Profitechnik erobert die Küchen Das Wettrüsten der Hobbyköche

Vakuumgaren, Öfen mit 500 Grad, Fleischreifeschränke – Technik für Profiköche findet zunehmend Einzug in die Küchen von Amateuren. Mit dem nötigen Kleingeld kann sich jeder fühlen wie ein Sternekoch.

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Profigeräte erobern die heimische Küche. Quelle: Illustration

Wenn der Berliner Martin Zwick eine Pizza Vera Napoletana essen will, hat er die Qual der Wahl. Er kann nach Neapel reisen. Dort sitzt nicht nur das Konsortium "Associazione Verace Pizza Napoletana" und legt fest, welche Mehle für eine echte neapolitanische Pizza verwendet werden dürfen. Dort werden auch vor der L'Antica Pizzeria da Michele Nummern an die Wartenden ausgegeben, die entweder eine Margerita oder Marinara essen können.

Zwick könnte auch in die Pizzeria Standard Berlin fahren. Die hat sich, wie inzwischen mehrere Betriebe in Deutschland – etwa die Rheinland-Filialen von 485° oder das Pergola in Kaufbeuren – der speziellen Zubereitung der neapolitanischen Pizza verschrieben. Diese von der EU geschützte Variante beinhaltet unter anderem, dass die Pizza in einem Ofen mit bis zu 500 Grad Hitze binnen weniger als zwei Minuten gebacken wird.

Aber Zwick hat Ehrgeiz als Hobbykoch. Deshalb kauft er seit Ende 2016 öfter Holzpellets und geht in seinen Garten. Dort wirft er den Brennstoff in eine stählerne Kammer eines Gerätes, das aussieht wie eine futuristische Dampflok. Kaum größer als ein Bordtrolley heizt der Pizzaofen der Marke Uuni so weit auf, dass er Temperaturen erreicht, die jenseits allem liegen, was in Haushaltsöfen möglich ist. Der Traum von der Pizza wie in Italien – er wird greifbar. "Die Pizza ist einfach super", sagt Zwick, der daheim auf einem Gasherd kocht, aufwändige Speisen professionell anrichtet und mit seinen Künsten auch seine privaten Gäste beglückt. Sie essen bei ihm besser als in vielen Restaurants. Auch, weil Zwick nicht davor zurückscheut, für das optimale Ergebnis Technik der Profis einzusetzen.

Wie den 500-Grad-Ofen. 2012 stellte das Unternehmen Uuni aus Edinburgh ihren transportablen Pizzaofen auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter vor. Sie sammelten ausreichend Geld ein, um damit in Serie zu gehen. Inzwischen ist die dritte Version erschienen. Es ist ein weiteres Produkt, das ambitionierte Hobbyköche nutzen, um in den heimischen vier Wänden – oder dem Garten – das zu reproduzieren, was ansonsten nur Profis mit entsprechendem Equipment bewerkstelligen können.

Reifen, Dörren, Pürieren, Mixen, Brühen, Räuchern – für jede Zubereitung können heute Hobbyköche die passenden Geräte kaufen. Was dem Profi der Konvektormat in Schrankgröße, ist dem Laien der Dampfgarer als Einbaugerät. Was dem Betreiber einer Weinbar Zapfanlagen für hochwertige Flaschen sind, ist dem Laien das System Coravin. Dessen Nadel führt er durch den Korken, entnimmt eine gewünschte Menge Wein und bringt gleichzeitig Argon-Gas ein, so dass der Wein nicht oxidiertund theoretisch über Jahre hält.

Keine Entwicklung der Industrie, die nicht für den Haushalt passend gemacht wird. Vor einigen Jahren setzte sich das sogenannte Sous-Vide-Garen in den Spitzenküchen durch. Dabei wird meist Fleisch, aber auch Fisch oder Gemüse unter Vakuum bei einer sehr niedrigen Temperatur über Stunden gegart. Das Ergebnis soll besonders zartes Fleisch sein.

Die ersten Hobbyisten nutzten ausrangierte Fotolabor-Bedarf, um die Vakuumbeutel bei exakten Temperaturen ziehen zu lassen – Schwankungen von weniger als fünf Grad Celsius können das Ergebnis bereits ruinieren. So wie Uuni gelang es dem amerikanischen Unternehmen Anova, über Kickstarter die benötigte Anfangsinvestition zu bekommen, um ihren Sous-Vide-Garer "Precision Cooker" zu entwickeln. Er sieht aus wie ein Pürierstab mit Display. Wie ein Tauchsieder wird er in ein Behältnis mit Wasser gehängt und hält dort die Temperatur auf ein Zehntel Grad konstant – gerne auch per App aus dem Büro heraus gesteuert.

Denn im Gegensatz zu Profis verbringen Amateure nicht den ganzen Tag in der Küche, um langwierige Prozesse im Auge zu behalten. Das bedeutet nicht, dass eine zunehmende Zahl mit dem gleichen Feuereifer dabei ist.

Mehrere tausend Euro Kaufpreis sind für Grills keine Seltenheit

Das kann schon mit dem ersten Kaffee am frühen Morgen beginnen. Was Gartechniken wie das Sous-Vide-Verfahren noch vor sich haben, hat die Zubereitung des Espressos oder Cappuccinos schon hinter sich. Espresso ist eine Emulsion aus Wasser und Fett – die nötigen Parameter exakt zu treffen, um einen kräftigen Espresso mit der typischen Crema zu bekommen, ist mit Vollautomaten oder gar fertig gemahlenem Kaffeepulver unmöglich.

Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass Siebträgermaschinen, wie sie früher nur südlich der Alpen in Bars zu finden waren, in einer auf Haushaltsgröße zusammengeschrumpften Größe einen Siegeszug angetreten haben.

Der Wunsch nach Perfektionierung macht bei der Zubereitung nicht Halt, sondern geht in einigen Bereichen bis zum Einkauf der Waren und der perfekten Vorbereitung weiter. Dry-Aging – das ist ein Verfahren des Fleischreifens, das lange in Vergessenheit geraten war und nun als Schlagwort der Steak-Liebhaber zieht. Das Fleisch wird bei niedriger Temperatur und einer bestimmten Luftfeuchte über Wochen, teils Monate im Kühlschrank aufgehängt. Dabei verliert es Wasser und gewinnt an Geschmack und Zartheit.

Ein hygienisch aufwändiges Unterfangen, das Abhängen ist eigentlich nur eine Sache für Profis. Doch der Wunsch nach der vollen Kontrolle von Wareneinkauf bis Servieren ist hier groß unter Amateuren. Ihnen bietet das Unternehmen Landig den Dry-Ager an – das ist wie ein Weinklimaschrank, nur für Steaks. Das Unternehmen hat nun eine kleine Variante vorgestellt, die zwar mit fast 2000 Euro kein Schnäppchen ist, aber mit Maßen von 90x60x60 in konventionellen Einbauküchen einen Platz finden kann.

Den Sprung in die Laien-Küchen hat ein anderes Gerät bereits geschafft. Ausgerechnet eine Wuppertaler Arbeitshilfe ist der technische Brückenschlag zwischen Amateur und Profi: Der Thermomix TM5. Die einen benutzen ihn als willfährigen Gehilfen im Alltag, die anderen als Spezialgerät für die Vorbereitung einzelner Stufen eines mehrgängigen Menüs. "Er steht für die Professionalisierung des Laien", sagt der Soziologe Tilman Allert über den den "Küchenporsche". Er steht in Privathaushalten ebenso wie den Küchen zahlreicher Sterneköche.

An deren Equipment wagen sich üblicherweise nur die Ehrgeizigsten heran. So wie den rund 3000 Euro teuren Pacojet aus der Schweiz. Eine unscheinbare Kiste, die mit ihrem Motor und den Klingen aus Behältern mit gefrorenen Massen Cremes hobeln kann.

Ein Gerät schickt sich gerade an, den Weg andersrum zu gehen – der Keramikgrill. Grillen und Barbecue sind in Deutschland schon länger aus der Würstchenecke in die Kategorie Grillsport gewechselt. Bei Meisterschaften wird alles mit Hitze von Kohle und Gas zubereitet, was nicht zu flüssig ist. Räuchern, tagelanges mildes Garen – die ambitioniertesten Grillexperten bereiten selbstverständlich auch ihre Desserts auf dem Rost zu. Das Marktvolumen ist von 800 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 1,3 Milliarden in 2017 gestiegen. Mehrere tausend Euro Kaufpreis sind für Grills keine Seltenheit mehr.

Dabei kommt häufig ein Keramikgrill zum Einsatz wie das Big Green Egg. Ein grünes Ungetüm, das je nach benötigter Rostfläche für Camping oder Party zwischen 17 und 192 Kilo wiegt. Die größte Version ist damit zwar geeignet für die Bewirtung ganzer Partys – aber für Profis kaum geeignet, wenn sie für ein Catering damit zum Gast fahren wollen. Da sind die Amateure den Profis einmal voraus.

Für Martin Zwick ist die Freude an der Zubereitung mit Profitechnik ungebrochen. Er liebäugelt mit einem Beefer - einem Gerät, das mittels Gas und Temperaturen das Fleisch mit bis zu 800 Grad Celsius grillt und die Außenhaut des Steaks so binnen kurzer Zeit karamellisiert. Eine Technik, die bis vor Kurzem nur in Steakrestaurants eingesetzt wurde.

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