Vor wenigen Monaten war das Ende des Euro noch unvorstellbar, inzwischen gehört dieses Szenario zu den Planspielen jeder besseren Investmentbank. Wagen wir ein auf den ersten Blick absurdes Gedankenspiel: Die Situation in Europa ähnelt jener der UdSSR vor ihrem Zerfall. Auch dort wurden schließlich Länder unterschiedlicher Kulturen zusammengehalten vom politischen Willen einer inkompetenten politischen Klasse. Sicher, die bedingungslosen Euro-Verteidiger in den nationalen europäischen Regierungen sind demokratisch gewählt, während in der UdSSR die kommunistische Partei mit einem diktatorischen Herrschaftsanspruch regierte.
Ökonomisch aber gibt es gewisse Parallelen: Die UdSSR finanzierte sich vor allem aus dem Rohstoffreichtum Russlands, die Euro-Zone aus den Exportüberschüssen Deutschlands. Das ging in der Sowjetunion so lange gut, bis Russland die maroden Teilrepubliken der UdSSR – in der Euro-Zone sind das die PIIGS – wegen zunehmender eigener Schwäche nicht mehr finanzieren konnte. Für politische Machtansprüche hatte sich Russland ökonomisch überdehnt. Auf der Strecke blieben Investitionen zur Sicherung der eigenen Zukunft.
Heute könnte der politische Ehrgeiz der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy die eigenen ökonomischen Möglichkeiten übersteigen. Ökonomisch (nicht politisch!) fiele Frankreich nach dieser Lesart die Rolle der DDR zu – vergleichsweise gute Position, aber wirtschaftlich weit überschätzt.
Keine Frage von Krieg und Frieden
Deutschland subventioniert Frankreich und den Rest der Euro-Zone indirekt über die gemeinsame Währung und direkt, etwa über Griechenland-Kredite – bis es nicht mehr geht. Das könnte schon bald so weit sein, vielleicht schon im ersten Halbjahr 2012. Sollten die Volkswirtschaften der Schwellenländer, ausgehend von China, an Traktion verlieren und Europa und die USA in die Rezession abgleiten, dann würde der deutsche Export zusammenbrechen. Deutschland und Europa aber leben und sterben mit der deutschen Exportwirtschaft.
Deutsches Kapital wurde in den vergangenen Jahren wegen der Euro-Fehlkonstruktion lieber exportiert zur Finanzierung von Staatshaushalten und Immobilienblasen am Mittelmeer. Dieses Kapital ist zum größten Teil unwiederbringlich verloren – auch für die deutsche Industrie.
Die von der Bundeskanzlerin jetzt angestrebte Wirtschafts- und Fiskalunion mit zentraler Steuerung aus Brüssel machte dieses System zu einer Dauereinrichtung. Franzosen und Italiener würden sich in diesem System vermutlich recht wohl fühlen, hätte man doch Zugriff auf das deutsche Steueraufkommen. Man muss sich deshalb ernsthaft die Frage stellen, was besser wäre – ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken. Und, liebe Populisten – das ist keine Frage von Krieg und Frieden.