Krise der Energiekonzerne Versorger müssen kleinere Brötchen backen

Zu Hause rote Zahlen, im Ausland hohe Risiken: Deutschlands Versorger suchen angesichts der Energiewende händeringend nach neuen Geschäftsideen. Kleine Brötchen backen ist angesagt - und teure Wolkenkratzer verkaufen.

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Konventionelle Kraftwerke: Das langjährige Kerngeschäft der Versorger bringt kaum noch Geld. Quelle: dpa

Essen/Düsseldorf Der stolze Glasturm von RWE mitten in der Stadt ist mit 127 Metern Essens spektakulärstes Hochhaus. Bei Bodennebel fühle man sich in den Büros wie auf Wolken, berichten Mitarbeiter. Doch der Höhenflug des Konzerns und der gesamten Branche ist seit der Energiewende brutal gestoppt. Die großen Versorger verdienen mit ihrem langjährigen Kerngeschäft - der Stromerzeugung aus fossilen Energien - kaum noch Geld. RWE steht aktuell sogar vor dem Verkauf seiner Zentrale und wird künftig wohl nur noch Mieter im eigenen Haus sein. Der Konkurrenz geht es kaum besser.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat das Geschäftsmodell der vier deutschen Schwergewichte Eon, RWE, EnBW und Vattenfall so heftig durcheinandergeschüttelt, wie es kaum jemand erwartet hatte. Rund ein Viertel des Stroms wird hierzulande inzwischen mit Wind, Sonne und Biomasse erzeugt, ohne dass konventionelle Kraftwerke im selben Takt vom Markt gingen. Das sich daraus ergebende Überangebot ließ die Börsenpreise abstürzen. Besserung ist vorerst nicht in Sicht, wie die in diesen Tagen vorgelegten Halbjahreszahlen der vier Großen zeigen.

62 Prozent Rückgang beim Nettoergebnis meldete RWE am Donnerstag. Die Essener wollen mit der sehr lukrativen Öltochter Dea einen Teil ihres Tafelsilbers verkaufen. 20 Prozent Gewinnminus sind es beim Marktführer Eon. Auch hier werden erfolgreiche Tochtergesellschaften verkauft. Beide Konzerne haben um die 30 Milliarden Euro Schulden.

Die deutsche Nummer drei, EnBW, ist durch Abschreibungen auf ihre Kraftwerke tief in die roten Zahlen gerutscht. Dasselbe gilt für Vattenfall im zweiten Quartal. Die Schweden ächzen unter hohen Rückstellungen für den Kernkraftwerks-Rückbau in Deutschland - eine Mammutaufgabe der ganzen Branche. Ob die Rückstellungen der Konzerne dafür reichen, wird von manchen Experten durchaus bezweifelt.

Die Versorger müssen ganz neu anfangen - und gehen einen steinigen Weg. Zwar stecken sie einen Großteil ihrer viel knapper gewordenen Investitionsmittel nun in erneuerbare Energien, vor allem Windparks. Doch das Geschäft läuft nur zäh an. Und speziell RWE werfen Kritiker vor, viel zu spät zu den regenerativen Trägern gekommen zu sein.


Ausweichen ins Ausland löst die Probleme nicht

Offshore-Windparks sind zudem so kapitalintensiv, dass oft auch die Großen sie nicht mehr allein stemmen können. Wenn die Versorger nur noch kleinere Anteile in Form von Joint Ventures übernehmen oder ihre Engagements nach dem Bau der teuren Anlagen gleich weiterverkaufen, bleibt aber natürlich auch deutlich weniger Gewinn bei ihnen hängen.

Alle Versorger propagieren derzeit in Hochglanzbroschüren alternative Geschäftsmodelle etwa als „Energiedienstleister“. Doch bei der Stromspar-Beratung von Mittelständlern oder Häuslebauern, beim Einbau von Blockheizkraftwerken oder „Smart-Meter“-Verbrauchssteueranlagen sind die Märkte bereits hart umkämpft. Die Großkonzerne stünden dabei in Konkurrenz mit wendigen Kleinunternehmen und seien auf den Märkten nur einer unter vielen Akteuren, warnten Experten in einer vor kurzem veröffentlichten Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Das Ausweichen in wachstumsstarke Märkte außerhalb der EU macht auch nicht immer glücklich, wie das Beispiel Eon zeigt. Erst mussten die Düsseldorfer viele Millionen in Brasilien nachschießen, weil sich ihr dortiger Geschäftspartner finanziell verhoben hatte. Jetzt kommen auch noch Sorgen um ihren zentralen Auslandspartner Russland wegen der Ukraine-Krise dazu.

Die wirklich zündende Idee scheint zu fehlen - umso lauter ertönt der Ruf nach Hilfe vom Staat. Eine Entlohnung für das Bereithalten von konventionellen Kraftwerken müsse kommen, fordert die Branche - assistiert von der Gewerkschaft Verdi, die um tausende Jobs bangt. Schließlich schwanke die Erzeugung bei Wind und Sonne.

Ein entsprechender „Kapazitätsmarkt“ sei gar nicht so teuer für die Verbraucher, meinte RWE-Chef Peter Terium am Donnerstag. Er könnte - selbst wenn der politische Wille dazu besteht - aber voraussichtlich erst ab 2016 kommen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) fasst das Thema angesichts drohender Strompreiserhöhungen nur mit spitzen Fingern an. „Das ist ein Verliererthema“, sagt ein Branchenkenner, „das kommt frühestens nach der nächsten Bundestagswahl.“

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