Luxus Wie Markus Scheer Schuhe für 5000 Euro verkauft

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Gestatten, der Fußarzt

Zu den Sehnsuchtsgründen gesellt sich aber noch ein praktischer: „Der europäische Fuß befindet sich in einem miserablen Zustand“, sagt Markus Scheer. Viele seiner Kunden kommen erst zu ihm, wenn es fast schon zu spät ist. Wenn sie aufgrund des falschen Schuhs unter Rücken- oder Gelenkschmerzen leiden. Bei dieser Diagnose passt es gut, dass Scheer, der stets einen weißen Kittel trägt, neben der klassischen Schuhmacherlehre auch eine orthopädische genossen hat. Weil der Mensch typischerweise weniger zu Fuß unterwegs sei als früher und viel Zeit im Sitzen verbringe, sei ein wenig in Vergessenheit geraten, dass der richtige Schuh auch eine wichtige Haltungsfrage sei.

Wie früher: Bei Rudolf Scheer & Söhne gibt es nur ein technisches Hilfswerk: eine mehr als 100 Jahre alte Singer-Nähmaschine. Der Rest wird von Hand und ausschließlich in der Wiener Werkstatt gefertigt. Quelle: Peter Rigaud

Bei der Herstellung seiner Modelle setzt Scheer vor allem auf zwei Faktoren: Handwerk und Zeit. Das beginnt schon mit dem ersten Gespräch. Manchmal dauert es nur 20 Minuten, manchmal aber auch zwei Stunden. Immer findet es im ersten Stock seines Ladens statt – egal, ob es sich beim Kunden um ein gekröntes Haupt handelt oder um Herrn Maier aus Mülheim. Hausbesuche macht Scheer nicht. „Diese Zeit würde mir sonst beim Ausbilden meiner Mitarbeiter fehlen“, sagt er.

Nachdem der Kunde auf einem roten Samtsessel Platz genommen hat, beginnt der knifflige Teil. Denn Scheer ist zwar gekleidet wie ein Arzt und kennt sich aus wie ein Arzt, darf aber auf keinen Fall so wirken wie einer. Der Kauf eines 5000-Euro-Schuhs soll schließlich Spaß machen. Das heißt auch: keine intimen Fragen oder unangenehmen Diagnosen. Nah kommt er seinen Kunden trotzdem. Scheer muss den Fuß in der Hand halten, seine Bedürfnisse und Besonderheiten ertasten. Dabei beobachtet er viel: Wie steht der Kunde, wie läuft er, wie hält er sich? Und dabei plaudert er viel: Reist der Kunde häufig? In welchen Klimazonen hält er sich auf? Wie viel Halt braucht der Fuß?

Das Geschäft Rudolf Scheer & Söhne an der Bräunerstraße 4 in Wien. Quelle: Peter Rigaud

Natürlich wird auch das Design besprochen. Im ehemaligen Schlafzimmer der Großmutter befindet sich das Lederlager. Um die 10.000 verschiedene Sorten gibt es, darunter klassische Materialien wie braunes Kalb, aber auch exotische wie türkisfarbenes Eidechsenleder. Scheer arbeitet mit Gerbern in Italien zusammen. Die Kunden müssen sich an dem orientieren, was gerade da ist. Ausnahmen gibt es im Einzelfall. Zum Beispiel, wenn ein japanischer Stammkunde von einem Paar aus Kauleder träumt. Das heißt so, weil die Gerber während der Herstellung immer mal wieder auf dem Leder kauen, um zu testen, ob es schon die richtige Konsistenz hat.

Nach dem ersten Gespräch folgt das Schnitzen der Leisten, natürlich per Hand, ausschließlich vom Chef. Erst danach wandern die Schuhe weiter in die Werkstatt, in die Obhut seines Teams. 20 Mitarbeiter beschäftigt Scheer aktuell, inklusive eines Manns fürs Marketing und Rosi, der Köchin.

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