Statussymbole „Ohne Protz bleibt nur das nackte Leben“

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„Man kann heute nicht Milliardär sein, ohne auch Kunst zu sammeln“

Was ist mit den Klassikern, mit der Trias „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“?
Die gilt zum Teil immer noch, da hat sich gar nicht so viel geändert. Genauso wie die Bildung immer noch ihre Statussymbole hat, von der Bücherwand bis zur Wagenfeldleuchte im Fenster. Wir haben es heute mit Statussymbolen zu tun, die zwar nicht mehr gesellschaftsübergreifend funktionieren, aber gesellschaftsübergreifend gelesen werden können. Wir erkennen den statussymbolischen Wert eines Ferrari, auch wenn wir uns überhaupt nicht für ihn interessieren. Statussymbole funktionieren heute nach Art eines Wechselspiels, eines Dialogs: Man antwortet auf sie, distanziert sich womöglich von ihnen, indem man einen Gegentrend etabliert und – um beim Auto-Beispiel zu bleiben – vielleicht eine restaurierte Ente fährt. Das ist dann eine ironische Replik auf das arrivierte Statussymbol.

Das heißt, man spielt mit dem Statussymbol Auto? Greift zu einem Anti-Status-Symbol?
Ja, die Postmoderne hat das Feld der Statussymbole längst erreicht. Die werden heute ja gern in Anführungszeichen gesetzt. Damit signalisiert man: Ich habe das ganze Statustheater durchschaut und steh‘ drüber. Dann ist eben die Ironie das neue Statussymbol. 

Sind immaterielle Güter wie Ironie oder der Urlaub ohne Handy überhaupt statussymboltauglich?
Oh ja, auch der Verzicht, das Nicht-Haben kann zum Statussymbol werden. Aus meiner Zeit als Berater bei Audi kann ich mich gut daran erinnern, welche Ehrfurcht die Leute vor Herrn Winterkorn hatten, weil er kein Handy besaß. Das war das stärkste Chef-Symbol überhaupt für die Mitarbeiter. Damit hat er signalisiert: Ich bin der Mächtigste, ich habe diesen Quatsch nicht nötig, dafür habe ich meine Leute. Nicht-Haben, Nicht-Konsum kann ein extrem starkes Statussymbol sein, gegen das der klassische Gebrauch von Statussymbolen oft regelrecht plump und protzend erscheint. Weshalb sich immer mehr Leute davon distanzieren, bis auf die wenigen der älteren Generation, die das noch nicht kapiert haben. Die immer noch mit ihrem Porsche angeben…

…oder auf das Opern-Abonnement schwören…
…wenn sie es als das alte Bildungsstatussymbol kommunizieren. Für die jüngere Generation reicht das längst nicht mehr, für die ist das sozusagen ein zu grober Sprachgebrauch: als könnte man nur in Hauptsätzen sprechen und habe noch nicht kapiert, dass es auch Nebensätze gibt. Die Jüngeren sind da anders, sind – ob bewusst oder unbewusst – virtuoser im Umgang mit dem Konsum als die ältere Generation, die noch geprägt wurde von Not und Knappheit in der Nachkriegszeit. Da machte es einen natürlich stolz, wenn man sich etwas leisten konnte. Die erste Waschmaschine, das erste Auto, der erste Fernseher – die spielten eine große Rolle in den 50er-, 60erjahren. Verglichen damit haben wir es heute, in einer reifen Wohlstandsgesellschaft, mit ganz anderen Ausgangsbedingungen zu tun.

Sie meinen, die Distinktionsgewinne sind subtiler geworden?
Auf jeden Fall.

Inzwischen ist vom „Geschmacksbürger“ oder „Besserbürger“ die Rede, der mit jedem Konsumakt ein Porträt von sich entwirft. Wird der Snobismus zum System?
Ja, wir haben es hier mit einer aktualisierten Version eines Conspicious-consumption-Verhaltens à la Torstein Veblen zu tun. Da werden Distinktionsgewinne regelrecht erarbeitet. Man demonstriert Kennerschaft. Zeigt, dass man sich Zeit nimmt für wichtige Fragen des Lebens: Wo finde ich den ultimativen Senf? Den coolsten Pfefferstreuer? Das gesündeste Quellwasser?

„Hast Du nichts Besseres zu tun?“, hätte mein Vater gesagt.
Eben. Man kann sich mit diesem Konsumverhalten wunderbar abgrenzen von anderen Milieus, die mit Unverständnis oder Neid reagieren. Das beweist ja nur: Ich habe mich abgesetzt, die andern hassen mich.

Gilt das auch für den Prestigefaktor Kunst, für den irrsinnige Summen ausgegeben werden? Oder sind das nur noch Kaufkraft-Demonstrationen?
Kommt drauf an. Bei Milliardären gibt es nochmal ganz eigene Codes, quasi-aristokratische Stilgesten, die zeigen, wer dazu gehört. Da werden etwa hochspezialisierte Handwerker herumgereicht, die sich auf pompejanische Wandmalereien oder spezielle Stuckaturen verstehen. Das sind Dinge, die nicht jeder als etwas Besonderes erkennt. Und dazu gehört seit einiger Zeit auch die moderne, zeitgenössische Kunst: Man kann heute nicht Milliardär sein, ohne auch Kunst zu sammeln. Weniger aus Interesse, denn aus statussymbolischen Gründen. Man ist es sich einfach schuldig, einen Richter oder Damien Hirst zu besitzen.

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