Statussymbole „Ohne Protz bleibt nur das nackte Leben“

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„Der Privatjet und die Yacht sind zu konventionell, fast schon trivial“

Neben den Stühlen aus der Louis-Seize-Zeit und Fabergé-Eiern.
Ja.

Warum gibt der Milliardär für Kunst so viel Geld aus wie für eine Yacht?
Darauf gibt es zwei Antworten: Die erste stammt von dem Jenaer Philosophen Lambert Wiesing, der den Luxus der Phantasiepreise auf dem Kunstmarkt als Freiheitserlebnis des Käufers deuten würde. Während der Bettler, der von einem Passanten zehn Euro bekommt, sich eine Luxuserfahrung leistet, indem er von den zehn Euro Taxi fährt, also etwas ganz Irrationales tut, erlebt der Superreiche etwas Ähnliches, indem er ein paar Millionen für etwas ausgibt, von dem völlig unklar ist, worin dessen Wert besteht. Weshalb soll eines der Punkt-Bilder von Hirst, von denen es mehr als tausend vergleichbare gibt, zehn Millionen kosten? Damit verschafft sich der Reiche eben ein Freiheitserlebnis, eine Luxusbesitzerfahrung.

Und die zweite Antwort?
Die stammt von mir. Mich interessiert, anders als Wiesing, nicht in erster Linie, wie der Reiche sich fühlt, sondern welche Signale er nach außen, ans Publikum sendet, wenn er Kunst im großen Stil kauft. Und da würde ich mit der klassischen Potlatsch-Theorie sagen: Er zeigt mit dem Kauf eines Hirst-Bildes nicht nur, dass er zehn Millionen hat, sondern dass er verschwenderisch, geradezu leichtfertig damit umgehen kann. Dass er das locker aus der berühmten Portokasse zahlen kann.

Und heimst damit einen Distinktionsgewinn ein.
Und was für einen: Es gibt in unserer Konsumwelt nichts, was so viel Distinktionsgewinn verschafft, wie bestimmte Formen zeitgenössischer Kunst.

Der Privatjet und die Yacht kommen da nicht mit?
Nein, die sind zu konventionell, fast schon trivial: Wenn man reich ist, dann hat man eben eine Yacht. Zeitgenössische Kunst, wie die von Damien Hirst, die weder Haltbarkeit garantieren kann noch wirklich Unikat-Charakter besitzt, ist dagegen viel aufregender. Auch für die Medien, die darüber berichten. Mit einem absurd hohen Auktionspreis kann man viel mehr Schlagzeilen produzieren als mit dem Kauf einer Yacht. Wenn man heute unbedingt mit klassischen Statussymbolen Eindruck schinden will, dann muss man es schon so machen, wie die „Rich Kids“ auf Instagram.

Was machen die?
Das sind junge Leute, die meisten Multimillionäre von Geburt an, die eine eigene Bildsprache entwickelt haben: Die treiben das Protzen auf die Spitze. Da sind die üblichen Statussymbole versammelt, vom Jet über die mit Brillanten besetzte Uhr bis zum teuersten Jahrgangschampagner – ein Kosmos an Luxus-Dingen, die so direkt, so drastisch inszeniert werden, dass sie in dieser Hyperaffirmation schon wieder etwas Gebrochenes haben.

Demonstratives Bling Bling?
Ja, bis zur Karikatur. Es geht nur noch darum, wer auf einem Foto noch mehr Statussymbole, noch mehr Geld, noch mehr Protz unterbringen kann.

Wenn man den Menschen alle Statussymbole wegnehmen würde, nicht nur die Uhr oder den Jahrgangschampagner, was würde dann passieren?
Dann würde man ihnen damit den Boden unter den Füßen wegziehen. Dann bliebe, mit dem Philosophen Giorgio Agamben gesprochen, nur das nackte Leben – und das ist schlimmer als der Tod.

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