Geldpolitik Zerfällt die Euro-Zone wie die UdSSR?

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Keine Frage von Krieg und Frieden

Sparprogramme der Pleiteländer
Sparprogramm der SchuldenländerGriechenlandImmer neue EU-Hilfszahlungen fließen nach Athen - doch Griechenland bekommt seine Schulden nicht in den Griff. Nun hat der Premierminister Papademos sein Land zu neuen Anstrengungen aufgefordert. „Die Finanzkrise in unserem Land ist kein Sturm, der vorbeizieht“, räumte Griechenlands neuer Regierungschef Lukas Papademos Anfang Dezember ein. Damals appellierte er vor dem Parlament: „Angesichts unserer Probleme dürfen wir unsere Anstrengungen 2012 nicht einstellen". Die Abgeordneten folgten dem Premier und stimmten mit großer Mehrheit für ein neues Sparprogramm. Das sah vor, dass Athen 2012 keine neuen Schulden mehr macht. Dieses ehrgeizige Ziel soll durch Einsparungen im staatlichen Bereich und durch Privatisierungen erreicht werden. Zuvor führte der Land bereits eine Solidaritätssteuer ein und erhöhte die Kfz-Steuer um zehn Prozent. Freiberufler wie Rechtsanwälte sollen zusätzlich zu den bislang berechneten Steuern je nach Einkommen zwischen 100 und 300 Euro jährlich zahlen. Heizölsteuern sollen um fünf Cent erhöht werden, für Immobilien sollen die Steuern pro Quadratmeter in die Höhe gehen. Renten, die über 1700 Euro gehen, werden um zehn Prozent gekürzt. Staatliche Behörden wurden geschlossen und die Angestellten in andere staatlichen Betriebe eingesetzt. Die Zahl der angestellten Beamten wird radikal gekürzt – für jeden zehn Staatsdiener, die in Rente gehen, wird nur ein neuer Mitarbeiter eingestellt. Im Bild: Vom Gebäude der Bank of Greece tropft rote Farbe. Quelle: REUTERS
ItalienAls das italienische Kabinett Anfang Dezember die Sparmaßnahmen verkündete, versagte der Arbeitsministerin Elsa Fornero (links im Bild) die Stimme. Kaum hatte sie das Wort „Opfer“ ausgesprochen, fing sie zu weinen an. Premierminister Mario Monti, der neben ihr saß, übernahm daraufhin das Wort. Monti geht beispielhaft voran – der neue Premierminister wird auf sein Gehalt verzichten. Seit Mitte November ist der neue Premier nun im Amt und in den ersten drei Wochen seiner Regierungszeit stellte seine Mannschaft ein Sparprogramm auf die Beine auf, das es in sich hat. Die Arbeitsministerin wird nicht die einzige sein, der Tränen über die Wangen rollen werden. Das Gros der Maßnahmen trifft die Rentner. Das Renteneintrittsalter soll auf 66 Jahre angehoben werden. Wer frühzeitig in Rente gehen möchte, muss als Mann 42 Jahre, als Frau 41 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Die Renten zwischen 467 und 935 Euro erhalten einen Inflationsausgleich, wer 936 Euro Rente im Monat erhält bekommt keinen Ausgleich. Die Gewerkschaft hat dagegen Protest angekündigt. Die Chefin des mächtigen Arbeitgeberverbandes, Emma Marcegaglia, fand dazu klare Worte: „Wir haben keine andere Option. Es ist ein Programm um Italien und den Euro zu retten.“ Sie hat Recht: Italiens Schuldenlast entspricht mit rund 1,9 Billionen Euro 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die italienische Staatsverschuldung ist größer als die von Griechenland, Spanien, Portugal und Irland zusammen. Das Parlament soll das Sparpaket noch vor Weihnachten verabschieden. 2013 soll Italien bereits einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen können. Bis 2014 sollen 20 Milliarden Euro eingespart werden. Die Maßnahmen im Detail: Die Mehrwertsteuer soll 2012 von 21 auf 23 Prozent steigen. Zum Vergleich: In Deutschland zahlen die Verbraucher in der Regel einen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, der EU-Schnitt liegt bei 20,7 Prozent. Die Immobiliensteuer, die unter Berlusconi abgeschafft wurde, wird wieder eingeführt. Die Bezahlung mit Schwarzgeld soll eindämmt werden. Künftig sind Barzahlungen nur bis 1000 Euro möglich - bisher waren es bis zu 5000 Euro. Das politische Personal in den regionalen Verwaltungsapparaten wird abgebaut, die Zentralregierung wird fünf Milliarden Euro weniger Geld an die Provinzen überweisen. Privat Flugzeuge und Helikopter, Yachten und Luxuskarossen erhalten eine Sondersteuer. Die Regierung Monti möchte drastische Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung ergreifen. Quelle: dapd
PortugalDas Land auf der iberischen Halbinsel hat Ende November 2011 nach Worten des Finanzministers Vitor Gaspar das „härteste Sparprogramm seit Einführung der Demokratie in 1974“ verabschiedet. Mitten im Generalstreik (im Bild) beschloss die Mitte-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho folgendes Maßnahmenpaket: Das Sparprogramm sieht Gehaltskürzungen vor allem bei den Beamten, Kürzungen von Renten sowie die Erhöhung der Arbeitszeit um eine halbe Stunde pro Tag in der Privatwirtschaft vor. Den Bediensteten und Rentnern des Staates, die mehr als 1000 Euro beziehen, soll etwa das 13. und das 14. Gehalt gestrichen werden. 2012 sollen unter anderem die Ausgaben für Gesundheit und Bildung um zehn Prozent gesenkt werden. Eine Behandlung beim Notarzt wird künftig zwischen 20 und 40 Euro kosten; jetzt zahlt ein Kranker bei der Notaufnahme um die neun Euro. Die Mehrwertsteuer wird für viele Produkte auf 23 Prozent angehoben. Portugal ist bereits unter den EFSF-Rettungsschirm geschlüpft und hat ein 78 Milliarden Euro schweres Hilfspaket der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommen. Dafür muss Portugal das Haushaltsdefizit in diesem Jahr von 9,8 Prozent (2010) auf 5,9 Prozent senken. 2012 soll das Defizit schon 4,5 Prozent betragen. Die Wirtschaft des Landes wird nach jüngster Schätzung der Regierung dieses Jahr um 1,6 und 2012 um 3,0 Prozent schrumpfen. Quelle: REUTERS
IrlandDie Inselrepublik, die als erste Hilfszahlungen vom EU-Rettungsschirm erhielt, hat in den zurückliegenden sechs Sparhaushalten seit 2008 die Staatsausgaben bereits um 20 Milliarden Euro gekürzt. Bis 2015 will Dublin sein Defizit wieder unter die erlaubte Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. Bis dahin müssen insgesamt 12,4 Milliarden Euro eingespart werden. Dazu werden die Steuern erhöht und die öffentlichen Ausgaben gekürzt. Jetzt hat die neue Regierung unter Ministerpräsident Enda Kenny für 2012 angekündigt, erneut 3,8 Milliarden Euro einzusparen. Der irische Staat, so Kenny, gebe 16 Milliarden Euro mehr aus, als er über Steuern einnehme. 2,2 Milliarden Euro sollen durch Einschnitte in den Staatsausgaben eingespart werden, darunter 700 Millionen Euro in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung und eine Milliarde im Öffentlichen Dienst.  Auch die Kraftfahrzeugsteuer und die Mehrwertsteuer werden erhöht, letztere von 21 auf 23 Prozent. Im Bild: In der Dubliner Innenstadt protestieren Demonstranten gegen das Sparprogramm der irischen Republik. Quelle: dapd
SpanienBereits im Jahr 2010 hatte Spanien ein großes Sparprogramm auferlegt, mit dem das Land im Jahr 2011 bis zu 15 Milliarden Euro sparen wollte. Für Rentner gab es 2011 eine satte Nullrunde, Beamten erhielten durchschnittlich fünf Prozent weniger Lohn. Auch die Sozialausgaben wurden beschnitten. Familien, die bisher für jedes neugeborenes Kind 2500 Euro erhielten, bekamen den „Baby-Scheck“ nicht mehr. Die Entwicklungshilfe wurde um 600 Millionen Euro zurückgeschraubt, sowie die staatlichen Investitionen um sechs Milliarden Euro. Die neue Rechts-Regierung führt die Sparorgie fort. Ein Tag vor Silvester 2011/2012 kündigte die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy weitere Sparmaßnahmen für das Jahr 2012 an. Das Staatsdefizit für 2011 beträgt acht Prozent, statt nur sechs, wie von allen Seiten erhofft. Nun müssen die fehlenden 20 Milliarden Euro durch Ausgabenkürzung und Steuererhöhungen kompensiert werden. Zudem möchte die Regierung in Madrid das Defizit für das Jahr 2012 auf 4,4 Prozent runterschrauben. Die Steuern für Gehälter über 300.000 Euro sollen um bis zu sieben Prozent steigen, auch niedrige Einkommensklassen müssen mehr Steuern an den Staat überweisen. Alte Häuser und Immobilien werden mit höheren Sätzen besteuert. Auf Seite der Ausgabenkürzung bittet der Staat seine Beamten zur Kasse, sie werden weniger Gehalt bekommen. Zudem soll der spanische Staat seinen Verwaltungsaufwand kürzen und regionale Verwaltungsstrukturen abbauen. Staatliche Forschungsvorhaben, die staatliche Eisenbahn und die öffentlichen Rundfunkanstalten bekommen weniger Geld, die politischen Parteien, die Gewerkschaften und Verbände weniger Subventionen. Auch alle Ministerien müssen mit weniger Geld ihre Aufgaben bewältigen. Die neuen Minister rufen sich Mut zu und geben die Losung aus: Mit weniger, mehr machen. Die Renten und Arbeitslosenhilfen wird der neue Regierungschef nicht anfassen. Nur bei der Steuererhöhung hat Ministerpräsident Rajoy sein Wahlversprechen gebrochen. Im Bild: Ein Student hält in Madrid bei einer Demonstration eine Schild in die Höhe, auf dem steht: Stoppt die "Einsparungen". Quelle: dapd
FrankreichSollte es künftig eine Kernwährungsunion geben, will auch Frankreich dieser Gruppe angehören. Die Grande Nation will dafür den Preis zahlen: die Schulden sollen in diesem und im kommenden Jahr um 12 Milliarden Euro verringert werden. Die Reichen werden zur Kasse gebeten – bis die Neuverschuldung des Landes auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zurückgegangen ist, sollen die Jahreseinkommen von über 500.000 Euro mit drei Prozent pro Jahr besteuert werden. 2013 möchte Paris das Defizit auf die im europäischen Stabilitätspakt vorgeschriebene Höchstgrenze von drei Prozent drücken. Für 2012 soll die Neuverschuldung bei 4,5 Prozent liegen. Auch für die Arbeitnehmer kommt es Dicke. Wenn sie mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten, konnten sie bisher die zusätzlichen Stunden steuerlich geltend machen. Dieses Steuerprivileg fällt künftig weg. Die Freizeit wird für jedermann kostspieliger  – Tabak wird bereits jetzt um sechs Prozent teurer verkauft, im nächsten Jahr folgen dann eine Steuererhöhung für Alkohol und Erfrischungsgetränke. Im Bild: Der Eiffel-Turm in Paris. Quelle: REUTERS

Deutschland subventioniert Frankreich und den Rest der Euro-Zone indirekt über die gemeinsame Währung und direkt, etwa über Griechenland-Kredite – bis es nicht mehr geht. Das könnte schon bald so weit sein, vielleicht schon im ersten Halbjahr 2012. Sollten die Volkswirtschaften der Schwellenländer, ausgehend von China, an Traktion verlieren und Europa und die USA in die Rezession abgleiten, dann würde der deutsche Export zusammenbrechen. Deutschland und Europa aber leben und sterben mit der deutschen Exportwirtschaft.

Deutsches Kapital wurde in den vergangenen Jahren wegen der Euro-Fehlkonstruktion lieber exportiert zur Finanzierung von Staatshaushalten und Immobilienblasen am Mittelmeer. Dieses Kapital ist zum größten Teil unwiederbringlich verloren – auch für die deutsche Industrie.

Die von der Bundeskanzlerin jetzt angestrebte Wirtschafts- und Fiskalunion mit zentraler Steuerung aus Brüssel machte dieses System zu einer Dauereinrichtung. Franzosen und Italiener würden sich in diesem System vermutlich recht wohl fühlen, hätte man doch Zugriff auf das deutsche Steueraufkommen. Man muss sich deshalb ernsthaft die Frage stellen, was besser wäre – ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken. Und, liebe Populisten – das ist keine Frage von Krieg und Frieden.

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