Geldpolitik In den USA sind Negativzinsen in Coronakrise kein Tabuthema mehr

Investoren spekulieren in den USA inzwischen darauf, dass die Fed Negativzinsen einführt. Die US-Notenbank bevorzugt aber andere Instrumente in der Krise.

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Die Notenbank hat ihren Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld bereits auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent gesenkt. Quelle: dpa

Leitzinsen unter der null Prozent wurden den USA bislang für undenkbar gehalten – anders als in anderen Ländern. Doch angesichts des massiven Konjunktureinbruchs wegen der Coronakrise gelten am US-Finanzmarkt alte Tabus nicht länger. An den Börsen beginnen Investoren inzwischen, auf Sätze unterhalb von null Prozent zu wetten.

Zwar lehnen hochrangige Vertreter der Notenbank (Fed) bisher einen radikalen Kurswechsel ab. Aber US-Präsident Donald Trump hat die Währungshüter bereits zum wiederholten Mal aufgefordert, Negativzinsen einzuführen.

„Negative Zinsen sind möglich“, sagt etwa Fondsmanager Akira Takei vom Investmenthaus Asset Management One. Eine solche Geldpolitik würde aus seiner Sicht Einkommen effektiv umverteilen. Finanzmittel würden wegfließen von denjenigen, die jahrelang von der Kreditvergabe profitierten, und hin zu denen gelangen, die nun in der Krise Kredite aufnehmen müssten. „In dieser Hinsicht gleichen sie den verschiedenen Einkommens- und Mietunterstützungsprogrammen für diejenigen, die vom Lockdown getroffen wurden.“

Negativzinsen gelten in der Geldpolitik als unkonventionelles Instrument, um in Krisenzeiten die Kreditvergabe der Banken an die Wirtschaft anzuschieben. Die Europäische Zentralbank (EZB) senkte 2014 erstmals ihren Einlagensatz auf unter null Prozent. Aktuell liegt er bei minus 0,5 Prozent.

Ein negativer Satz bedeutet, dass Geldhäuser Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Liquidität parken. Der Gedanke dahinter: Sie sollen stattdessen die Gelder nutzen, um mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte auszureichen. Auch in Ländern wie Japan und der Schweiz nutzen die Notenbanken dieses Instrument.

Investoren spekulieren in den USA inzwischen darauf, dass auch die Fed dazu übergehen könnte. „Das hat sich von einer theoretischen Angelegenheit zu einer klaren Möglichkeit hinentwickelt“, sagt Michael Purves, Chef des Beraterhauses Tallbacken Capital Advisors.

Ablesen lässt sich dies aus den Kursen von Zinsoptionen am Finanzmarkt. Nach Daten der Bank of America liegt basierend auf den Optionskursen für US-Zinsswaps die Wahrscheinlichkeit inzwischen bei 23 Prozent, dass der US-Leitzins bis Dezember auf unter null Prozent gesenkt wird. Vor einer Woche waren es lediglich neun bis zehn Prozent gewesen.

Fed-Chef ist skeptisch

Die Fed hatte ihren Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken mit Geld bereits auf die Spanne von null bis 0,25 Prozent gesenkt und umfangreiche Unterstützungsprogramme für die Wirtschaft in Billionenhöhe aufgelegt. Doch Minus-Zinsen sieht Notenbank-Chef Jerome Powell skeptisch. Diese würden der Wirtschaft wahrscheinlich nicht helfen, sagte er im März.

Eine Reihe hochrangiger US-Währungshüter pflichtete dieser Einschätzung bei. Sie befürchten insbesondere Turbulenzen an den Kreditmärkten, sollte der Schlüsselzins auf unter null Prozent fallen.

Dies ist auch ein Grund, warum viele Investoren der Idee bislang wenig abgewinnen können. „Die Einführung von Negativzinsen in den USA würde mehr Verwerfungen verursachen als in Japan oder in Europa“, sagt etwa Ayako Sera, Marktstratege bei der Sumitomo Mitsui Trust Bank in Tokio. In den USA seien die Unternehmen für ihre Finanzierung auf die Kreditmärkte angewiesen. Negative Zinsen würden aber die Kursbildung für viele Wertpapiere durcheinanderwirbeln.

John Praveen, Portfolio-Manager beim Vermögensverwalter QMA, führt noch einen anderen gewichtigen Grund an. Falls die Fed entscheiden sollte, negative Sätze einzuführen, könne das als Zeichen gewertet werden, dass ihr die Munition ausgehe. „Das ist ganz klar nicht der Fall.“

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