Konjunktur DIW: Aufschwung im Frühsommer – Deutschland kann Abhängigkeit von russischem Gas bis 2030 senken

Die deutsche Wirtschaftsleistung wird den Forschern zufolge 2022 um drei Prozent wachsen. Doch sie sehen mehrere Risikofaktoren.

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Ab dem Frühsommer wird die deutsche Konjunktur laut DIW anziehen. Quelle: dpa

Das DIW-Institut rechnet ab dem Frühsommer mit einem Aufschwung in Deutschland. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr um 3,0 und 2023 dann um 2,9 Prozent wachsen, geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Prognosen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. 2021 hatte es zu einem Plus von 2,8 Prozent gereicht.

„Die Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft nach wie vor im Griff“, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. „Vorschnell das Ende der Pandemie zu erklären wäre falsch – nichtsdestotrotz wird sich die wirtschaftliche Lage Richtung Frühsommer wohl deutlich verbessern.“

Die Auftragsbücher vieler Unternehmen seien voll. „Wie stehen schon in den Startlöchern und warten nur darauf, mehr produzieren zu können, wenn entsprechende Lieferketten wieder intakt sind“, sagte Fratzscher.

Ein Selbstläufer sei das aber angesichts zahlreicher Risiken nicht: „So stellt vor allem der Russland-Ukraine-Konflikt eine Gefahr dar“, hieß es. Zudem drohe von Chinas Immobiliensektor eine größere Finanzkrise auszugehen. Auch könne die Corona-Pandemie neue Kapriolen schlagen.

Eine sichere Bank sehen die Forscher im deutschen Arbeitsmarkt. „Die aktuellen wirtschaftlichen Einschränkungen beeinträchtigen den Arbeitsmarkt hierzulande kaum“, sagte DIW-Konjunkturexperte Simon Junker. Die Zahl der Erwerbstätigen soll in diesem Jahr um voraussichtlich 370.000 steigen, 2023 dann um weitere 280.000. Damit wäre das Vorpandemieniveau dann Ende 2022 wieder erreicht.

Keine rasche Entwarnung gibt das DIW in Sachen Inflation. Die Verbraucherpreise könnten in diesem Jahr mit durchschnittlich 3,8 Prozent sogar noch stärker steigen als 2021 mit 3,1 Prozent. Für das kommende Jahr wird dann mit einer Normalisierung gerechnet: Dann soll die Teuerungsrate mit 1,5 Prozent deutlich unter der von der Europäischen Zentralbank (EZB) angestrebten Zwei-Prozent-Marke liegen.

DIW: Abhängigkeit von russischem Gas stark senken

Seine Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen kann Deutschland in den kommenden Jahren dem DIW zufolge massiv senken. „Wenn es in Deutschland gelingt, den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 Prozent zu erhöhen, kann die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen deutlich vermindert werden“, sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. „Dies ist machbar, erfordert aber ein noch schnelleres Vorgehen.“

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromeinspeisung lag im Sommer 2021 dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 43,1 Prozent. Deutschland importiert mehr als die Hälfte seines Gases per Pipeline aus Russland.

Zum einen müsse die Industrie nun schnellstmöglich dekarbonisiert werden – über eine Verbesserung der Energieeffizienz und den Einsatz von alternativen Energien anstelle Öl und Gas. Zudem müssten Gebäude noch viel schneller energetisch saniert werden. „Die Regierung sollte hier gezielte Wirtschaftshilfen voranbringen, um Gebäude schneller zu sanieren und die Industrie zu dekarbonisieren“, sagte Kemfert.

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Steigende Öl und Gaspreise stellten eine erhebliche wirtschaftliche Belastung dar, könnten aber auch ein Treiber für die Energiewende sein. Nur durch den konsequenten Ausbau der Erneuerbaren, Sparen und forcierte Effizienzmaßnahmen im Industriebereich werde es gelingen, die Kosten zu dämmen. „Erneuerbare Energien wirken preissenkend“, sagte Kemfert. „Investitionen in die Energiewende mit mehr erneuerbaren Energien, mehr Elektromobilität auf Straße und Schiene, bessere Gebäudesanierung und eine dekarbonisierte Industrie schaffen enorme wirtschaftliche Chancen, Wertschöpfung und Arbeitsplätze.“

Die Eskalation in der Ukraine-Krise hat den Ölpreis zuletzt deutlich steigen lassen. Er kletterte angetrieben von der Furcht vor Engpässen am Rohölmarkt bis knapp unter die Marke von 100 Dollar pro Barrel und damit auf den höchsten Stand seit 2014.

„Die Preise für fossile Energien werden weiter steigen - und damit die Energiekosten“, sagte Kemfert. „Erneuerbare Energien wirken preissenkend, auch die Investitionen in das Energiesparen senken die Kosten.“

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