
In schwierigem Umfeld hat die deutsche Wirtschaft im laufenden Quartal nach Einschätzung der Bundesbank etwas Wachstum erzielt. „Im Frühjahr 2022 dürfte die deutsche Wirtschaft leicht zulegen“, bekräftigte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht Juni, der am Montag veröffentlicht wurde.
Während der weitgehende Wegfall der Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie für Aufwind zum Beispiel im Gastgewerbe sorgte, bremste die hohe Inflation die Kauflust vieler Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Industrie machen weiterhin Lieferengpässe und Materialknappheit zu schaffen, dazu kommen steigende Kosten zum Beispiel für Energie.
„Die Industrie konnte im April zwar einen kleinen Teil der im März erlittenen Produktionseinbußen wieder aufholen“, resümierten die Volkswirte der Bundesbank. „Dennoch ist insgesamt nicht damit zu rechnen, dass von der Industrie ein nennenswerter Wachstumsbeitrag ausgeht.“
Im Gesamtjahr 2022 werden die Folgen des Ukraine-Krieges der bereits am 10. Juni veröffentlichten Konjunkturprognose der Bundesbank zufolge das Wirtschaftswachstum in Deutschland bremsen und die Teuerung in die Höhe treiben. Mit 1,9 Prozent Wachstum dürfte sich die wirtschaftliche Erholung nach dem Corona-Tief zwar fortsetzen.
Im Dezember war die Notenbank jedoch noch davon ausgegangen, dass das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 um 4,2 Prozent zulegen würde. Für 2023 erwarten die Bundesbank-Ökonomen statt 3,2 Prozent Wirtschaftswachstum nur noch ein Plus von 2,4 Prozent.
Länder sollten EU-Schuldenregel wieder einhalten
In ihrem Monatsbericht sprach sich die deutsche Zentralbank zudem gegen eine weitere Aussetzung der europäischen Schuldenregeln im kommenden Jahr aus. Zwar sei die Unsicherheit über die weitere Entwicklung hoch, schrieb die Notenbank. Die EU-Kommission gehe aber wie andere Institutionen davon aus, dass sich die Wirtschaft in der Europäischen Union erhole. „Deshalb überzeugt nicht, dass die Generalausnahme der europäischen Fiskalregeln bis 2023 verlängert wurde“, hieß es im Bericht.
Die Verlängerung schaffe Spielraum für zusätzliche schuldenfinanzierte Fiskalprogramme, „die aus heutiger Sicht nicht angezeigt erscheinen“, kritisierte die Bundesbank. Die fiskalische Lage sei in einigen Mitgliedstaaten fragil. In diesem Umfeld seien glaubwürdige Fiskalregeln wichtiger denn je.
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Zuletzt waren die Kapitalmarktzinsen in südeuropäischen Ländern besonders deutlich gestiegen. Das heißt: Für Länder wie Italien wird es teurer, sich am Markt frisches Geld zu besorgen, weil sie Investoren wieder höhere Zinsen bieten müssen. Das könnte für diese Staaten angesichts gewaltiger Schuldenberge zum Problem werden.
Die EU-Kommission hat vorgeschlagen, den Stabilitäts- und Wachstumspakt erst 2024 wieder vollständig in Kraft zu setzen und auf die Unsicherheit wegen des Kriegs in der Ukraine, die Energiepreise und Engpässe bei den Lieferketten verwiesen. Die Schulden- und Defizitregeln waren während der Corona-Krise ausgesetzt worden und sollten eigentlich ab 2023 wieder gelten.
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU sieht vor, dass Länder nicht mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung an Schulden aufnehmen. Haushaltsdefizite sollen bei drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gedeckelt werden.