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Öl weekly: Geopolitische Risikoprämie wie in vergangenen Zeiten

Die Ölpreise setzten ihren Anstieg der vergangenen Wochen fort. Der Brentölpreis legte im Vorwochenvergleich um 5 % und pendelte sich bei 63,6 US-Dollar/Barrel ein. Zwischenzeitlich wurde mit 64,52 US-Dollar/Barrel ein neues Zweijahreshoch erreicht. Die amerikanische Sorte WTI konnte ebenfalls kräftig zulegen und notiert bei 56,9 US-Dollar/Barrel. Die jüngsten Entwicklungen bei der Ölpreisbildung sind eine gute Erinnerung daran, wie eine defizitäre Ölwelt aussehen könnte, wenn ein bedeutendes geopolitisches Risiko (politische Unsicherheit in Saudi-Arabien) eintritt. Das letzte Mal, als der Markt derartige Spannungen einpreiste war just vor dem kräftigen Ölpreisrückgang im Juni 2014. Damals trieben Spannungen im Irak die Preise in Richtung 115 US-Dollar/Barrel.

Die Nachrichten aus Saudi-Arabien, das größte OPEC-Land mit einer täglichen Fördermenge von knapp 10 Mio. Barrel/Tag, der vergangenen Tage waren durchaus besorgniserregend. So wurde Wochenende die Verhaftung von elf Prinzen, vier Ministern und dutzende ehemalige Minister vermeldet. Darüber hinaus gab es Meldungen über einen Helikopterabsturz in Saudi-Arabien mit einigen Regierungsvertretern an Bord, und den völlig unerwarteten Rücktritt des von Saudi-Arabien unterstützten Ministerpräsidenten des Libanon. Viel schwerer wog allerdings der Kommentar des saudischen Ministers für Golfangelegenheiten, dass sein Land die Aktionen der nun im Libanon beheimateten Schiiten-Miliz Hisbollah, eine aus dem Jemen auf den Flughafen der saudischen Haupstadt Riad abgefeuerte Raktete, als eine Kriegserklärung des Libanon behandelt. Für den Markt kamen diese Anschuldigungen überraschend, da Saudi-Arabien keine Grenze zum Libanon hat. Des Weiteren ist es überraschend, dass Saudi-Arabien nun die Regierung im Libanon für die Handlungen einer Gruppe verantwortlich ist, die sie nicht kontrollieren kann, da diese an mehreren Orten der Region, einschließlich Syrien und Jemen, agiert. Die Situation lässt die deutlich zunehmenden Spannungen innerhalb der Region sichtbar werden. Das Risiko einer weiteren Eskalation sollte daher nicht unterschätzt werden. In diesem Zusammenhang ist es durchaus gerechtfertigt, dass der Markt eine angemessene Risikoprämie einpreist. Die Frage ist, wie sich dies in den nächsten Wochen und Monaten auswirken wird. Wir sind weiterhin der Ansicht, dass der fundamental-gerechtfertigte Brentölpreis in einer sehr engen Handelspanne von 53-58 US-Dollar/Barrel liegen wird. Dass tatsächlich das physische Angebot an Rohöl von dem jüngsten Konflikt beeinträchtigt sein wird, halten wir zudem für unwahrscheinlich. Sollte sich der Konflikt beruhigen, rechnen wir daher auch wieder mit einem Rückgang des Brentölpreises in Richtung unserer Jahresendprognose von 58 US-Dollar/Barrel.

Dagegen preist der Markt gegenwärtig einen außerplanmäßigen Produktionsausfall von ca. 600 Tsd. Barrel/Tag für sechs Monate ein. Diese Einschätzung beruht auf unserem OECD-Öllagerbestände vs Brentölpreis-Modell (siehe Grafik am Rande). Sollten Produktionsausfälle in diesem Umfang wider Erwarten real werden, rechnen wir weniger mit einer ansteigenden Risikoprämie, als vielmehr mit einer Ausweitung der Backwardation (Spotpreis > Terminpreis), da Produktionsausfälle vor allem eine gewünschte Beschleunigung bei der Normalisierung der OECD-Öllagerbestände bewirken sollten.


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