Handwerk Der Hutmacher für Hollywood

Hutmanufaktur Mühlbauer aus Wien Quelle: Magdalena Lepka

Seit mehr als 100 Jahren fertigt die Wiener Manufaktur Mühlbauer Hüte für Kunden in aller Welt – auch dank prominenter Träger wie Brad Pitt und Meryl Streep.

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Eines Tages klingelt Klaus Mühlbauers Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldet sich eine Ladenbesitzerin aus Los Angeles. Die Begrüßung spart sie sich, sofort platzt es aus ihr heraus: „Rate mal, wer gerade Hüte von dir gekauft hat?“

Klaus Mühlbauer kommt nicht drauf. Macht aber nichts. Seitdem gehört Brad Pitt zu seinen treuesten Kunden. Rund 40 Hüte bestellt der amerikanische Schauspieler jedes Jahr, das ist die Hauptsache. Denn obwohl der Filmstar ein guter Kunde ist und pünktlich zahlt, weiß Mühlbauer ihn vor allem seiner Werbewirkung wegen zu schätzen: Fotos des Leinwandhelden mit Hut erscheinen regelmäßig in internationalen Mode- und Lifestyle-Magazinen. „Wir freuen uns, dass viele prominente Persönlichkeiten Kunden unseres Hauses sind – und dass wir sie nicht als Testimonials bezahlen müssen“, sagt Mühlbauer. Neben Brad Pitt setzen auch Madonna, Meryl Streep, George Clooney und Yoko Ono auf feines Handwerk made by Mühlbauer.

Seit mehr als 100 Jahren fertigt die Hutmacherdynastie Kopfbedeckungen in Wien. Die Manufaktur hat nicht nur zwei Weltkriege überlebt, sondern auch die modische Krise des Hutes. Auch weil die Familie den Betrieb immer wieder dem Zeitgeist angepasst und sich aufs Wesentliche konzentriert hat. Als der Hut noch täglich auf dem Kopf von Mann und Frau thronte, wuchs das Geschäft. Als sich sein Niedergang andeutete, fuhren die Mühlbauers die Hutmanufaktur auf ein Minimum runter – um im Anschluss wieder ausschließlich auf die Kopfbedeckung zu setzen. Heute füllt das ehemalige Massenprodukt nur noch eine kleine, feine Nische. Weltweit, schätzt Mühlbauer, gibt es vielleicht noch etwa 20 Manufakturen, die so arbeiten wie er.

Symbol der Mächtigen

Im vergangenen Jahr kauften die Deutschen laut einer Statista-Erhebung Hüte und Mützen im Wert von 645 Millionen Euro, 66 Millionen mehr als noch 2015. Auch Mühlbauers Umsätze wachsen wieder leicht, aus mehreren Gründen. Zum einen sind Hüte wieder in Mode – weil sie ihr elitäres Image ablegen konnten, das jahrelang durch royale Hochzeiten und britische Pferderennen geprägt wurde. Genau wie ihre steife Eleganz, die noch aus den Fünfzigerjahren herrührt, als Christian Diors New Look schwingende Reifröcke mit bretthartem Pillbox-Hütchen kombinierte.

Heute trägt Popstar Lady Gaga auf ihrem aktuellen Album-Cover Joanne einen weichen rosafarbenen Filzhut mit riesiger Krempe der US-Designerin Gladys Tamez. Bei den großen Modeketten wie H&M, Mango oder Zara kaufen sich selbst 20-Jährige wieder Hüte, Seemannsmützen und Filzkappen. Und seit 2013 kürt die Gemeinschaft Deutscher Hutfachgeschäfte (GDH) den „Hutträger des Jahres“. In diesem Jahr heißt er Gregor Meyle, ist deutscher Sänger und zeigt, wie man Hut im 21. Jahrhundert kombiniert: mit Jeans, Boots und Kapuzenjacke.

Zum anderen erfüllt Mühlbauer mit seinen handgefertigten Stücken, die er auf Wunsch auch abseits des gängigen Sortiments anfertigt, das Bedürfnis nach dem Besonderen in Zeiten von Massenwaren und globalen Modetrends. „Hutträger sind Individualisten“, sagt Andreas Voigtländer von der GDH. „Seitdem eine Kopfbedeckung nicht mehr zwangsläufig zur Garderobe gehört, tragen ihn vor allem Menschen, die sich durch ein interessantes Accessoire abheben wollen.“

Wie früher: In der Manufaktur wird weitgehend noch so gearbeitet wie zu Zeiten von Julianna Mühlbauer, der Gründerin des Unternehmens. Quelle: Magdalena Lepka

Zur Zeit von Mühlbauers Urgroßmutter Julianna war das noch anders. Als sie 1903 gemeinsam mit ihrem Mann das Unternehmen im Wiener Vorort Floridsdorf gründete, war ein Hut modischer Standard. Entsprechend groß war die Konkurrenz. Und so wuchs, was zu Beginn nicht mehr als ein kleiner Laden mit angeschlossener Werkstatt war, in den folgenden Jahren bescheiden, aber beständig. Erst unter Juliannas ältestem Sohn Robert, der in den Zwanzigerjahren ins Unternehmen einstieg, erfolgte die Expansion im großen Stil. „Mein Großvater hat Mühlbauer zu einem richtigen Namen in Wien gemacht“, sagt Enkel Klaus heute.

Bis die Studentenproteste Ende der Sechzigerjahre nicht nur das Innere der deutschen Gesellschaft erschütterten, sondern auch das Äußere. Der Hut galt als Teil des Establishments und wurde daher von der jüngeren Generation abgelehnt. Das machte sich auch in Österreich bemerkbar. Als Roberts Sohn Heinz das Geschäft übernahm, musste er auf die Veränderungen reagieren. Er produzierte weniger Hüte und baute mit seiner Frau Brigitte einen neuen Geschäftszweig auf: Fortan stand der Name Mühlbauer vor allem für eine Reihe von Modegeschäften.

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