Leseprobe „Weekender“ Corona total, überholtes Exportmodell, Tristesse bei Thyssen

Warum man beim Kinderarzt die Wahrheit über Jens Spahn erfährt und die totale Globalisierung ein Auslaufmodell ist. Ein exklusiver Einblick in den „Weekender“ von Chefredakteur Beat Balzli.

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Jeden Freitagmittag liefert Ihnen der „Weekender“ die besten Empfehlungen für Ihr Lesevergnügen am Wochenende. WirtschaftsWoche-Chefredakteur Beat Balzli wählt für Sie die wichtigsten Themen und spannendsten Beiträge der WirtschaftsWoche aus, die Sie nicht verpassen sollten – und ordnet ein, was in der kommenden Woche wichtig wird. So bleiben Sie zuverlässig up-to-date und wissen, was auf die Wirtschaft und ihre wichtigsten Entscheider zukommt.

Im Folgenden stellen wir Ihnen eine exklusive Leseprobe zur Verfügung. Überzeugt? Hier können Sie sich für den „Weekender“ anmelden.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die ungeschminkte Wahrheit erfährt man manchmal beim Kinderarzt. So auch diese Woche. Während er meinen Sohn gegen alles Mögliche impft, kommen wir ins Gespräch.
Ich: „Ist die Corona-Hysterie in Ihrer Praxis auch schon angekommen?“
Er: „Definitiv, wobei die Hysterie gefährlicher ist als das Virus.“
Ich: „Und laut Gesundheitsminister Jens Spahn sind wir ja gut vorbereitet.“
Er: „Von wegen. Das System wurde komplett kaputtgespart und ist nicht in Ansätzen in der Lage, so eine Krise zu meistern. Der Gesundheitsdienst schafft es nicht mal, den Ärzten Schutzmasken zu beschaffen, obwohl es das Gesetz vorschreibt.“

Willkommen in Deutschland, wo sich angesichts der Börsenkurse auch Anleger krank fühlen und das Gesundheitssystem wohl dringend ein Update braucht. Damit nicht genug. Das Coronavirus ist ein weiterer Belastungstest für das Geschäftsmodell der Exportnation Deutschland. Kaum ein anderes Land hat von der totalen Globalisierung derart profitiert. Und kaum ein anderes Land ist jetzt so verwundbar. Die kontinentüberschreitenden Wertschöpfungsketten halten weder einer Pandemie stand noch den Anforderungen des Klimaschutzes, weil die Frachtpreise die Schäden durch die CO2-Emissionen nicht abdecken. Drittens konnten die Architekten der globalen Just-in-Time-Philosophie – also der weltweiten Schnäppchenjagd ohne eigenes Lager – ja nicht wissen, dass mal Donald Trump im Weißen Haus sitzen würde. Der propagiert nun schon seit drei Jahren den Protektionismus. Daran wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern, egal wer den laufenden Wahlkampf gewinnt. Trumps Herausforderer predigen längst auch seine Nötigung-per-Strafzoll-Doktrin. Der Altlinke Bernie Sanders, der in den Vorwahlen gerade vorne liegt, tut es mit Abstand am lautesten. Den deutschen Unternehmen bleibt nichts anderes übrig als sich anzupassen: „Think global, act local“. Das wirkt wie eine Art Impfung gegen Corona, Trump, Greta & Co . Man beliefert nicht mehr die Absatzmärkte, sondern man produziert gleich vor Ort und das noch viel konsequenter als das heute manche schon tun. Glokalisierung nennt sich das. Der Produktionsstruktur droht künftig der Totalumbau, orientiert an den regionalen Blöcken Asien, Europa und Amerika. Manch ausgelagerte Produktion lässt sich gar heimholen. Dank der Nullzinsen lohnen sich mitunter Investitionen in eine vollautomatisierte Herstellung mit Sitz in Deutschland.

Dafür müsste der Standort allerdings kräftig aufrüsten. Zuallererst bräuchte es ein Modernisierungsgesetz, das „Stillschland“ nach vorne bringt. Die Genehmigungsverfahren für Infrastrukturvorhaben sind so träge wie in kaum einem anderen Land . Hinzu kommt das Verbandsklagerecht, das vielen Projekten den Garaus macht. Die nächste Bewährungsprobe steht mit dem Ausbau des 5G-Netzes an. Immer mehr Menschen fürchten sich vor der angeblich so schädlichen Strahlung. Was das für die Genehmigung der neuen Sendemasten bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Willkommen in Deutschland, wo Zukunftsfähigkeit schon beinahe als politisch unkorrekt gilt.

In der CDU wollen das ja gleich drei Herren ändern. Friedrich Merz, Armin Laschet (mit Vize Jens Spahn) und Norbert Röttgen glauben, die alte Tante aus der Krise holen zu können. Merz gilt als Bollwerk gegen die AfD, Laschet und Spahn als Bollwerk gegen die Grünen – und Röttgen als Bollwerk gegen den Eindruck, in einer Volkspartei gebe es keine Intellektuellen. In Sachen Wirtschaft sind die Drei höchst unterschiedlich kompetent. Merz kriegt die volle Punktzahl, Röttgen nicht und Laschet liegt irgendwo dazwischen. Dabei besitzt Letzterer als Ministerpräsident von NRW genügend Übungsmaterial. Thyssenkrupp rettet sich gerade mit einem milliardenschweren Verkauf seiner Aufzugssparte – unter anderem an die mächtige RAG-Stiftung – vor dem frühzeitigen Exitus. Danach will sich die Pott-Ikone voll auf das Stahlgeschäft konzentrieren. Ausgerechnet. Die Konkurrenzsituation ist auf diesem Markt so hart wie… genau, Sie haben es erraten. Chinas Stahlbarone liefern immer bessere Qualität zu Dumpingpreisen. Für Thyssenkrupp könnte es bald sehr eng werden . Ist es gar der Anfang vom Ende? „Das wäre für NRW eine Katastrophe“, sagte mir diese Woche ein Unternehmer, „so viele Firmen hängen von Thyssen ab, als Kunden oder Auftragnehmer.“ Laschet hat er das auch schon gesagt.

Ich wünschen Ihnen trotz allem ein entspanntes Wochenende

Ihr Beat Balzli


PS: Nächste Woche soll eigentlich die weltweit größte Reisemesse in Berlin starten. Wegen der Corona-Gefahr ist das jedoch fraglich. Bundesinnenminister Horst Seehofer möchte es am liebsten verhindern. Womöglich wären ihm dafür viele dankbar. Geschäftsreisen sind sowieso gerade out.

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