Frauen und Karriere Warum weibliche Führungskräfte den Firmenwert steigern

Top-Managerinnen genießen in Deutschland noch immer Seltenheitswert. Andere Länder haben überholte Rollenklischees längst aufgegeben – aus gutem Grund. Weibliche Führungskräfte steigern den Firmenwert. Ein Blick in die Chefetagen von WirtschaftsWoche-Reporterin Cornelia Schmergal.

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Brigitte Hirl-Höfer Quelle: Robert Brembeck für WirtschaftsWoche

Wer hier oben sitzt, der hat es verdammt weit gebracht. Oder vielleicht sollte man schon an dieser Stelle schreiben: Die hat es verdammt weit gebracht. Hierher nämlich, wo ein weicher Teppich jeden Schritt dämpft, wo der Blick über das Berliner Regierungsviertel schweift und eine Seitentür dezent in das Sitzungszimmer nebenan führt. Vorzimmerdamen, Designklassiker, das Handy griffbereit, ein typisch deutsches Vorstandsbüro eben. Nur dass hinter diesem Schreibtisch eine Frau sitzt. Und das wiederum ist ganz und gar nicht typisch.

Im 24. Stock des Bahntowers liegt das Büro von Margret Suckale, Personal-Vorstand der DB Mobility Logistics. Was bemüht anglizistisch klingt, ist der neue Name für jenen Teil der Bahn, der bei einem Börsengang privatisiert werden soll.

Und genau hier liegt das Problem. Das Frauen-Problem. Über Monate war Margret Suckale immer die einzige. Sie war die einzige Vorstandsfrau in den 100 größten Unternehmen Deutschlands. Die einzige Frau im Top-Management des Mutterkonzerns, der Deutschen Bahn (DB). Die einzige Frau, der man zutraute, sich mit Bahn-Chef Hartmut Mehdorn anzulegen. Die einzige Frau, die auch nach nächtlichen Tarifverhandlungen im gestärkten Blusenkragen und knitterfreien Hosenanzug vor die Kameras trat.

Allerdings war sie dann auch die einzige, die Hartmut Mehdorn im Konzernvorstand opferte, um sein Lieblingsprojekt durchzusetzen: den Börsengang. Als neuen Personalvorstand des Konzerns berief Mehdorn Norbert Hansen, den Chef der Eisenbahnergewerkschaft Transnet – und einen wichtigen Vertrauten beim Kampf um den Börsengang. Unter Männern wird so etwas belohnt. Margret Suckale ist seither Personalvorstand des neuen Tochterunternehmens. Ein Abstieg, schreiben die Zeitungen. Für sie persönlich „die spannendere Aufgabe im Konzernvorstand“. Ihr Büro im 24. Stock hat sie behalten. Genau ein Stockwerk tiefer packt inzwischen ihr Nachfolger seine Kartons aus. Der Konzernvorstand ist nun wieder rein männlich.

Willkommen in der Macho-AG. In Sachen weibliches Top-Management ist Deutschland ein Entwicklungsland.

Gerade mal ein Prozent aller Vorstandsposten der 200 größten deutschen Unternehmen ist mit einer Frau besetzt, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im vergangenen Jahr herausgefunden hat. Das DIW will die Studie jetzt aktualisieren. Erste Erkenntnis: Die Männerwirtschaft nimmt sogar noch zu. Unter » den Vorständen der börsennotierten Dax-30-Unternehmen findet sich nur noch eine einzige Frau: Bettina von Oestereich, die bei der Hypo Real Estate Gruppe das Risiko-Management verantwortet. Das deutsche Top-Management? Ungefähr „so frauenfreundlich wie Saudi-Arabien“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ jüngst.

Deutschland mag sich zwar langsam daran gewöhnen, von einer Frau regiert zu werden – solange sie keine tief dekolletierten Kleider trägt. Aber inzwischen ist die Hoffnung verpufft, auch die Wirtschaft würde nun weiblicher werden. Bis die erste Frau Vorstandsvorsitzende inthronisiert wird, könnten noch Jahre vergehen.

"Women matter" - Chefetagen bleiben trotzdem Männersache

Chefetagen bleiben Männersache. Insgesamt besetzen Frauen in Deutschland nur 26,5 Prozent der Führungspositionen – und liegen damit nach Eurostat-Angaben noch hinter Griechenland und Zypern. Deutschland verspielt damit Milliarden Euro.

Denn Unternehmen, in denen auch Frauen das Sagen haben, wachsen stärker als ihre Konkurrenten. Die Unternehmensberatung McKinsey etwa hat herausgefunden, dass jene Konzerne, die mehr als zwei Frauen in ihre Führung berufen, höhere Gewinne und Aktienkurssteigerungen erzielen als ihre Konkurrenz. Es müsse ein „echtes Unternehmensziel“ sein, Frauen wie Männer in die Chefetagen zu bringen, heißt es in der Studie „Women matter“. Anderenfalls verzichte die Wirtschaft auf eine Hälfte des Genpools und deren Kreativität.

Beim Vitamin F geht es nicht etwa darum, dass Frauen die besseren Managerinnen seien. Die Wahrheit ist komplexer: Vielfalt nutzt Unternehmen, während geschlechtliche Einfalt schadet. Reine Männerwirtschaft, wie sie in Deutschland praktiziert wird, lässt die Motivation der Mitarbeiter genauso sinken wie die Produktivität. Auch die London School of Economics hat analysiert, dass Unternehmen innovativer sind, wenn in ihrer Führung ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern herrscht.

Es gibt viele Gründe, auf mehr Frauen im Top-Management zu setzen. Unternehmensberater verweisen darauf, dass Frauen ohnehin 70 Prozent aller Kaufentscheidungen beeinflussen. Die Deutsche Bank hat analysiert, dass Frauen einfach geeigneter für Projektarbeit seien, die Arbeitsform der Zukunft. Und schließlich steigt auch die gesellschaftliche Anerkennung eines Unternehmens, wenn es die weibliche Hälfte der Menschheit nicht ignoriert.

In den USA machte schon vor Jahren eine Studie der Frauenorganisation Catalyst Schlagzeilen. Bei einem Vergleich der „Fortune“-500-Firmen erzielten all jene, die Frauen in ihre Vorstände berufen hatten, eine höhere Eigenkapitalrendite – im Schnitt gleich 35 Prozent mehr als die Konkurrenz. So haben sich amerikanische Aktionäre längst daran gewöhnt, dass mehrere Top-Konzerne von Frauen geführt werden.

Pepsi, Kraft Foods, Xerox – allesamt in Frauenhand. Und auch beim britisch-niederländischen Ölkonzern Royal Dutch Shell könnte erstmals eine Frau an die Spitze des Unternehmens rücken, das auf Rang drei der umsatzstärksten Konzerne der Welt steht. Linda Cook, Chefin der Erdgas- und Energiesparte, gilt als eine der Favoriten für die Nachfolge von Konzernchef Jeroen van der Veer.

An Qualität mangelt es nicht

In Deutschland allerdings, wo Frauen noch bis 1977 ohne Einwilligung ihres Ehemannes keinen Job antreten durften, wird nur langsam umgedacht.

Fast alle Konzerne arbeiten an sogenannten „Diversity-Programmen“. Daimler etwa will ihren Frauenanteil in den Führungsebenen, der derzeit um zehn Prozent dümpelt, um einen Prozentpunkt pro Jahr steigern. IBM Deutschland hat die Frauenförderung gar in die Zielvereinbarung für Manager geschrieben. Wenn die Quote nicht stimmt, schrumpft auch der Bonus.

Geholfen hat das wenig. Vorstände sind Männerrunden geblieben. Auch die Aufsichtsräte der 200 größten deutschen Unternehmen sind nur zu 7,8 Prozent mit Frauen besetzt – und meistens handelt es sich um die Sitze der Arbeitnehmerseite. Die Regierungskommission Corporate Governance Kodex will das Frauenthema nun aufgreifen. Wenigstens hier gibt es ein Revolutiönchen: Seit dem Sommer gehört zu dem Expertendutzend erstmals auch eine Frau.

Anfang Juli hat Commerzbank-ChefaufseherKlaus-Peter Müller den Vorsitz in der Kommission von Gerhard Cromme übernommen. Im kleinen Kreis soll er bereits erklärt haben, das Frauenthema zu befördern. In seiner Abschiedsrede forderte denn auch Cromme, das „Randgruppendasein“ von Frauen in den Aufsichtsräten zu beenden. Während seiner Amtszeit indes hatte sich Cromme als waschechter Macho geoutet. Noch im Oktober hatte er gestandene Managerinnen und Ministerinnen als Gastredner bei einem Damen-Dinner des Deutschen Juristinnenbundes belehrt, dass ein Aufsichtsrat „kein Kaffeekränzchen“ sei.

Die Spitzenverbände der Wirtschaft arbeiten nun mit der Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes, Martina Köppen, an einem Bündnis für mehr Diversität. Ziel könne es sein, den Corporate Governance Kodex um die „nachhaltige und wertebasierte Unternehmensführung“ zu erweitern, heißt es in einem Papier. Und dazu gehört auch die Förderung von Frauen.

An weiblicher Qualität mangelt es nicht. Der Juristinnenbund hat eine Liste mit mehr als 450 Frauen erstellt, die für Top-Positionen geeignet wären. Als Aufruf. Bisher nämlich scheitern Frauen an männlichen Netzwerken. Wenn Aufsichtsräte nach neuen Vorständen fahnden, dann sprechen sie Top-Manager in anderen Unternehmen an. Weil in deutschen Vorständen aber nur Männer sitzen und ausländische Kandidaten oft chancenlos sind, konzentriert sich die Shortlist auf das Kartell der Männer.

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