Gastronom Boris Radczun „Steakrestaurants sind kein Trend“

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„Wir schicken niemanden weg“

Sie haben sich dennoch mit Pauly Saal, einer Dependance des Grill, einem asiatischen Restaurant und auch dem Betrieb des Café Einstein unter den Linden weitere Betriebe angelacht. Hätten Sie nicht beim Grill Royal bleiben können?
Doch, natürlich. Wir arbeiten ja auch noch an einem Franchise für Frankfurt und auch international mit dem Le Petit Royal. Wir arbeiten gerne im Team und wir haben junge, gute Leute dafür.

Als Franchisegeber können Sie die Einrichtung, die Küche, die Idee bestimmen und vorgeben. Als Gastronom fehlen sie dann dennoch vor Ort und der Grill Royal lebt, so wirkt es, von Ihnen als Betreiber. Ist das nicht zentral für den Erfolg?
Der Faktor Mensch ist etwas weniger wichtig geworden als vielleicht in der Anfangszeit. Die Gäste haben das Programm so sehr verinnerlicht, dass es auch funktioniert, ohne dass wir ständig da sind. Wir sind ja keine Partyminister, die aufpassen, dass die Gäste gute Laune haben. Es ist nun unserer Ansicht nach der Zeitpunkt gekommen, wo man das allein laufen lassen kann in einer anderen Stadt. Dazu kommt, dass uns viele vielleicht aus Berlin kennen, aber nicht dort wohnen - und wenn sie in Frankfurt sind, dann freuen die sich vielleicht, uns dort zu sehen, die sagen „ich kenne das, ich weiß, wie das geht.“. Die kommen zwar ein paar mal im Jahr zu uns, wenn sie in Berlin sind, aber reisen sonst irgendwo in der Welt herum. Nichtsdestotrotz begleiten und beraten wir die neuen „Franchise“-Läden von Anfang an sehr intensiv – es ist uns wichtig, dass unsere Philosophie auch übernommen wird.

Sie haben im März 2007 den Grill eröffnet. 2009 erschien erstmals die Zeitschrift Beef als Magazin für die neue Fleischeslust. Heute besitzt nahezu jede Stadt ein Grillrestaurant moderner Art mit speziellen Schnitten, einsehbaren Reifeschränken und besonderen Methoden der Zubereitung. Sie waren sehr früh dran, wenn der Grill Royal nicht sogar das erste Restaurant mit großen Reifeschränken in Deutschland war. Aber sehen Sie den Grill überhaupt in dieser Tradition?
Tatsächlich habe ich schon mit 25 gesagt, ich möchte mal ein richtig hochwertiges Steakrestaurant eröffnen. Die Idee ist also noch viel älter. Ich glaube aber gar nicht, dass das ein Trend ist – zumindest nicht wie in der Mode einer, der wieder geht. Bei uns geht es um Produktküche, wo die Zutaten im Mittelpunkt stehen. Es ist ein Trend, der damit zu tun hat, dass die Menschen bewusster entscheiden wollen, was sie auf dem Teller haben. Früher musste ich, wenn ich ein Steak wollte, das gesamte Gericht mitessen. Ich musste seine Sahnesauce essen, wenn es gerade Sahnesauce gab, ich musste Rotkohl essen, wenn der Koch gerade Lust auf Rotkohl hatte. Bei uns ist das egal. Das ist ein Baukastensystem, wo man sich das zusammenstellt, worauf man Lust hat. Das ist eine Art Freiheit im Restaurant.

Dennoch sehen wir in Deutschland ein großes Wachstum an edlen Steakrestaurants.
Ja, aber ich glaube nicht, dass deren Gäste in der Summe mehr Fleisch essen - aber wenn sie es bestellen, dann wollen sie etwas Gutes und verzichten dafür vielleicht auf das häufige, unbewussten Verzehren von Fleisch. Da verschiebt sich was im Gegensatz zur Elterngeneration.

Das Buch über den Grill Royal enthält Texte, aufwändige Fotografie – aber kein einziges Rezept, keinen einzigen Ihrer Klassikers. Warum?
All die Sachen, die wir machen, sind so klassisch, das sie schon oft aufgeschrieben wurden. Da können sie auch in Auguste Escoffiers „Guide Culinaire“ reinschauen oder andere Kochbücher. Wir fokussieren uns ja sehr auf das Produkt. Einen Führer zu den Zutaten, die wir verwenden, den fände ich ja noch ganz spannend. Aber die Zubereitung ist nichts, was man bei uns nachschlagen muss. Die Rezepte der klassischen Küche der Grill Rooms liegen da. Wir wollten auch nicht so tun, als ob wir die Vinaigrette erfunden hätten.

Dennoch haben Sie seit 2016 mit Roel Lintermans einen Küchenchef, der lange Jahre für einen der besten Köche der Welt, Pierre Gagnaire, gearbeitet hat und weiß, wie Drei-Sterne-Küche geht. Ist der dann nicht überqualifiziert?
Sensorisch ist er sicherlich so hochfein, dass er die Sterneküche beherrscht, aber wir sind ein Restaurants mit 300 Couverts am Abend, das erfordert viel Organisation und Kraft. Diese komplexen Strukturen in der Küche sind eine große Herausforderung. Und neben der Grillkarte haben wir auch eine wechselnde Karte, die sehr sehr lokal ist und häufig wechselt. Das ist ein Restaurant im Restaurant. Wir haben Gäste, die kommen dreimal die Woche, die können natürlich dreimal die Hummersuppe essen – aber vielleicht wollen sie was anderes. Da ist Lintermans natürlich extrem stark.

Wenn über den Grill gesprochen und geschrieben wird, dann in der Regel über die gesellschaftlichen Aspekte, nicht über die Küche. Stört Sie das?
Es ärgert mich nicht. Interessant ist, dass die, die seltener da sind, eher die gesellschaftlichen Aspekte betonen, die Gäste, die öfter da waren, die gastronomischen Qualitäten erwähnen. Es geht immer auch um beides.

Auf der Homepage zitieren sie den Restaurantführer Gault Millau und einen Restaurantkritiker, die sich eher nicht so begeistert zeigen. Wieso?
Wir hatten die ersten paar Jahre schon das Gefühl, dass wir kaputt geschrieben werden sollten, weil wir vielleicht aus einer Ecke kamen, in der sich einige nicht eingebunden fühlten. Da gab es sehr viel Gegenwind. Und wir haben uns gefragt, wie wir damit umgehen und fanden das dann auch lustig. Es ging sehr wenig um das Produkt, um den Raum oder was getrunken wird, sondern um Gäste, die beschrieben wurden. Das hat uns schon verletzt.

Berlin. Promis. Hot Spot. Was dennoch in der Presse nicht zu finden ist über den Grill Royal – Skandale, Exzesse. Warum nicht?
Wir sind kein Nachtclub. Es wird bei uns viel Wein getrunken und das ist auch herrlich so. Bei uns geht es aber nicht darum, dass die Gäste auf den Tischen tanzen müssen.

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