
Angesichts der relativ hohen Inflation in der Türkei ist laut Notenbankchef Naci Agbal auf längere Zeit nicht an ein Lockern der Zinszügel zu denken. „Es scheint dieses Jahr für eine lange Zeit nicht möglich zu sein, Zinssenkungen auf die Agenda zu setzen“, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters im ersten Interview seit der Amtsübernahme vor drei Monaten.
Es sei vielmehr angezeigt, die Geldpolitik weiter zu straffen, falls sich abzeichne, dass sich die Inflation von derzeit 15 Prozent künftig höher als erwartet entwickle. Dabei werde die Notenbank nicht abwarten, sondern „im Voraus“ handeln.
Anleger haben direkt auf Agbals Worte reagiert. Die Aussicht auf eine anhaltend straffe Geldpolitik der türkischen Zentralbank gibt der Währung des Landes Auftrieb. Im Gegenzug fallen Dollar und Euro um jeweils etwa ein Prozent auf ein Fünfeinhalb-Monats-Tief von 7,054 beziehungsweise 8,4395 Lira.
Agbal geht davon aus, dass die Verbraucherpreise noch einige Monate steigen dürften, bevor sie sich gegen Ende des Jahres langsam dem von der Notenbank prognostizierten Wert von 9,4 Prozent annähern werden.
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte den einstigen Finanzminister Agbal Anfang November auf den Stuhl des Notenbankchefs gehievt - kurz nachdem die Landeswährung auf ein Rekordtief gefallen war.
Laut Insidern wurde der geschasste Zentralbankchef Murat Uysal für den Niedergang der Lira mitverantwortlich gemacht. Erdogan verband den Personalwechsel mit dem Versprechen, ein investorenfreundliches Umfeld zu schaffen.
Unter Agbals Leitung hat die Notenbank den Leitzins von 10,25 Prozent auf 17 Prozent erhöht. Sie hat damit versucht, die ausufernde Inflation in Schach zu halten, die sich seit drei Jahren zumeist im zweistelligen Prozentbereich bewegt.
Der straffe geldpolitische Kurs wird von den Investoren goutiert: Nachdem sie über Jahre eher einen Bogen um türkische Vermögenswerte machten, strömt nun wieder vermehrt ausländisches Kapital in das Schwellenland. Und auch die lange Zeit taumelnde Lira hat sich wieder stabilisiert. Sie legte nach Veröffentlichung des Reuters-Interviews zum Dollar zu.