Rasanter Aufstieg der Volksrepublik China – das schnellere Silicon Valley

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Huaweis Palast der Innovationen in Peking

So wie bei JD.com, dem größten Online- und Offline-Händler Chinas. Das Unternehmen gilt als erstes weltweit, das Pakete an seine Kunden mit Drohnen ausliefert – JD.com erprobt das nicht zuletzt in den entlegenen Provinzen des viertgrößten Landes der Welt. Als nächstes will das JD.com-Management seine Logistikkette automatisieren. In Shanghai experimentiert das Unternehmen seit kurzem mit einem Warenlager, in dem nur noch Roboter arbeiten. Das kann man durchaus präventiv verstehen: China leidet an einer alternden Bevölkerung und steuert auf einen gewaltigen Arbeitskräftemangel zu.

Ein Blick in die JD.com-Zentrale. Quelle: Grainne Quinlan

Und so wie bei Huawei, dem ältesten Tech-Unternehmen des Landes. Am nördlichen Stadtrand von Peking hat sich der Konzern einen neuen Palast der Innovationen errichtet. Hier flanieren Besucher durch einen gigantischen Showroom vorbei an Supercomputern, Technologien für hyper-schnelles mobiles Internet und Verkehrsüberwachungssystemen für Millionenmetropolen, die auf Künstlicher Intelligenz basieren, als seien sie in einem Kunstmuseum. Inzwischen meldet Huawei die meisten Patente an – weltweit. Das nächstes Ziel für den Konzern aus Shenzhen: Samsung als weltweit größten Handy-Produzenten ablösen.

Ob das einfach ambitioniert oder nicht doch etwas größenwahnsinnig ist, steht noch nicht fest. Denn für die alte Tech-Garde, die Internet-1.0- Unternehmen, wie Wagnisgeldgeberin Huang sie nennt, ist das Jahr 2018 zu einem der schwierigsten ihrer Geschichte geworden. Die Investoren fürchten, dass bei den drei großen Konzernen Baidu, Alibaba und Tencent das Wachstum abflauen könnte. Hinzu kommen neue Vorgaben aus Peking, die selbst etablierte und allmächtig erscheinende Konzerne ins Wanken bringen können. So wartet die Tencent-Führung gerade darauf, ob ihre neuesten Online-Spiele von den Behörden überhaupt genehmigt werden. Laut dem Finanzdienst Bloomberg ist der Unternehmenswert von Tencent seit Januar und bis Mitte September um mehr als 100 Milliarden US-Dollar geschrumpft.

Überhitzung und Handelskrieg

Gerade im Geschäft mit Künstlicher Intelligenz schimpfen viele Investoren hinter vorgehaltener Hand über zu viele „Fake-KI-Gründungen“, also Start-ups, die sich KI auf das Logo drucken, obwohl sie mit der Technologie nicht viel zu tun haben. Der Markt gilt als maßlos überhitzt.

Ein Blick in Huaweis Innovationszentrum in Peking. Quelle: Grainne Quinlan

Auch bei der Kreativität der chinesischen Wissenschaftler ist Vorsicht angebracht: Zwar veröffentlicht China inzwischen beeindruckend viele akademische Arbeiten zum Thema Künstliche Intelligenz. Die Veröffentlichungen der amerikanischen Kollegen werden nach Abzug von Selbstzitierungen aber weiterhin viel öfter von anderen Wissenschaftlern erwähnt, hat Georg Stieler, deutscher Unternehmensberater aus Shanghai mit viel Einblick in die chinesische Tech-Wirtschaft, analysiert. Die Amerikaner bleiben damit relevanter. China ist zudem abhängig vom Import von Computer-Chips. Auf deren Leistungskraft baut der technologische Aufbruch. Dem Land ist es trotz Direktiven von oben allerdings bisher nicht gelungen, eine eigene starke Chip-Industrie aufzubauen. „KI-Chips sind die Achilles-Verse des chinesischen Tech-Traums“, sagt Stieler.

Überhitzung, sprunghafte Regulierung - und dann ist da noch der Handelskrieg, den US-Präsident Donald Trump angefacht hat. Bisher hat Trump wichtige Tech-Produkte wie iPhones von neuen Einfuhrzöllen verschont. Chinas Staatslenker Xi Jinping scheint vom amerikanischen Präsidenten dennoch überrannt worden zu sein. Chinas Strategie zum Schutz der heimischen Tech-Branche: Der Traum vom „Made in China 2025“, wie die Direktive zum großen technologischen Sprung in die Digital-Zukunft offiziell heißt, wird in den Staatsmedien immer seltener erwähnt. Es ist, als wolle ein ganzes Land seine Ambitionen verstecken.

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Auf wiwo.de stellen wir ab Montag in einer Serie die neue Technologiemacht China vor. In welchen Geschäftsmodellen und Technologien hat sich das Land besonders gut entwickelt - und was kann sich ein Industrieland wie Deutschland davon abschauen? Und kann Fortschritt wirklich von oben einfach so verordnet werden?

An dieser Stelle verlinken wir nach und nach die Teile der Serie:

Wie China seine Bürger trackt - und Unternehmen davon profitieren

Innovation: KI für Xi

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