Schlafkabinen-Hotels 25 Euro, kein Fenster, kein WC aber Wlan

Maximale Effizienz: In den Kabinen des Boxhotels verzichtet der Gast auf Tageslicht und Platz, bekommt dafür kleine Preise und Wlan. Quelle: PR

Junge Hotelgäste wollen vor allem schnelles Wlan und kleine Preise. Nun expandiert ein Unternehmer in Deutschland mit seinem Boxhotel, in dem die Gäste ohne Fenster und eigene Toilette auskommen müssen.

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Kreuzfahrt-Touristen mit Sinn fürs Sparen kennen sie ebenso wie Yachtbesitzer - Schlafgelegenheiten ohne Fenster und auf beengtem Raum. Was auf dem Wasser als Innenkabine oder Vorstellung von Luxus durchgeht, wollte man an Land verbieten: ein Hotel mit Schlafplätzen in Boxen ohne Fenster.

Das hannoversche Bauamt unterlag Anfang Januar vor dem Verwaltungsgericht. Es wollte den Bauantrag des Unternehmers Oliver Blume auf Erstellung seines Boxhotels ablehnen. Die Gründe: Brandschutz und „Fragen der Wohnqualität“. Blume gewann und kann nun mit der Erstellung seines zweiten Boxhotels beginnen. Eines betreibt Blume bereits in Göttingen. „Und da wohnen nicht nur Studenten mit wenig Geld, sondern auch Professoren, die nur eines wollen: Schlafen.“

Blume ist kein konventioneller Hotelier. Er war Mitgründer der Easy-Apotheken. Aus diesem Unternehmen ist er lautstark und mit ausreichend Zoff mit seinen ehemaligen Geschäftspartnern raus. Blume sieht sich auch heute nicht als Hotelier. Im Gegenteil, es arbeiten in seinem neuen Unternehmen keine Menschen aus der Hotellerie.

Stattdessen möchte Blume mit Digitalisierung und neuen Konzepten ein Angebot für Übernachtungen auf die Beine stellen, das es so in Deutschland noch nicht gibt. In Japan hingegen schon seit vielen Jahrzehnten.

In sogenannten Kapselhotels wie denen der Gruppe Ninehours, Yotel in Shiphol oder der Marke Zip der Gruppe Premier Inn nächtigen die Gäste in bienenwabenförmigen belüfteten Kapseln. Verglichen damit ist das Konzept, das Blume in Göttingen bereits verwirklicht hat, geradezu großzügig.

Innenstadtlage in Immobilien, die darauf warten, neu genutzt zu werden, ist Blume wichtig. Seine Zielgruppe sucht unkomplizierte aber preiswerte Übernachtungsmöglichkeiten für die wenigen Stunden, die die Gäste dort verbringen, bevor sie weiterziehen. Auf wenigen Quadratmeter bringt Blume dank einer Stockbettlösung zwei Schlafgelegenheiten und ein Waschbecken unter. Das kostet den Gast je nach Auslastung im günstigsten Fall 24,99 Euro.

Dafür verzichten die Nutzer auf all das, was Hotels sonst als Kostenfaktoren auf die Zimmerpreise umschlagen müssen. Es gibt im Boxhotel keine Rezeption zum Einchecken, der Gast lässt sich per App selbst in das Zimmer. Es gibt kein Restaurant, keine Parkplätze und eine Minibar auf dem Zimmer schon gar nicht. Dafür ausreichend Steckdosen und schnelles Wlan.

In Japan, den USA und dem europäischen Ausland sind sogenannte Mikrohotels keine Seltenheit. „In Deutschland haben die großen Ketten den Markt aber noch nicht für sich entdeckt“, sagt Moritz Dietl von der Unternehmensberatung Treugast. Die Grenzen zwischen richtigen Hotels mit Schlafboxen wie Sleepbox in Moskau oder dem sogar mobilen Logis-Anbieter Snoozebox und Hotels mit effizientester Raumausnutzung sind fließend. Auch die Budget-Hotelgruppe Motel-One ist sehr erfolgreich mit auf die wesentlichen Bedürfnisse reduzierten kleinen Hotelzimmern.

Fläche ist insbesondere in den beliebten Metropolen ein erheblicher Kostentreiber, Personal ein weiterer. Hotelketten wie die zur Accorgruppe gehörende Formule 1 in Frankreich setzten auf winzige Zimmer ohne eigene Sanitäreinrichtung und einfachsten Gebäuden am Stadtrand und Zugang per Pincode. Die modernen Vertreter wie das Buddy in München verzichten zwar auch auf eine klassische Rezeption, stellen dafür aber Kaffeemaschinen aufs Zimmer, wer Fragen hat, stellt diese via Tablet. „Diese Hotels haben ein Publikum, das bestimmte Ansprüche hat, die aber auf kleinstem Raum erfüllt werden können“, sagt Dietl.

Platz ist in der winzigsten Kabine
Japan ist der Vorreiter bei den Kapselhotels. Hier eines der Gruppe Ninehours. Quelle: Getty Images
Die Sleepboxen in Moskau waren eines der ersten Boxhotels außerhalb Japans. Quelle: imago images
Fluggäste in Gatwick können im Yotel einchecken - für ein paar ruhige Stunden in der Kabine. Quelle: PR
Im Boxhotel in Göttingen ist jeder Winkel effizient genutzt. Je nach Ausstattung beginnen Preise bei 25 Euro. Nicht alle Kabinen haben eine eigene Dusche. Quelle: PR
Ein Monitor simuliert eine Aussicht. Um ins zweite Bett zu gelangen, muss einer krabbeln - Raumeffizienz ist maßgeblich in den Boxhotels. Quelle: PR

Oliver Blume beschränkt die Temperatur des Duschwassers auf 37 Grad Celsius und hat für sein Boxhotel sogar einen eigenen Duschkopf entwickeln lassen. Der spart nicht nur Wasser, sondern reduziert vor allem die Entstehung von Feuchtigkeit, die das Raumklima verändern würde. Besonderes Augenmerk liegt auch auf der Belüftung der Boxen, deren Wände nicht gemauert sind. Wer nicht mit Ohrstöpseln schlafen möchte und Wert auf ungestörten Schlaf legt, mag im Boxhotel deswegen vielleicht nicht ganz glücklich werden. Dafür macht der Gast den entscheidenden Sprung weg aus dem Angebot der Hostels, wo sich mehrere Gäste ein Zimmer teilen. So klein die Box sein mag – niemand muss sie teilen, so bleibt Privatsphäre gewahrt. „Wir Menschen sind in der Evolution aus dem Freien in Räume gewechselt. Höhlen können gemütlicher wirken“, sagt Blume.

Auch bei der Reservierung gehen die modernen Häuser eigene Wege. Das Boxhotel lässt sich ausschließlich per App buchen. Für Blume geht es also auch weniger um den Betrieb einer Herberge allein, sondern die Digitalisierung des Gastgewerbes und die Neunutzung von Bestandsimmobilien. Denn für die Boxen benötigt Blume kein Gebäude, sie können in verlassenen Lagern oder Supermärkten stehen wie auch ehemaligen Büroflächen.

Blume glaubt, die minimalsten Bedürfnisse kostenbewusster Reisender einschätzen zu können. Das WC auf dem Flur würde akzeptiert, „aber nichts ist so wichtig wie die eigene Dusche.“ Und vor der wünschen sich ohnehin die wenigsten Menschen ein Fenster.

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