Inflation und Geldpolitik Direktorin Schnabel: EZB muss „waches Auge“ auf Teuerung haben

Die Teuerungsrate werde 2022 zwar zurückgehen. Doch sei unsicher, wie schnell und in welchem Umfang sich dieser Rückgang vollziehen werde, räumt die EZB-Direktorin ein.

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„Es besteht weniger Einigkeit über die Dauer dieser Preistreiber und was sie für eine angemessene Antwort der Geldpolitik bedeuten“, sagt die EZB-Direktorin. Quelle: Reuters

Angesichts des rasanten Preisauftriebs muss die Europäische Zentralbank laut ihrer Direktorin Isabel Schnabel mit Blick auf die Inflationsrisiken äußerst wachsam bleiben. Der Preisauftrieb halte wohl länger an als ursprünglich angenommen, räumte die deutsche Währungshüterin am Mittwoch ein.

Die Teuerungsrate werde 2022 zwar zurückgehen. Doch sei unsicher, wie schnell und in welchem Umfang sich dieser Rückgang im kommenden Jahr vollziehen werde. Daher müsse die EZB für alle Eventualitäten gerüstet sein, um ihrem Mandat der Preisstabilität gerecht zu werden.

Es bestehe weitgehend Einigkeit, dass die explodierenden Energiekosten und Basiseffekte aus dem Corona-Jahr 2020 die Preise trieben: „Doch es besteht weniger Einigkeit über die Dauer dieser Preistreiber und was sie für eine angemessene Antwort der Geldpolitik bedeuten“, fügte sie hinzu. Schnabel ließ damit durchblicken, dass die Währungshüter in dieser Frage geteilter Meinung sind.

Dieser für Beobachter erstaunliche Hinweis kommt wenige Wochen vor der richtungsweisenden Sitzung der EZB zur Zukunft des Corona-Notprogramms Pepp, die Mitte Dezember ansteht. Viele Experten erwarten, dass es im März ausläuft und danach das kleinere Programm APP in der einen oder anderen Form fortgesetzt wird.

Angesichts der Inflationsrisiken hatte EZB-Ratsmitglied Klaas Knot mit Blick darauf Flexibilität angemahnt. Man dürfe sich nicht zu früh festlegen, um nicht Gefahr zu laufen, in Konflikt mit der Inflationsentwicklung zu geraten. Die Währungshüter haben sich bereits darauf festgelegt, dass erst an eine Zinserhöhung zu denken ist, wenn das APP-Programm beendet ist.

Schnabel wies darauf nun ausdrücklich hin. Es gebe geldpolitisch gute Gründe, diese Abfolge einzuhalten. Zugleich hätten die Anleihekäufe eine Signalfunktion für die Zinspolitik. Auch wenn sie auf einem relativ niedrigen Niveau fortgesetzt würden, könne dies den Märkten anzeigen, dass eine Zinserhöhung nicht ins Haus stehe.

Einerseits verbiete es sich, die Geldpolitik zu früh zu straffen, was der Konjunktur schaden würde, sagte die Dortmunder Ökonomin. Andererseits gelte es, auch ein „waches Auge“ auf die bereits an den Finanzmärkten vorweggenommenen Aufwärtsrisiken bei der Inflation zu halten, erklärte Schnabel.

Keine Phase eines schwachen Wachstums

Sie sieht zugleich keine Phase schwachen Wachstums und erhöhter Inflation auf den Euro-Raum zukommen. Einige Beobachter malten dieses Gespenst der Stagflation zwar an die Wand. Doch eine solche Entwicklung wie sie in den 70er-Jahren durch die Ölkrise hervorgerufen wurde, zeichne sich nun nicht ab. Die Furcht vor einer Stagflation sei daher unbegründet.

Die Wirtschaft im Euro-Raum und auch global sei heutzutage wesentlich besser gerüstet, solche Preisschocks zu verarbeiten, sagte Schnabel. Dies auch, weil die Verbraucher über genügend Geld für den Konsum verfügten und die Staaten mit ihrer Haushaltspolitik die Konjunkturerholung unterstützten.

In den 70er-Jahren drosselte das Ölkartell Opec die Produktion, wodurch sich der Ölpreis binnen zwei Jahren verdoppelte, was zu wirtschaftlichem Stillstand mit steigender Arbeitslosigkeit bei stark steigender Inflation führte.

Wieder in Mode gekommen ist das Kunstwort Stagflation durch die zurzeit rasant steigenden Verbraucherpreise: Die Teuerungsrate im Euro-Raum lag im Oktober mit 4,1 Prozent so hoch wie seit über 13 Jahren nicht mehr. Laut Schnabel ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht: Im November sei mit der höchsten Teuerungsrate seit Einführung des Euro 1999 zu rechnen.

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