Neues Eis Kinderschokolade, gib mir Zucker!

Kinder Ice Cream Quelle: Presse

Ferrero bringt Kinderschokolade als Eiscreme auf den Markt. Ich bitte den Konzern um eines: Gebt mir Zucker, gebt mir Fett! Der Spagat aus bewusster Ernährung und Lebensfreude ist gescheitert.

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Kindheitserinnerungen sind das schönste, das man durchs Leben tragen kann. Das Eis am Stiel auswickeln, das die Eltern am Wochenende haben springen lassen oder das man sich vom Taschengeld gegönnt hat: ein burschikoser Akt der Vorfreude. Danach: Pralle Farben am Fuße des "Dolomiti", die Glückseligkeit, wenn die Zunge auf den noch süßeren Karamellkern im "Braunen Bären" stieß.

Das verschwiegene Unternehmen Ferrero hat nun angekündigt, eines ihrer erfolgreichsten Produkte - die Kinderschokolade - Anfang Februar als Eis auf den Markt zu bringen und packt damit eine tradierte Kindheitserinnerung in den Froster. Ferrero tut das in Kooperation mit Unilever, in dem heute wohl üblichen Verfahren der künstlichen Verknappung. Der Kunde soll sich schon strecken, um das coole neue Produkt zu bekommen. Deshalb wird das Eis nur in bestimmten Städten verfügbar sein - nicht in Supermärkten, sondern als Schnitzeljagd in strategisch platzierten Kühltruhen-Shops. Natürlich ausgerechnet in Metropolen wie Berlin, Hamburg und München, in denen das alltägliche Genuss-Dilemma besonders ausgeprägt ist: Alles soll sich anfühlen wie früher - aber gesund muss es sein.

Ferrero sollte aus den Fehlern der Wettbewerber lernen. Die Wiederauflage ikonischer Eissorten der Siebzigerjahre wie Brauner Bär oder Dolomiti von Langnese sind aus Sicht des alt gewordenen Kindes eine einzige Enttäuschung. Nicht so bunt wie damals, als sei der farbige Streifenpullover mit Bleichmittel gewaschen worden und nur noch so süß wie die Mousse au Chocolat, die man aus Gründen des Gewissens aus Avocado püriert. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Kein Spaß.

Die Produzenten von Genussmitteln wie Bottermelk Fresh scheitern an dem Spagat, den die heutige Gesellschaft zu diktieren scheint: Gesundheit und Vernunft als Maxime des Genusses. Nikotinvergiftung über Wasserdampfzigaretten, fettreduzierte Streichfette mit Butteraroma - alles gut. Aber gebt mir Zucker, wenn ich etwas Süßes essen will. Gebt mir Lebensmittelfarbe, wenn ich meine Augen zum Leuchten bringen und in den guten alten Zeiten schwelgen will.

Kinderschokolade, das waren schon immer die mit dem erhobenen Zeigefinger, der vor der Schokosucht warnt. Die "Extraportion Milch", die den Eltern das gute Gefühl geben sollte, es wäre ja nicht sooooo schlimm, wenn die Kinder mal einen Riegel zugesteckt bekommen.

Und heute? Milch - Teufelszeug. Zucker? Die große Sucht-Offensive der Nahrungsmittelindustrie. Butter? Jüngst ein Wenig rehabilitiert als doch nicht so dramatisch lebensbedrohendes Nahrungsmittel. Alles Heuchelei. Was ist schlecht an Konservierungsstoffen? Sie haben über Hunderte von Jahren die Menschheit davor bewahrt, nicht an verdorbenen Lebensmitteln zu sterben. Und heute? Index, Tabu, FSK 18! Ein Irrweg.

Jeder darf sich mit Wein und Bier die Leber ruinieren, stundenlang auf dem Sofa mit Fernsehen das Hirn auf passiv stellen, mit Aspirin die Magenwände und mit Ibuprofen die Leber schädigen. Aber bitte keine Lebensmittelfarbe! Oder Konservierungsstoffe! Das ist doch nicht gesund!

Der jüngst verstorbene Sternekoch Paul Bocuse ist auch deshalb der bekannteste seiner Zunft geworden, weil seine Gerichte trotz leichterer Nouvelle Cuisine voll von Geschmacksträgern waren. Zucker zum Beispiel. Die Eishersteller sollten deshalb gar nicht erst versuchen, dem Metatrend der gesunden Ernährung hinterher zu hecheln, den sie ohnehin nie für sich gewinnen können. Zucker im Überfluss ist schädlich für die Gesundheit, klar. Doch statt ihn sich unentdeckt einzuverleiben, in vermeintlich herzhaften Fertiggerichten, sollten die Kunden ihn bewusst und mit Vergnügen in Süßspeisen verzehren.

Das Eis zwischendurch ist eine Auszeit vom Trott, eine Selbstbelohnung für einen harten Tag, ein Stück Lebensfreude. Dazu gehören Zutaten wie Zucker und Milch. Den salzarmen Teller mit gedämpften Gemüse kann man sich ja immer noch abends zubereiten.

Ein Anfang für kulinarische Vernunft scheint gemacht - im Kinderschokolade-Eis ist Vollmilch. Weiter so, Ferrero!

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