Polaroids Wiederauferstehung Der zweite Frühling der Sofortbildkameras

Arnold Schwarzenegger im Polaroid-Portrait von Andy Warhol - das Bild ist derzeit in der Bastian Gallery in London zu sehen. Quelle: imago images

Zu klein, um zu überleben, zu spannend, um zu sterben. Sofortbildkameras von Polaroid, Fuji oder Leica finden ein neues, vor allem junges Publikum. Mit Retrotrend hat das aber nichts zu tun.

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Sie sind quadratisch, seltsam verfärbt, Unikate und eigentlich schon tot: Sofortbilder. Die digitale Fotografie hat zahlreiche Opfer gefordert: Die Kleinbildkamera, den Diafilm und zahlreiche einst renommierte Marken, die dem Transformationsprozess nicht standhielten. Das galt auch für die wohl bekannteste Marke der Sofortbildfotografie, Polaroid.

Sie wurde 1937 gegründet, ging 2008 in die Insolvenz und verdankt es unter anderem dem Wiener Florian Kaps, dass heute auf Parties junge Menschen statt auf den virtuellen Auslöser auf dem Display den roten Knopf einer Polaroid drücken und sich mittels Chemikalien ein Abbild des Moments unveränderlich und einmalig aus dem Schlitz schieben.

Als „Impossible Project“ startete der Biologe Kaps, der in der Fotowelt gerne mit dem Zusatz „Doc“ versehen wird, die Rettung der Sofortbildfotografie. Er übernahm 2008 von Polaroid die Maschinen für die Herstellung des Materials in Enschede. „Polaroid hat damals die Produktion eingestellt, weil es nach den Kriterien eines Konzerns kein Geschäft mehr war“, sagt Kaps. Doch auch 2008 war die Digitalisierung schon so weit fortgeschritten, dass es Menschen gab, die analoge Produkte weiter nutzen wollten. „Wir haben das sicher auch aus nostalgischen Gründen gemacht“, sagt Kaps.

Womit Kaps selber kaum gerechnet hat, war das Publikum, dass sich plötzlich für das Nischenprodukt in der Nische interessierte. Gerechnet hatte Kaps mit älteren Menschen, die in ihrer Kindheit und Jugend mit dieser Art der Fotografie groß wurden. Gekommen sind jedoch Menschen einer Generation, die kaum noch weiß, wie man einen Kleinbildfilm einlegt, geschweige denn belichtet.

Und plötzlich ist da ein Markt. Und er ist nicht klein. Der japanische Filmhersteller Fuji verkündete Ende Januar, dass er Ende 2018 die einmillionste Sofortbildkamera in Deutschland verkaufen konnte. 37 Millionen Sofortbildkameras und kleine Fotodrucker wurden weltweit verkauft. 2009 hatte sich der Filmhersteller Fuji mit seinen Instax-Kameras wieder auf den Markt begeben. 93 Millionen Sofortbilder wurden seitdem allein Deutschland geschossen, das Wachstum betrug in Deutschland 2018 satte 40 Prozent.

Eine ganze Palette an Modellen hat Fuji im Programm und organisiert dabei auch gleich den Brückenschlag in die digitale Welt - denn aller vermeintlichen Nostalgie zum Trotz ist und bleibt die Zielgruppe der 16-25-Jährigen natürlich nicht plötzlich dem Internet fern. Im Gegenteil. Sofortbilder von der Kamera oder mit der Kamera werden bei Instagram hochgeladen und es ist kein Zufall, dass Fuji seine Modelle Instax nennt.

Florian Kaps hat dafür eine Erklärung und sie hat nichts mit Retrotrend zu tun oder einer Modeerscheinung. „Warum rösten die Millenials wieder selber Kaffee, warum hören sie Vinyl-Platten? Dem Digitalen fehlen Sinne wie Riechen oder Haptik“, sagt Kaps. Der hat sich inzwischen mit seinem Unternehmen Supersense daran gemacht, Unternehmen wie die Hotelkette 25hours zu beraten, einige der besten Zimmer zu entdigitalisieren, indem beispielsweise statt einer Bluetooth-Box ein Plattenspieler im Zimmer wartet oder eine Schreibmaschine.

Diese Menschen, die einen sinnlichen Bezug zur Fotografie schätzen, aber nicht zwingend mit einem bonbonfarbenen Gerät durch die Stadt laufen möchten, macht ausgerechnet eines der renommiertesten Unternehmen der Fotografie ein Angebot. Leica aus Wetzlar hat neben den analogen Klassikern wie der M und inzwischen einem umfangreichen und kostspieligen Sortiment an Digitalkameras auch eine vergleichsweise preiswerte Sofortbildkamera im Programm. Sie kostet 300 Euro und ist so dezent und schwarz wie die übrigen Modelle des Hauses.

Die Marke Polaroid gehört seit 2017 einer Investorengruppe rund um die polnische Familie Smolokowski. Wiaczeslaw Smolokowski ist ebenfalls Eigner des von Kaps ins Leben gerufene „Impossible Project“, das 2008 die letzte verbliebene Produktionsstätte in Enschede kaufte. Dort werden auch heute noch die benötigten Filmmaterialien produziert.

Dieser Historie widmete der Schweizer Filmer Peter Volkart 2018 eine Dokumentation namens „Subito - Das Sofortbild“. Die Kunst ist eh seit jeher ein Freund großer Fotografen und Künstler. Sie diente oft dafür, um einen ersten Blick zu bekommen, wie ein Motiv später mit echtem Film wirken würde. Künstler wie Andy Warhol portraitierten damit Berühmtheiten von Jane Fonda, Silvester Stallone über Yoko Ono bis Edward Kennedy. Kaum einer, der Warhol und seiner Polaroid entging. Schnappschüsse, die heute in der Galerie Bastian in London gezeigt werden.

Dennoch machen die Sofortbildkameras von heute einen Knicks vor der Digitalisierung. Der Idee, mit dem Auslöser unveränderlich das Motiv festgehalten zu haben, entziehen sich neue Modelle wie Fujis Istax SQ20 und schon deren Vorgänger SQ10. Sie beinhalten einen Chip, der Nutzer entscheidet auf dem Display, welches der Fotos unmittelbar gedruckt werden soll.

Für Polaroid-Retter Kaps ist das kein Verrat an der Idee, sondern ganz im Gegenteil der nötige Brückenschlag zwischen analoger und digitaler Welt, der heute noch allzu oft fehlt. „Die generelle Zukunft der Menschheit liegt doch in einer schlauen Verbindung von Analogem und Digitalem.“

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