Restaurants Die Schattenseiten der Gourmet-Gastronomie

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Kosten senken, aber wie?

Michael Ellis, der bis vor kurzem mit dem Guide Michelin den wichtigsten Gastronomieführer verantwortete und für das Sterne-System in der Gastronomie zuständig war, sagte gerade der Fachzeitschrift Effilee: „Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Region mit tausend Restaurants, von denen 150 Sterne haben. Wenn es dann irgendwann zweitausend Restaurants gibt, gehen dreihundert Sterne in Ordnung. Das Verhältnis muss stimmen.“ Stimmt es aber nicht, wird zwangsläufig ein Stern weniger Wert, ohne dass aber der Aufwand für die Gastronomie sinkt. „Es gibt“, sagt Elliott, „manchmal ein Ungleichgewicht zwischen der gastronomischen Kultur in den Restaurants und in der Gesamtgesellschaft. In den USA ist es genau umgekehrt: Viele Leute interessieren sich für gutes Essen, aber es gibt zu wenig gute Restaurants.“

Auch Speisemeister Schmid sagt: Es gebe so viele Sternerestaurants, dass der Gast zusätzlich nach immer neuen Erlebnissen neben dem Essen sucht. Gleichzeitig habe er den Anspruch des Sterns aber nicht aufgeben wollen: „Aus meiner Sicht ist er jedoch für den Standort hier bei dem aktuellen Konzept zwingend erforderlich, da wir durch die Nähe zur Messe und zum Flughafen immer wieder von internationalen Gästen und Gesellschaften profitieren, die sich einzig auf das Qualitätsmerkmal Stern verlassen.“ Nur, wie das bezahlen?

Bei der Speisemeisterei flossen 28 Prozent in den Wareneinkauf, bis zu 52 Prozent ins Personal. Für Sternegastronomie übliche Werte, Systemgastronomen kommen zusammen mit etwas über 30 Prozent aus. Da bleibt kaum Spielraum. Versucht haben sie es dennoch. Zum Teil, indem sie Köche Speisen servieren ließen, um im Service Ressourcen frei zu bekommen. Zum Teil, indem sie das Angebot reduzierten: „Nur“ noch 300 Weinpositionen auf der Karte statt 800, nur noch zwei Menüs mit vier bis acht Gängen zur Auswahl, statt wie vorher ein Vielfaches an Kombinationsmöglichkeiten. So sollte das Personal von mehr als 50 auf um die 30 reduziert, das ganze wieder ökonomisch attraktiv werden. „So hätten wir eigentlich auf Dauer acht Prozent Rendite erwirtschaften können.“

Allerdings hätten auch dafür gut 60 Gäste an einem Abend kommen müssen. Das aber ist im Bereich der mittleren Top-Gastronomie fast unmöglich an sechs oder sieben Tagen in der Woche. Selbst Billy Wagner, Gastgeber und mittlerweile schon fast legendärer Sommelier im Berliner Sterne-Restaurant Nobelhart & Schmutzig, das wie kein zweites deutsches Restaurant in den vergangenen Jahren wegen seines bedingungslosen Kampfes für eine regionale, originär deutsche Sterneküche gefeiert wurde, setzte dieser Tage einen Warnruf ab: „Nach drei Jahren“, sagt Billy Wagner der Fachpostille „Feinschmecker“, „hat auch uns die deutsche Realität eingeholt. Am Dienstag und Mittwoch bleiben gelegentlich Plätze frei.“ Ein Betrieb in dieser Größenordnung aber rechnet sich nur, wenn er jeden Tag fast ausverkauft ist. Wagner passt deshalb mittlerweile die Preise für das Menü an die Auslastung an, wer dienstags oder mittwochs kommt, speist günstiger.

Und die Speisemeisterei? Der gute Ruf jedenfalls ist noch nicht verblasst. Auch wenn es kommerziell ein Geschäft mit Fragezeichen sein mag, lockt das Prestige. Insolvenzverwalter Grub jedenfalls ist zuversichtlich, bis zum Ende des vorläufigen Insolvenzverfahrens am 30. Juni einen neuen Investor gefunden zu haben. Pizza und Pasta, so viel steht fest, wird der dort wohl nicht machen. „Die Speisemeisterei“, findet Grub, „ist ja ein Aushängeschild der Stuttgarter Gastronomie.“  Und Aushängeschilder wollen sich immer noch viele Gastro-Unternehmer halten. Trotz allem.

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