenschaftler auch an der Leitfähigkeit bei tiefen Temperaturen. Ob das erwünschte superschnelle Laden in der Praxis funktioniert, ist ebenfalls unsicher. „Das ist unter seriösen Wissenschaftlern sehr umstritten. Nachgewiesen hat das superschnelle Laden noch niemand“, sagt Felix von Borck, Gründer des Batterieherstellers Akasol; sein Unternehmen baut aus den Zellen der Zellhersteller Akkus für Omnibusse oder Gabelstapler zusammen.

Und selbst wenn der Festkörperakku die technischen Hürden nähme: „Ein großes Fragezeichen prangte dann immer noch hinter seinem Preis“, sagt Branchenbeobachter Bernhart. Der Festkörperakku hätte zum Beispiel keine Vorteile beim Verbrauch der knappen und teuren Rohstoffe. „Im Gegenteil“, sagt Dirk Harbecke, Chairman des kanadischen Lithiumproduzenten Rock Tech Lithium: „Man braucht bei gleicher Kapazität sogar etwa 20 Prozent mehr hochreinen Lithiums als bei Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigem Elektrolyt.“

Bosch macht Rückzieher

Im Moment sind weltweit 41 große Fabriken für Lithium-Ionen-Zellen in Bau. Fast alle in Asien und alle für die aktuelle Technologie mit Flüssig-Elektrolyt. Es ist völlig unklar, ob diese Fabriken sich auf eine neue Festkörpertechnik umrüsten ließen, sollte sie in einigen Jahren tatsächlich in der Lage sein, E-Autos anzutreiben. „Und selbst wenn“, sagt von Borck, „zu welchem Preis?“ Darüber habe er bisher noch von keinem Hersteller oder Forscher eine befriedigende Antwort erhalten.

„Zwischen Labor und Massenmarkt klaffen mindestens acht, vielleicht auch zehn oder zwölf Jahre“, betont Lithium-Ionen-Akku-Erfinder Yoshino. Seriöse Wissenschaftler würden sich daher „niemals zu einer Aussage hinreißen lassen wie: ‚Ab 2025 haben wir einen Festkörperakku, der dann besser ist als die Batterien mit flüssigem Elektrolyten‘“, kritisiert Yoshino.

Anders als die Forschungsergebnisse der Universitäten sind die Erkenntnisse der Hersteller geheim: Toyota und Hyundai/Kia, die beiden führenden asiatischen Hersteller, legen sich inzwischen nicht mehr mit einer konkreten Jahreszahl auf den Einsatz von Festkörperbatterien fest; Toyota hatte seine Ankündigungen immer wieder aufgeschoben. Auch Bosch setzte große Hoffnungen in die Technik, kaufte vor zwei Jahren das US-Start-up Seeo, das an Festkörperakkus forscht. Doch vor Kurzem hat sich Bosch von seinen Zellplänen verabschiedet.

„Das alles deutet nicht darauf hin, dass die Konzerne in ihrer geheimen Forschung weiter sind als die öffentlich zugängliche“, sagt Janek. Er ist überzeugt, dass die Wende zur E-Mobilität auf die aktuelle Technik setzen wird – also auf die Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigen Bestandteilen, die Akira Yoshino einst erfunden hat. „Jetzt hätten die Autohersteller noch eine Chance, in die Zellproduktion einzusteigen“, sagt sein Kollege Winter. „In fünf oder sechs Jahren wird dieses Fenster zu sein. Vielleicht für immer.“

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