Industrie Wie der 3-D-Druck eine Revolution auslöst

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Personalisierte Hörgeräte

Weil nur dort festes Material entsteht, wo es der Bauplan vorsieht, fallen große Teile der Nachbearbeitung weg – und es bleibt kaum noch Abfall. Schließlich: Während Verschnitt und Späne, die beim Fräsen, Sägen oder Drehen entstehen, teuer aufbereitet werden müssen, lässt sich ungenutztes Metallpulver für den nächsten Druck weiterverwenden. Bauteile zu drucken werde so „nahezu jeden Aspekt der Wirtschaft radikal verändern – vom Design der Produkte bis hin zum Geschäftsmodell ihrer Hersteller“, sagt LZN-Experte Emmelmann.

Immer mehr Unternehmen sind von der Technik neuerdings begeistert: Der Akustikspezialist Phonak etwa druckt seit Jahresbeginn personalisierte High-End-Hörgeräte aus Titan. Die sind kompakter als bisher und trotzdem klangstark. Der Medizintechniker Stryker erschließt sich ein neues Geschäft, indem er individuell an den Körper der Patienten angepasste Implantate druckt. Auch der Sportausrüster Adidas stellt mit seinem Futurecraft 4D genannten Laufschuh ein Konkurrenzprodukt zu Formlabs-Partner New Balance her: Seine Dämpfungssohle ist optimiert für Fußform und Abrollverhalten des Käufers – und wird nach dem Druck mit Oberschuh und Laufsohle verklebt. Ein Gefühl für die Umwälzungen bekommt, wer das niedersächsische Örtchen Varel besucht. Der Flugzeugzulieferer Premium Aerotec lässt dort bereits extrem filigrane Titanträger für die Türkonstruktionen im neuen Airbus A350 XWB in Serie aus dem Drucker. „Im Grunde definieren wir hier gerade neu, wie in Zukunft Flugzeuge gebaut werden“, sagt Gerd Weber. Der jugendlich wirkende Mittvierziger ist Standortleiter. Voraussichtlich von diesem Jahresende an sollen seine Druckteile in Serienflugzeugen montiert werden, die Vorbereitungen dafür laufen seit ein paar Monaten in einer alten Fertigungshalle.

Dort, wo vor Kurzem noch Konstrukteure Bauteile für Flugzeugprototypen montiert haben, die sich später im Windkanal bewähren mussten, hat Weber nun fünf riesige 3-D-Drucker installiert. Jede der Maschinen ist groß wie ein Transportcontainer, und wer durch die Schutzglasscheibe ins Innere blickt, sieht dort ein Funkeln wie von Tausenden Wunderkerzen.

Unaufhörlich rast der Laser über die Pulverschichten, jede von ihnen nicht mal ein Viertel so dick wie ein Menschenhaar. Wo immer festes Metall entstehen soll, stoppt der Laser für Sekundenbruchteile. Lang genug nur, damit das Pulver mit einem Lichtblitz bei 800 bis 1500 Grad mit der Metalllage darunter verschmilzt. Dann jagt der Lichtpunkt weiter, folgt die nächste Pulverschicht, und der Lasertanz beginnt von Neuem.

Die neuen Titanträger für Türrahmen, die hier entstehen, sind so filigran, dass es wegen ihrer komplexen Bauform nicht möglich wäre, sie klassisch zu gießen oder zu fräsen. Und obwohl gedruckt, sind sie so stabil wie ihre Vorgänger aus massivem Metall, aber um mehr als die Hälfte leichter.

Auch ein Teil aus der Treibstoffbelüftung des Militärtransporters Airbus A400M druckt Webers Team in Varel bereits aus Titan. In der Vergangenheit mussten Monteure die verwinkelten Module noch von Hand aus fast 100 Teilen zusammenbauen. „Jetzt kommt die komplette Belüftungseinheit in einem Stück aus dem Drucker“, sagt Weber. Das halbiere die Produktionszeit und senke die Herstellungskosten um ein Drittel. Varel sei der Prüfstein für die Marktreife der Technik glaubt LZN-Mann Emmelmann: Es gebe kaum eine so „qualitäts- und sicherheitssensible Branche wie die Luftfahrtindustrie“, sagt der. Wenn gedruckte Metallteile dort demnächst wie geplant die Genehmigung zum Einbau bekommen, sei der Weg „in jede Industrie“ frei.

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