Interhyp-Vorstandsmitglied Mirjam Mohr „Hey, ich kann das!“

In der Finanzbranche arbeiten viele Frauen, aber in Führungspositionen schaffen sie es selten. Mirjam Mohr ist eine Ausnahme. Ein Gespräch unter Frauen über Karrierechancen, Fallstricke und zu viel Testosteron.

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Der Interhyp-Vorstand und die Handelsblatt-Redakteurin sprachen über Frauen in Führungspositionen. Quelle:

„Frauen: No Career in Finance?” – so war der Student Talk an der Goethe Universität in Frankfurt überschrieben. Es gab einige Vorurteile auszuräumen. Die Finanzbranche eine Männerdomäne? Noch, aber nicht nur. Das beste Beispiel dafür ist Mirjam Mohr, Vorstand bei der Baufinanzierungsberatung Interhyp. Führung ist Teilzeit ist ausgeschlossen? Nicht für die 41-Jährige.

Frau Mohr, Sie haben Mathematik studiert. Da sind Sie sicher eine Frau unter vielen Männern gewesen und haben oft die Frage gestellt bekommen, wie man als Frau so etwas studieren kann, oder?
Ehrlicherweise habe ich von meinen Eltern angefangen bis zu meinen Freunden eher die Frage gehört, wie man überhaupt so etwas studieren kann, unabhängig vom Geschlecht. Aber meine Eltern haben mich immer unterstützt. Ich hatte Mathematik und Physik als Leistungskurse. Es macht mir einfach Spaß, Dinge wirklich zu verstehen. In der Mathematik gibt es ja nur richtig oder falsch.

Sie haben dann fünf Jahre lang im Investmentbanking bei Goldman Sachs gearbeitet. Das Unternehmen gilt als Inbegriff des Kapitalismus. Haben Sie dort gelernt, wie
Machtspiele funktionieren?
Die Unternehmenskultur bei Goldman, die ich wahrgenommen habe, war eine sehr intensive und amerikanische, dazu sehr leistungsorientiert. Man gibt alles für den Kunden.´nDas ist prinzipiell sehr gut, bedeutet für den einzelnen Angestellten aber oft, Überstunden zu machen oder am Wochenende zu arbeiten. Das hat mir damals viel Spaß gemacht und in der Lebensphase war es perfekt.

Wie alt waren Sie damals?
Ich war 26 als ich mit dem MBA fertig wurde. Ich war Single und wollte die Welt kennenlernen, es war toll. Ich habe schon mitbekommen, wie die Unternehmenshierarchie funktioniert und auch wie Politik funktioniert. Was erst mal nichts Negatives ist.

Gab es denn auch mal Momente, in denen es für Sie schwierig war, als Frau zu bestehen? Wo Sie wirklich das Gefühl hatten, Sie müssen gegen Männer kämpfen, mehr leisten als Männer, um ernst genommen zu werden?
Nein, zumindest habe ich nie bewusst eine solche Situation erlebt. Ich habe nie wahrgenommen, dass ich etwas nicht bekomme oder mich nicht durchsetzen kann, weil ich eine Frau bin.

Die Bankbranche ist zumindest in Führungspositionen noch immer sehr männlich dominiert…
Eigentlich unverständlich. Wenn doch mindestens die Hälfte der Absolventen weiblich ist, ist man ja schon aus ökonomischer Sicht nicht schlau, wenn man sich das Potenzial nicht erschließt.

Spielen Sie ein bisschen mit der Rolle als Frau oder nehmen Sie sich da lieber zurück?
Ich nutze das nicht bewusst, aber ich ziehe auch nicht den langweiligsten grauen Anzug an. Ich bin so, wie ich bin. Ich bin eine Frau, ich bin kompetent und ich kann was.


„Ich habe viele Erfahrungen gesammelt“

Wie haben Sie es an die Spitze von Interhyp geschafft?
(lacht) Also an der Spitze bin ich ja nicht ganz.

Aber immerhin im Vorstand…
Ich habe viele Erfahrungen gesammelt – in Deutschland, im Ausland, während meiner Ausbildung bei Goldman Sachs und während meines Studiums. So konnte ich bei Interhyp schon in einer sehr verantwortungsvollen Position einsteigen: Als Führungskraft im Business Development. Danach habe ich verschiedene weitere Führungspositionen übernommen.

Wo liegen Ihre Stärken?
Mir liegt es, mich in neue Themen „reinzufrickeln“. Ich denke das kommt ein Stück von der Mathematik, denn wenn man dort ein Problem hat, versucht man erst die bekannten Teile des Problems wegzuschneiden und am Schluss bleibt immer etwas Neues übrig, was noch nicht gelöst ist. Ich habe im Studium zwar nicht viel Fachliches gelernt, was ich jetzt noch anwenden kann, aber die Methoden helfen mir sehr.

Wie groß war Ihr Team?
Im Business Development hatte ich ein Team von 20 bis 30 Leuten. Heute führe ich eine Vertriebsorganisation mit knapp 700 Menschen an 100 Standorten in ganz Deutschland, was komplex ist und viel Verantwortung für 700 Arbeitsplätze und für viele Kunden bedeutet, die jedes Jahr von uns ihre Baufinanzierungsberatung bekommen wollen.

Sie haben Chancen gesehen und zugegriffen. Es heißt aber auch immer, dass Frauen sich extrem schlecht vermarkten und Männer in Vorstellungsgesprächen selbstbewusster sind. Haben Sie das selbst schon erlebt?
Menschen präsentieren sich ganz unterschiedlich, um sich für eine Führungsrolle zu qualifizieren. Acht von zehn Männern stellen sich tendenziell eher selbstbewusst dar und sagen: Das sind die Sachen, die ich richtig gut kann und ich bin der perfekte Kandidat für den Job. Demgegenüber sind Frauen schon etwas bescheidener. Es ist nicht immer so, aber ich bemerke dieses Muster schon. Ein Tipp könnte schon sein, dass man sich als Frau ruhig hinstellen und sagen kann: Hey, ich kann das!

Mut bei der Bewerbung haben aber anscheinend die wenigsten. Das Managerinbarometer 2016 vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zeigt, dass es kaum eine Frau in Führungspositionen und in Bankvorstände schafft. Da sind Sie anscheinend eine Ausnahme. Der Frauenanteil ist 2016 gerade mal um einen Prozentpunkt auf nur acht Prozent gestiegen.
Ja, das ist wenig. Viele Unternehmen haben sich schon vor Jahren Ziele gesetzt, daran zu arbeiten, auch wenn sich bisher wenig bewegt hat. Es gibt ein paar beeindruckende Führungsfrauen. Bei unserer Schwester, der ING-DiBa, ist Katharina Herrmann eine tolle Frau im Vorstand. Bei der Allianz gibt es bald eine zweite Dame im Vorstand, dann Sabine Lautenschläger als Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank. Aber in der Breite hat sich noch nicht viel getan.


„Ich freue mich, wenn es ohne Quote funktioniert“

In den Aufsichtsräten sitzen immerhin 19 Prozent Frauen, aber viel ist das auch nicht. Und von der Quote von 30 Prozent sind wir weit entfernt… Viele Frauen scheinen im mittleren Bereich kleben zu bleiben.
Die Aufsichtsräte sind in der Tat schon sehr viel weiter. Sie haben es auch ein Stück weit leichter, denn das ist im Gegensatz zum Vorstand kein Vollzeitjob. Das heißt, ich kann eine Frau auch in mehreren Positionen besetzen. Da wird es natürlich leichter sein, diese Quote perspektivisch zu erfüllen. Das ist auch nur quasi die oberste Spitze von allem, da ist weder ein Vorstand betroffen noch irgendeine Managementebene. Ich denke, wenn schon Quote, dann sollte man die ein bisschen übergreifender ansetzen.

Sind Sie denn für eine generelle Quote?
Ich freue mich, wenn es ohne Quote funktioniert.

Glauben Sie denn, dass es funktionieren kann?
Ja, es kann funktionieren. Bei Interhyp setzen wir auf allen Ebenen auf Förderung. Damit es auch mehr Frauen auf den Einstiegspositionen gibt, sodass langfristig auch mehr Möglichkeiten da sind, höhere Positionen mit Frauen zu besetzen.

Aber ist es nicht auch ein Problem, dass Frauen immer noch eine ganz andere Erwerbsbiografie als Männer haben? Männer kriegen keine Kinder, das sind immer noch die Frauen und die sind dann erst mal draußen…
Das Thema ist vielschichtig. Hat eine junge Frau ein Vorbild, das ihr zeigt, dass ein Leben mit einem Job in der Finanzbranche erfüllend ist? Gibt es überhaupt diesen ersten Impuls, dass ich da rein will und etwas in die Richtung studiere, vielleicht mit dem Schwerpunkt Finanzen? Wie werde ich in einem Unternehmen später gefördert, unabhängig vom Geschlecht? Frauen müssen vielleicht etwas intensiver begleitet werden als Männer, etwas positiver bestärkt und ermutigt werden. Natürlich ist das Thema „Familie und Karriere“ sehr wichtig. Und ja, das ist heute noch sehr stark ein Frauenthema in Deutschland. Darauf müssen Unternehmen heute reagieren und auch über Teilzeitmodelle in der Führung nachdenken.

Aber es heißt ganz oft, wenn man ein Kind bekommt, meldet man sich von der Karriereleiter ab…
Auch die neue Sinusstudie zeigt leider, dass die jungen Leute heute denken: Familie und Karriere sind nicht zu vereinbaren. Das finde ich sehr schade, denn ich denke, „Kind und Karriere“ kann funktionieren.

Aber wie?
Wenn Unternehmen flexibel sind und Teilzeitmodelle anbieten. Das muss man dann auch leben: Wenn jemand in Teilzeit freitags nie da ist, mache ich als Führungskraft dann wichtige Termine oder nicht? Wenn jemand um 13 Uhr gehen muss, weil das Kind von der Kita abgeholt werden muss, mache ich dann Nachmittagstermine oder nicht? Wie flexibel ist ein Unternehmen, wie ernst meint es ein Unternehmen? Es sollte auf die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen eingehen. Ich denke, auch Frauen könnten sich dann flexibel zeigen und vielleicht ausnahmsweise einmal doch für ein wichtiges Meeting hereinkommen.


„Frauen sollten lernen, nicht alles persönlich zu nehmen“

Und eine Führungskraft in Teilzeit, kann das funktionieren?
Wir haben bei Interhyp circa 100 Führungskräfte. Davon sind ungefähr 30 Frauen und sieben davon sind Teilzeitmanagerinnen, die Teams von acht bis 15 Menschen führen, teilweise auch Standorte leiten.

Weil die Teilzeit-Mami dank moderner Technologien und Kommunikationsformen im Notfall auch zu erreichen ist?
Genau das ist die Flexibilität, die ich meine. Ist das Unternehmen flexibel und die Mitarbeiterin auch, dann kann das super klappen. Wir haben zum Beispiel bei uns im Seniormanagement, das ist die Ebene, die an den Vorstand berichtet, zwei Kolleginnen in Teilzeit, beide Mütter. Klar ist es auch ein organisatorisches Thema. Es wäre übertrieben zu sagen, dass als Managerin in Teilzeit alles ganz einfach ist, aber es funktioniert.

Viele Unternehmen schreiben sich Frauenförderung auf die Fahne, aber viel passiert scheinbar nicht…
Ich möchte es neutral formulieren: Frauenförderung darf nicht um der Mode Willen passieren. Förderung funktioniert nur, wenn jede Frau spürt, dass das Thema ernstgenommen wird. Unsere Philosophie ist daher nicht die reine Förderung von Frauen, sondern in der Personalentwicklung fördern wir jeden individuell. Es gibt bei uns daher keine speziellen Frauenprogramme.

Warum?
Bei Interhyp arbeiten 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer. Als Vorstand habe ich die Verantwortung, 100 Prozent meiner Mitarbeiter weiterzuentwickeln und es wäre fatal, wenn ich die Hälfte der Mitarbeiterschaft vernachlässigen würde und mich nicht dafür einsetzen würde, dass ich gut ausgebildete Kolleginnen möglichst lange bei Interhyp beschäftige. Das ist ökonomisch sinnvoll und wichtig. Wir wollen nicht krampfhaft Frauen befördern, sondern wir wachsen schnell und brauchen gute Führungskräfte. Wenn ich aber die Hälfte der Mitarbeiter einfach durch fehlende Rahmenbedingungen ausklammere, dann mache ich einen Fehler.

Führen Frauen anders als Männer?
Vielleicht schon. Es gibt einige Studien, die Empathie eher Frauen zusprechen. Also: Wie einfühlsam bin ich, horche ich wirklich auf meine Mitarbeiter, versuche ich wirklich zu verstehen, was sie bewegt, wie bin ich im Team, wie kooperationsfähig bin ich? Eine Frau tauscht sich eher zunächst über Inhalte aus, anstatt erst mal die Rangfolgen zu klären und dann über die Inhalte zu sprechen.

In welchen Situationen fällt Ihnen besonders auf, dass Männer anders ticken?
Wenn ich Männer streiten sehe. Dann fetzen die sich so sehr, dass man denkt, die reden nie wieder miteinander. Dann verlassen sie den Konferenzraum und einer fragt den anderen: „Mensch, heute Abend noch ein Bier?“ Da könnten manche Frauen sicher etwas lernen, nämlich nicht alles zu ernst zu nehmen, nicht alles persönlich zu nehmen. Es gibt schon Unterschiede zwischen Männern und Frauen, daher denke ich, ein gemischtes Team ist am besten.


„Das Wichtigste ist ein Unternehmen, dessen Kultur einem gut tut“

Männer dürfen Härte zeigen. Aber wenn Frauen sich mal durchsetzen in der Führungsposition und in einer Konferenz mit der Faust auf den Tisch hauen, dann heißt es schnell sie seien bossy, zickig und unweiblich. Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?
Ich habe das schon erlebt. Das liegt immer noch an den herkömmlichen Rollenerwartungen. Das fängt im Kindergarten an: für die Mädchen rosa, für die Jungs hellblau, für die Mädchen die Puppe, für den Jungen den Ritter. Solange wir das nicht durchbrechen und jeden Menschen individuell wahrnehmen und fördern, wird sich die Situation so schnell nicht ändern.

Was raten Sie jungen Frauen, die sich für die Finanzbranche interessieren?
Das Wichtigste ist sicher, sich ein Unternehmen zu suchen, dessen Kultur einem gut tut, wo man gut wachsen kann, wo die Menschen so sind, dass man gerne mit ihnen arbeitet, wo der Umgang so ist, dass man sich wohlfühlt. Ich würde empfehlen, sich das Unternehmen vorher anzuschauen, ein Praktikum dort zu machen oder einen Probearbeitstag.

Dafür profitiert ja auch das Unternehmen…
Es ist auch für ein Unternehmen eine wichtige Entscheidung, wen es einstellt. Aber fürden Berufsanfänger selbst ist es noch wichtiger, denn mit dem ersten Job legt man eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung. Bewerber sollten zudem Fragen stellen, beispielsweise ob es Entwicklungsprogramme, Mentoringprogramme oder Teilzeitmöglichkeiten gibt. Heutzutage ist es völlig legitim, solche Dinge bereits im Vorstellungsgespräch zu fragen.
Frau Mohr, danke für das Interview.

Mirjam Mohr (41) ist seit 2010 Vorstandsmitglied des Kreditvermittlersund Baufinanzierers Interhyp AG. Nach ihrem Studium der Mathematik absolvierte sie ein internationales MBA-Programm der Bocconi-Universität in Mailand und begann 2000 ihre Karriere im Investment Banking bei Goldman Sachs in Frankfurt. Bei Interhyp ist sie seit 2008. Im Bereich Privatkunden verantwortet Mohr derzeit 97 Standorte in Deutschland.

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