Kaum eine Institution genießt so sehr das Vertrauen der Deutschen wie Stiftung Warentest. Mit dem Genuss aber tut sich die Publikation aus Berlin jedoch schwer. 21 Sekte öffneten und schlürften die Tester rechtzeitig vor der verbrauchsintensivsten Zeit des Jahres. Jede vierte Flasche Sekt wird in Deutschland im Dezember verkauft.
Wer sich jedoch auf die Ergebnisse des Tests in der aktuellen Ausgabe verlässt, versäumt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Beste, was in Deutschland an Sekten zu kaufen ist – von Crémants und Champagnern ganz zu schweigen.
Auf den ersten Blick mag es sinnvoll sein, nur Sekte zu verkosten und im Labor auf Schadstoffe überprüfen zu lassen, die flächendeckend zu erhalten sind. Diese Auswahl, die Marktführer Rotkäppchen-Mumm gleich mit mehreren Marken berücksichtigt, ignoriert nur vollständig die große Masse an Sekten von Winzern, die sehr gute Qualität liefern, aber wegen geringerer Mengen nicht die großen Handelsketten beliefern können.
Wäre dies ein Autotest, dann hätten lediglich die VW Polos und Opel Corsa teilgenommen und eigentlich nicht mal Audi oder Mercedes als Unternehmen. Von Alpina oder wenigstens Porsche ganz zu schweigen. Es kann also gar kein objektiv richtiges Urteil herauskommen, wenn schon die Auswahl so eingeschränkt ist. Ein Fehlurteil ist da zwangsläufig.
Von badischen Winzergenossenschaften bis zu rheinhessischen Sekthäusern aber wird landauf landab Schaumwein produziert, der in Zeiten des Online-Shoppings, einem immer noch guten Netz an Fachhändlern und teils immer besser ausgestatteten Weinabteilungen guter Supermärkte kaum schlechter zu besorgen sind. Kaum ein Winzer internationalen Ranges, der nicht neben international renommierten Weißweinen aus seinen Grundweinen auch in Sekthäusern den eigenen Schaumwein produzieren lässt.
Die Sieger-Sekte
Als "Aromasieger" gewinnt der Sekt "Schlumberger Jahrgang 2013" Brut aus Österreich. Wie bei Sekt nicht unüblich ist das eine Cuvée, vulgo Mischung, aus stillen Grundweinen der Rebsorten Chardonnay, Pinot blanc, Welschriesling aus Niederösterreich. Er kostet um 14 Euro.
Der "Brut Dargent - Blanc de Blancs Chardonnay 2015 Brut" sichert sich zum Preis von 6,75 den Titel "Preis-Leistungs-Sieger" bei Stiftung Warentest. "Für Fans von Chardonnay, die blumige Noten mögen".
"Engel - Riesling Extra Dry" heißt dieser Bio-Sekt, dessen Früchtespektrum "Riesling-Freunden munden dürfte". Die Bezeichung Extra Dry/Trocken ist ein wenig irreführend - sie erlaubt bis 17 Gramm Zucker pro Liter. Sekte mit dem Zusatz "Brut" hingegen nur maximal 12 Gramm. Sekt "Trocken" darf zwischen 17 und 32 Gramm enthalten. Und Halbtrocken gar bis zu 50 Gramm.
Auf Rang 9 kann sich der meistverkaufte Sekt in Deutschland platzieren. Rotkäppchen Halbtrocken für rund vier Euro.
Eine glatte fünf, also mangelhaft, bekommt der Faber Halbtrocken, der in der Verkostung durchfiel, wegen eines muffigen Tons, der an Kork erinnert. Was überrascht, da er zum Preis für um die drei Euro lediglich mit einem Plastikkorken verschlossen wird. Die Herkunft der Fehltöne bleiben unbekannt.
Das hat seinen Preis – zumal, wenn die seit 1902 ununterbrochene Sektsteuer in Höhe von 1,02 Euro pro Flasche erhoben wird.
Umso ärgerlicher ist deswegen der Eindruck, den der Test gleich mit der ersten Zeile im Vorspann erweckt: "Guter Schaumwein ist ab rund drei Euro zu haben, wie die Verkostung offenbart." Ja, der Sekt von Aldi Süd unter dem Namen Auerbach ist sicherlich fehlerfrei und gut zu trinken, wenn es darum geht, auf einen Anlass anzustoßen. Geht es aber um Genuss, gar aus Trauben ausschließlich aus deutschem Anbau, dann ist die Message, die der Test transportiert ein Schlag ins Gesicht aller der Winzer, die teils in Handlese und mit großem Aufwand im Keller versuchen, individuelle Sekte zu produzieren.
Fakten zu Sekt & Co.
Riesig sind die Schwankungen nicht und eine Tendenz gibt es - im Gegensatz zum sinkenden Bierabsatz auch nicht. Dennoch ist 2014 das schwächste Jahr für den Verkauf von Schaumwein. 3.174.195 Hektoliter wurden verkauft, gut 56.000 Hektoliter weniger als im Vorjahr. Und gar 270.000 Hektoliter weniger als im Rekordjahr 2006 - durch Zufall dem Jahr der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland.
Welches Land könnte wohl den größten Durst haben auf Sekt aus Deutschland? Mit Abstand das meiste geht nach Österreich, dort wurden 2014 mehr 19 Millionen Euro für deutschen Schaumwein ausgegeben. Platz Zwei geht an Norwegen mit 7,6 Millionen Euro und Belgien 7,5 Millionen. Auf Platz vier schiebt sich keine Nation, sondern eine Branche: Die Schiffs- und Fluglinien kauften Schaumwein im Wert von 4,7 Millionen Euro.
Die Wiedervereinigung oder der Sieg der Fußballweltmeisterschaft unter Trainer Franz Beckenbauer scheint 1990 viele Menschen zum Anstoßen verleitet zu haben: In dem Jahr erreichte die Sektsteuer mit 490 Millionen Euro ihren absoluten Rekord. 2014 waren es nur noch 410 Millionen Euro.
Ein Auf und Ab ist es auch für die Champagnerhersteller in Deutschland. 2011 mehr als 14,2 Millionen Flaschen, 2014 nur noch 12,6 Millionen. Wenig zu lachen hatten die Franzosen 2009 nach der Lehmankrise als mit gerade mal 10,9 Millionen Flaschen der niedrigste Wert seit 2000 erreicht wurde.
Im Jahr 2013 erreichte Rotkäppchen einen Marktanteil von 35,9 Prozent. Danach kommt erstmal lange gar nichts. Auf Platz zwei mit 9,5 Prozent Freixenet und mit 5,9 Prozent schafft es Mumm auf den dritten Platz. Wenn man dann noch die 5,1 Prozent von MM Extra dazuzählt, dann erreicht das Unternehmen Rotkäppchen-Mumm mit den drei Marken Rotkäppchen, Mumm und MM Extra einen Markanteil von mehr als 50 Prozent.
Die Idee, dass ein Sekt, dessen Herstellung samt mehrjähriger Lagerung und häufiger manueller Bewegung im Rüttelpult mit 14 Euro teuer sei, bedient den Geiz des Konsumenten, der bei Smartphones gerne bereit ist, mehrere hundert Euro zu zahlen, bei einem Genussmittel aber zunächst ans Sparen denkt.
Völlig zu recht halten die Tester fest, dass "teuer gleich exquisit, günstig gleich miserabel" nicht stimme. "Darauf laufen die Ergebnisse nicht hinaus", heißt es dort. Allein die gängigen Weinführer, die dieser Tage wieder auf den Büchermarkt kommen, führen ausreichend Sekte auf, die unter 20, gar 10 Euro kosten und die Chance bieten, nicht nur zu perlen, sondern im Gedächtnis zu bleiben.