Der Kaiser ist nicht leicht zu finden. Auf der Straße, die sich wie eine schwarze Schlange ins Landesinnere zieht, fordert das Navigationssystem plötzlich, den Wagen abzustellen. Es war auf das „Weingut Lammershoek“ programmiert, von einem Anwesen ist allerdings nichts zu sehen. Anruf beim Farmmanager Schalk Opperman: Alles richtig gemacht, gleich zweige ein Sandweg ab, der führe zum Weingut. Einige Kilometer später hinterlassen die Reifen Staubwolken auf der trockenen Piste. Dann tauchen plötzlich Weinberge auf – und ein Stausee, in dessen Mitte Rinder aus der letzten noch übrig gebliebenen Pfütze trinken.
Armer Kaiser. Ist die Fußballlegende bei der Jagd auf Südafrikas beste Weinlagen etwa zu spät gekommen? „Keineswegs“, sagt Opperman. Franz Beckenbauer habe Lammershoek unter mehr als 40 Angeboten gut ausgewählt. Auch wenn derzeit eine Dürre im trockenen Swartland in der Provinz Westkap wüte, sei dieser Teil des Weinlands spitzenmäßig, sagt der Winzer. In unmittelbarer Nachbarschaft befänden sich mehrere Güter, die einige der besten Tropfen des Landes produzierten.
Mein Haus, mein Auto, mein Wein: Schon lange kaufen sich Menschen ohne materielle Sorgen ein Weingut. Der britische Sänger Sting hat eines in der Nähe von Florenz in der Toskana, der französische Schauspieler Gérard Depardieu züchtet Reben an der Loire, US-Regisseur Francis Ford Coppola besitzt gleich zwei Güter in Kalifornien.
In den vergangenen Jahren ist das Interesse an einem Investment in Südafrika gestiegen. Die Zeitzone ist dieselbe wie in Deutschland, das politische Klima relativ stabil, das meteorologische sowieso. Die Reben profitieren von Böden aus Granit oder Schiefer, selbst im heißen Sommer schickt der Ozean kühle Winde übers Land.
Schon seit 350 Jahren wird am Kap der Guten Hoffnung Wein angebaut. Eines der ältesten Gebiete befindet sich rund um den Ort Franschhoek, etwa 60 Kilometer östlich von Kapstadt. Zu den ersten Winzern gehörten 200 Hugenotten-Familien im 17. Jahrhundert, die ihre Reben aus der alten Heimat mitgebracht hatten.
Seit dem Ende des Apartheid-Regimes sind südafrikanische Weine weltweit erfolgreich. Im Hemel-en-Aarde-Tal in der Nähe des Städtchens Hermanus findet Peter-Allan Finlayson vom Weingut Crystallum beste Voraussetzungen für Sauvignon Blanc, Chardonnay und Syrah. Ein paar Kilometer weiter konzentrieren sich Suzaan und Chris Alheit auf Chenin Blanc. Der Superstar unter den südafrikanischen Winzern ist derzeit Eben Sadie, der in der Nähe von Beckenbauer anbaut. „Seine seltenen Weine sind gesuchte Trophäen für jeden Weinkeller“, sagt zum Beispiel der deutsche Master-Sommelier Hendrik Thoma.
Bis zu solchen Trophäen ist es für die deutschen Promi-Winzer noch ein weiter Weg. Camps Bay, ein nobler Stadtteil von Kapstadt, oder das 50 Kilometer weiter östlich gelegene Somerset West sind in den vergangenen Jahren zu bevorzugten Zielen wohlhabender deutscher Emigranten geworden. Auch entlang der Weinroute weht an den Einfahrten zu den opulenten Gutshäusern neben der südafrikanischen immer häufiger die schwarz-rot-goldene Flagge.
Die Münchner Unternehmerfamilie Schörghuber war Vorreiter des Südafrika-Trends. Die heutige Chefin Alexandra Schörghuber hatte sich ins Kapland verliebt und die Weinfarm Blaauwklippen erworben – was sich eher als teures Hobby entpuppte. Das Weingut könne man jedenfalls kaum als „Geldmaschine“ bezeichnen, sagt selbst der Kellermeister Rolf Zeitvogel.
Der 48-Jährige stammt aus einer badischen Winzerfamilie. Zwischen Südafrika und der deutschen Weinregion herrscht schon seit Jahrzehnten ein reger Austausch, viele südafrikanische Winzer haben ihre Meisterprüfung im baden-württembergischen Weinsberg abgelegt oder an der hessischen Hochschule Geisenheim Weinbau und Oenologie studiert. Von dieser länderübergreifenden Zusammenarbeit profitierte vor allem der südafrikanische Rebensaft, sagt Zeitvogel: In den vergangenen 20 Jahren seien die Kapweine noch deutlich besser geworden.
Trotzdem muss er kreativ sein, um seinen Wein an den Kunden zu bringen. Der Kellermeister baut derzeit noch eine Brennerei mit Grappa und Gin und hat das inzwischen oft kopierte Konzept des sonntäglichen Wochenmarkts entwickelt – mit Weinproben, Schnitzelständen und Country-Musik. Mehr als ein Drittel seiner Weinproduktion verkauft Zeitvogel sonntags.
Ruhe und Luxus
Die prominenten Hobby-Winzer mögen in Sachen Qualität Nachholbedarf haben, beim Marketing haben sie Vorteile. Selbst der scheue Industriellenenkel Raphael Dornier nutzt seinen Namen zu Werbezwecken. Sein Weingut ist wie geschaffen für Menschen, die ihre Ruhe haben und dabei auf Luxus nicht verzichten wollen. Wer das Haupthaus betritt, fühlt sich wie ein Adeliger. Das Portal aus Eichenholz führt in eine Eingangshalle mit dunklem Terrakotta-Boden, im Saal nebenan hängen Kristallleuchter an der Decke, durch die französischen Flügeltüren sind die majestätischen Helderberge zu sehen. Man hört nichts außer ein paar zwitschernden Vögel.
Verständlich, dass sich Raphael Dornier hier wohlfühlt, denn zu viel Trubel mag der Enkel des Flugzeugfabrikanten Claude Dornier nicht. Am liebsten zieht sich der gebürtige Münchner auf seine Privatfarm zurück, die tiefer im Tal noch abgeschiedener liegt. Das Weingut hingegen heißt auch Besucher willkommen. Zum Glück, denn das Anwesen gehört zu den schönsten der Region rund um Stellenbosch. Das Haupthaus entstand nach dem Stil des britischen Stararchitekten Herbert Baker. Raphaels Vater Christoph Dornier, ein Mäzen und Maler, fügte dem fürstlich anmutenden Besitz noch eine zeitgenössische Note hinzu: Er entwarf einen Weinkeller, dessen Dach Wellen wirft – ein Symbol für fließenden Wein.
Sein Gut hört auf seinen Nachnamen, im noblen Bodega-Restaurant, das sogar Besucher aus dem 60 Kilometer entfernten Kapstadt anzieht, hängen Bilder von den fliegenden Maschinen seines Großvaters, darunter auch Wasserflugzeuge. Eines davon landete vor 90 Jahren am Kap: das erste, das den Kontinent von Nord nach Süd überflog.
Peter Falke taucht mindestens alle sechs Wochen auf seiner Farm in der Nähe von Stellenbosch auf. Zum Dämmerschoppen hat sich der Sauerländer Sockenfabrikant im Garten vor seinem weiß getünchten Gutshaus niedergelassen: Die Helderberge strahlen im Abendrot, es wird ein leichter Chardonnay gereicht.
Die Familie Falke stellt seit mehr als 100 Jahren Socken und andere Textilien her, inzwischen auch in Südafrika. Der 65-jährige Urenkel des Firmengründers fand im Kapland ein zweites Zuhause. Auch Falke taufte seine Farm auf seinen Namen, auch er sucht Besucher mit coolem Jazz und „al fresco“-Häppchen am Wochenende oder an Sommer-Nachmittagen auf sein Gut zu locken.
Trotzdem hält er es für „dummes Zeugs“, dass das südafrikanische Weinland zum „Schickimicki-Wallfahrtsort“ werde: „Dafür ist die Arbeit hier viel zu beschwerlich.“ Zum schnellen Geldverdienen sei die Region ungeeignet, aber darum gehe es auch nicht. „Wenn Sie nur vom Geld und nicht vom Gestaltungswillen getrieben sind, dann klappt es nicht“, sagt Falke. Das gilt für die Sockenfabrik – aber genauso für das Weingut.
Das dürfte inzwischen auch Franz Beckenbauer eingesehen haben. Er war dem Charme der Region während der Fußball-WM 2010 verfallen. Zwei Jahre später begann er mit der Suche nach dem passenden Objekt und wurde zwischen den Städtchen Paarl und Malmesbury fündig.
Der kaiserliche Landsitz am Fuß des Paardebergs wurde vom Boden bis zum Dachgiebel grunderneuert. Große Fenster geben den Blick in eine endlos erscheinende Weite frei, auf der Veranda steht ein vier Meter langer Weinprobentisch aus Holz. Vor dem Haus hat das 40-köpfige Personal einen Garten mit einheimischen Pflanzen angelegt, dahinter steht der mit Holzfässern und Edelstahltanks neu eingerichtete Weinkeller. Opperman produzierte in der vergangenen Saison 140.000 Flaschen. Zum Vergleich: Ein deutsches Prädikatsweingut schafft im Schnitt 171.000. 90 Prozent verkauft Lammershoek auf dem europäischen Markt, die Preise liegen bei bis zu 60 Euro pro Flasche.
Trotzdem ist Opperman noch nicht profitabel. In diesem Geschäft brauche man vor allem Geduld, sagt der Kellermeister. Ein prominenter Name kann auch nicht schaden. Eine Kollektion hat Opperman „Libero No. 5“ getauft, auf dem Etikett ist Beckenbauers Gesicht abgebildet. Und wie bewerten Experten die Weine? „Kaiserlich“, sagt einer, der lieber anonym bleiben will, „ist dann doch was anderes.“