Viel schöner als Palo Alto Boston ist das wahre Innovationszentrum der USA

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Dein Freund, der Roboter

Zwischen Saft- und Kaffeebars, Nobelfitnessstudios und Kunstgalerien haben sich Start-ups und Großkonzerne angesiedelt, 200 an der Zahl, darunter Industrieschwergewicht General Electrics. Über 4000 neue Jobs sind entstanden. Und mit American Robotics, Hurdler Motors und Rethink Robotics sind vor allem die Robotik-Werkler jetzt in „Southie“ zu Hause.

Vorsicht vor dem Roboter: Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) bringt nicht nur Robo-Hunde hervor, sondern auch jede Menge Gründer. Quelle: Massachusetts Institute of Technology (MIT)

Rethink Robotics hat mittlerweile 140 Mitarbeiter. Zwei Drittel der Angestellten sind Ingenieure und Softwareentwickler. Das Durchschnittsalter liegt bei knapp 27 Jahren. Statt mit dem Auto kommen die Kollegen, wie das bei Start-up-Mitarbeitern hier Usus ist, mit dem Eingangrad („Singlespeed Bike“) zur Arbeit.

Auf den Schreibtischen stehen Pappbecher mit Ökokaffee. Und natürlich sitzen gleich mehrere Baxters und Sawyers in den Büroräumen. „Das Besondere an den Robotern ist, dass sie lernfähig sind“, sagt Vorstand Lawton. Und jeder Mitarbeiter an jedem Einsatzort könne Baxter schulen: „Sie zeigen dem Roboter ganz praktisch, was er zu tun hat, nehmen ihn wortwörtlich an die Hand. Baxter saugt dieses Wissen auf und wiederholt künftig die Arbeitsschritte.“ Und das selbst dann, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern.

Ist der Arbeitsplatz unterschiedlich hoch, sind etwa die Medizinbecher bei Vanguard Plastics weiter von ihm entfernt als geplant, registriert der Computer die Unterschiede – und stellt sich auf die neuen Bedingungen ein. „Standardroboter würde ihren automatisierten Vorgang weiter betreiben und die Teile entweder nicht greifen oder falsch handhaben und zerstören“, sagt Lawton. Baxter passiere das nie. Weil er eben lernfähig ist.

Positiver Nebeneffekt: Aufgrund dieser Auffassungsgabe brauchen die menschlichen Kollegen keine Angst vor dem Industrieroboter mehr zu haben. Anders als seine brachialen Vorgänger, die oft per Käfig von den Mitarbeitern getrennt wurden, realisiert Baxter, wenn ihm Angestellte zu nahe kommen und justiert dann seine Bewegungen – oder pausiert kurz. Da er schnell, zuverlässig und kostengünstig ist, soll er möglichst weiter in den USA produziert und eingesetzt werden. Zwar sind so auch Zehntausende Jobs von der Automatisierung bedroht. Roboter helfen helfen aber auch, komplexere Jobs im Land zu halten, weil sie Menschen effektiver bei der Arbeit machen, argumentieren die Roboterbauer.

Dein Freund, der Roboter: Diesen Eindruck wollen Entwickler und Ingenieure auch ein paar Minuten nördlich – in Cambridge – vermitteln. Hier geht es mitunter um Leben und Tod.

In einem gläsernen Bürokomplex, zu Fuß von der Eliteuniversität MIT zu erreichen, entstehen Armprothesen für Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben oder durch eine Nervenkrankheit bewegungsunfähig geworden sind. Das Besondere: Die Prothese von Myomo registriert mithilfe von Sensoren die kleinsten neurologischen Signale des Gehirns – und reagiert damit auf den Bewegungswunsch des Patienten. Der kann Handgriffe ausüben, als wäre der Arm nicht bewegungsunfähig. Daher auch der Name der Firma: Myomo steht für „My-own-motion“ – „meine eigene Bewegung“.

Auch für die Macher von Myomo ist der Standort Boston kein Zufall. Mit Vorliebe bedient sich das seit dem Spätsommer an der Börse notierte Unternehmen unter den Talenten vom MIT oder von Harvard.

Sam Kesner ist so ein Talent. Der Leiter der Forschungsabteilung von Myomo hat Abschlüsse in Ingenieurwesen der beiden Eliteunis und seinen Doktor in „Medical Robotics“ gemacht. Er ist Inhaber von sechs Patenten – und hat unter anderem die Forschung der Harvard Medical School über medizinische Mikroimplantate maßgeblich vorangestoßen. Bei der Entwicklung der revolutionären Armprothese konnte Kesner auf seine Kontakte zurückgreifen: Die Prothese entstand in Zusammenarbeit von Myomo, der Harvard Medical School und dem MIT.

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