Konjunktur Die Gründe für das türkische Superwachstum

Seite 3/3

Schwache Lira

Wegen der immer noch instabilen politischen Situation im Land haben Anleger ihre Investments in dem Land eher zurückgefahren. Selbst Türkinnen und Türken legen ihr Geld teilweise lieber in Euro oder Dollar an, wenn sie die Möglichkeiten dazu besitzen. Die Folge: Die türkische Lira verliert an Wert im Vergleich zu den anderen Währungen. Kein Wunder, dass Staatschef Erdogan häufig von seinen Landsleuten fordert, ihr Geld in Lira anzulegen und heimische Produkte einzukaufen.

Normalerweise würde in der Türkei ebenfalls die Zentralbank in Ankara eingreifen, damit die Lira wieder attraktiver wird. Dazu müsste sie die Leitzinsen anheben. Das würde bedeuten, dass Lira-Anleger eine höhere Verzinsung erwarten dürften. Die Währung würde attraktiver, der Preisanstieg gleichzeitig gedämpft werden.

Die große Gefahr besteht darin, dass Konsumenten und Investoren weniger einkaufen und weniger investieren, die Preise aber dennoch weiter ansteigen. Dann würde das Wirtschaftswachstum mit einem Mal abgewürgt, und die Türkische Lira würde komplett aus den Fugen geraten.

An diesem Donnerstag wird die türkische Notenbank TCMB ihre nächsten Schritte bekanntgeben. Während die Märkte eine Zinserhöhung um bis zu drei Prozentpunkte herbeisehnen, versuchte Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci am Montag die Erwartungen zu senken. Es gebe Leute, die zu einer solchen Erhöhung raten würden, erklärte Zeybekci in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender TRT Haber. „Ich glaube nicht, dass die gute Absichten haben“, sagte Zeybekci.

Offiziell ist die Notenbank unabhängig und soll abseits des politischen Tagesgeschäfts für stabile Preise sorgen. In der Türkei verfolgen die Währungshüter unter Zentralbankchef Cetinkaya ein Inflationsziel von fünf Prozent. Um das zu erreichen, müsste er die Leitzinsen massiv anheben.

Doch Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sich selbst als „Feind von Zinsen“ bezeichnet und die Notenbank für ihre seiner Meinung nach immer noch zu strikte Geldpolitik mehrfach scharf attackiert. Er will, dass die Leitzinsen niedrig bleiben. Das wäre zwar Gift für Anleger und Konsumenten, aber gut für das Investitionsklima im Land. Mit niedrigen Zinsen, etwa für Kredite, sind Unternehmer bereit, ihr Geschäft zu expandieren oder ein neues aufzubauen.

Erdogans Beraterin Karahan meint, die Zufriedenheit unter den Akteuren in der türkischen Wirtschaft habe zugenommen. Die Unsicherheiten hätten im Gegenzug abgenommen. „Investitionen werden zurückkommen“, ist sie sich sicher. Gleichzeitig machte sie klar, dass eine strikte Geldpolitik zwar weiter nötig sei. Aber die Zentralbank habe die Zinsen in diesem Jahr ja auch bereits um vier Prozentpunkte angehoben. Möglich also, dass die Währungshüter am Donnerstag von härteren Maßnahmen absehen und nur eine kleine Zinserhöhung als Signal an die Märkte senden.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%