Lebensversicherung Ende des Garantiezinses birgt neue Probleme

Die lebenslange Zinsgarantie gilt als ein Verkaufsargument für klassische Lebensversicherungen. Das Finanzministerium will künftig keine Vorgaben mehr machen. Branchenexperten sind besorgt.

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„Es ist ein Missverständnis, dass Solvency II alle Risiken dauerhaft ausschließt.“ Quelle: dpa

Frankfurt Die einflussreiche Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) hat vor der geplanten Abschaffung des Garantiezinses bei klassischen Lebensversicherungen 2016 gewarnt. DAV-Vorsitzender Wilhelm Schneemeier fürchtet, dass Versicherer ohne verbindliche Vorgaben des Bundesfinanzministeriums bei steigenden Zinsen wieder Produkte mit lebenslangen Garantieversprechen anbieten, die sich als zu hoch erweisen. „Wenn dann nach einer Phase steigender Zinsen wieder ein Einbruch erfolgt, sind wir wieder da, wo wir jetzt sind“, sagte Schneemeier der Deutschen Presse-Agentur

Die Höhe des Garantiezinses, mit dem Kunden sicher rechnen können, wird bisher vom Bundesfinanzministerium auf Empfehlung der DAV-Versicherungsmathematiker und der Finanzaufsicht Bafin festlegt. Ab 2016 will das Ministerium den Assekuranzen keine Vorgaben mehr machen. Hintergrund sind die europaweit einheitlichen strengeren Eigenkapitalvorschriften (Solvency II) für Versicherungen. Der bisherige Höchstrechnungszins - auch Garantiezins genannt - werde für die Zwecke der Aufsicht nicht mehr benötigt, heißt es im Finanzministerium. Die Versicherer könnten aber weiterhin Garantieversprechen abgeben.

„Es ist ein Missverständnis, dass Solvency II alle Risiken dauerhaft ausschließt. Solvency II ist eine Ergänzung des bestehenden Aufsichtssystems, allein reicht es aber nicht“, sagte Schneemeier. Der Höchstrechnungszins soll bisher sicherstellen, dass sich die Versicherer bei ihren langfristigen Versprechen an die Kunden bei klassischen Produkten nicht übernehmen. Sie dürften weniger bieten, aber nicht mehr.

Schneemeier räumt ein, dass die Aktuare nach den Erfahrungen der letzten Jahre künftig vorsichtiger bei ihren Empfehlungen sein würden. „Eine lebenslange Garantie von vier Prozent würden wir heute nicht mehr aussprechen. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass Garantien der Markenkern des Altersvorsorgeklassikers bleiben.“ Es sei daher wichtig, auch künftig Produkte anzubieten, die eine lebenslange Rentengarantie haben.

Den Lebensversicherern fällt es angesichts der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt zunehmend schwer, die hohen Zinsversprechen aus Altverträgen von bis zu 4 Prozent zu erwirtschaften. Zwar liegt der Garantiezins seit Anfang des Jahres bei 1,25 Prozent. Das gilt jedoch nur für Neuverträge. Zahlreiche Versicherer bieten inzwischen auch Produkte ohne Zinsgarantie an. Andere haben sich aus dem Neugeschäft mit klassischen Lebensversicherungen mit lebenslanger Zinsgarantie verabschiedet.

Die Aktuare schlagen für die Zukunft bei klassischen Lebensversicherungsprodukten in den ersten 15 Jahren einen Höchstrechnungszins vor, der sich am Kapitalmarkt orientiert. In der Zeit danach sollte ein vorsichtigerer Wert festgelegt werden - auf Grundlage volkswirtschaftlicher Erwartungen mit einem Sicherheitsabschlag.

Zugleich spricht sich Schneemeier dafür aus, künftig für moderne kapitalmarktnahe Produkte auf einen Höchstrechnungszins zu verzichten. Dazu gehören unter anderem fondsgebundene Versicherungen mit Garantien, bei denen deren Risiken über den Kapitalmarkt abgedeckt sind.

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