Pietro Petronilli Im Dienst des deutschen Küchenwunders

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Der Mensch im Mittelpunkt

Dazu zählt auch der Einzug von Technik in eine Branche, die so alt wie das Kochen über offenem Feuer ist. Reservierungen, die früher handschriftlich in Büchern eingetragen wurden, sind heute digitalisiert. Am Eingang steht im Tantris ein Tablet, auf dem Mitarbeiter sehen können, wo welcher Gast sitzt. Die Gäste müssten heute nicht mehr anrufen, die erste Kontaktaufnahme erfolgt mitunter über Reservierungsportale und kein Mitarbeiter im Service weiß immer genau, wer der Mensch ist, der da kommt und umsorgt werden will.

Dabei ist die Kenntnis über die Gäste das Kapital eines Kellners, eines, das Petronilli in mehr als 40 Jahren in Fülle ansammeln konnte. "Das hat sich geändert zu früher", sagt Petronilli, der die Pappenheimer unter seinen Gästen im Kopf hatte, Vorlieben und Abneigungen kannte. Die moderne Technik sei hilfreich - aber helfe den Mitarbeitern nicht unbedingt, sich Dinge zu merken: "Was sie schreiben, behalten sie einfacher im Gedächtnis." Den Namen der Kinder, wichtige Feiertage - "heute klicken sie und es kommt alles auf das Display." Petronilli hatte es im Kopf.

So ausgestattet gleitet Petronilli als rechte und linke Hand des Küchenchefs dezent durch den Raum, um im rechten Moment an der richtigen Stelle zu sein, um Wasser nachzuschenken, einen kleinen Plausch zu halten oder die Gerichte vom Tablett zu nehmen und dem Gast zu servieren. Formell bleiben - ja. Aber auch steifer Service, wie er in zahllosen Kritiken moniert wird? Petronilli seufzt. Ein überkommenes Klischee, das ihm nicht schmeckt. "Der Mensch muss im Restaurant lachen können. Das war schon immer so." Mit der klassischen Lehre im Hinterkopf wäre eine andere Philosophie nötig. "Denn der Gast muss wiederkommen wollen." Selbst jene, denen man es kaum recht machen kann.

Schwierige Gäste - ein sensibles Thema für jedes Restaurant. Wirklich unzufriedene Gäste kommen einfach nicht wieder - Stammgäste mit dem Wunsch, dies oder jenes anders serviert zu bekommen, fordern die Mitarbeiter an der Front. Karl-Friedlich Flick sei zum Beispiel "kein einfacher Gast" gewesen, der Tisch neben ihm sollte stets frei bleiben. Gewöhnt an einen gewissen Umgang mit seinem eigenen Personal, hätte er das auch im Restaurant erwartet. "Dennoch müssen sie ihn für sich gewinnen. Auch wenn er mich ein bis anderthalb Kilo pro Nacht gekostet hat." Fallstricke, Befindlichkeiten, Eitelkeiten - all das hat Petronilli mit Geduld und Zuversicht gelöst. "Sie müssen immer wissen: Der Tag geht zu Ende. Und es kommt ein anderer Tag."

Den Ruhm eines Restaurants heimsen in aller Regel dennoch die Köche ein - nur selten die Servicekräfte. Petronilli nimmt das gelassen. "Die Familie Eichbauer, der ich mein Arbeitsleben gewidmet habe, weiß das zu schätzen", sagt Petronilli. Auch Hans Haas weiß, was das Tantris an Petronilli hat und nun verliert. "Einen Menschen mit Rückgrat, der jede Umstellung mitgetragen hat. Das findet man heute selten." Eckart Witzigmann kann sich an den Beginn des jungen Pietro nicht erinnern - wohl aber an dessen weitere Karriere. "Er war eine sehr wertvolle Kraft und vor allem beim Flick sehr beliebt." Nur eines hat Witzigmann, der bekannt ist für seine Liebe zum Sport, an dem Petronilli irritiert, der stoisch im Olympiabad wie auch im Leben seine Bahnen zieht: "Pietro war kein Fußballer."

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