Tauchsieder

Bilder kaufen? Keine Kunst!

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Kaufempfehlung für spekulative Kleinanleger

Ketterer geht vielleicht so konsequent wie kein zweites Auktionshaus der zeitgenössischen Gegenwart (und damit einer betriebswirtschaftlich besonders lukrativen Zukunft) entgegen: Die drei Kilogramm schweren Kataloge des Münchener Hauses für die „Kunst nach 1945“ und „Contemporary Art“ sind ein fettes Ausrufezeichen für Einlieferer und Interessenten: Seht her, wir wollen die Nummer eins sein! Und sie sind damit auch ein Weckruf an die Konkurrenz: Seht her, so viele gängige, ausgezeichnete Werke im fünf- und sechsstelligen Bereich könnt Ihr nicht aufbieten! Im Zentrum der Auktionen steht fraglos die phänomenale „Woge“ von Günther Uecker (1995): Die dunkledräuend-strudelnde Dynamik des fast quadratischen Nagelfeldes sind schlicht stupend - und es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn Ketterer hier nicht die Million angreifen könnte (Taxe 600.000 bis 800.000 Euro).

Auch Klaphecks ikonographischer, ebenfalls fast quadratischer „Chefideologe“ (1965) würde ich denen beiden bei Grisebach angebotenen Konkurrenzprodukten vorziehen. Spektakulär ist ein fünf Meter breiter Fries des Informel-Künstlers Fred Thieler (60.000 bis 80.000 Euro). Von Gerhard Richter, Emil Schumacher, Imi Knoebel und Otto Piene hält Ketterer über eine Preispalette von 4000 Euro bis 250.000 Euro hinweg gleich jeweils zehn Werke und mehr vor. Und ergänzt wird der große Kunst-Schmaus von typischen Beispielen figurativer Maler wie Penck, Tadeusz, Fetting und Hödicke (um 20.000 Euro) - sowie ausgewählter Werke „großer Namen“ wie Tony Cragg, Donald Judd, Alex Katz und Sam Francis.

Zwei preiswert geschätzte Geheimtipps für den Bereich der Klassischen Moderne (neben Nolde, Pechstein, Kirchner vor allem fünf Jawlensky, ab 100.000 Euro): Roberto Iras Baldessaris „Dynamische Formen“ (1915) - eine eindrucksvolle Verschmelzung von technizistischem Futurismus und spätromantischer Melancholie sowie Anton Räderscheidts kaltes „Stillleben mit blauer Vase und drei Tulpen“ (Schätzpreise um die 30.000 Euro).  

Rockefellers Bilder
Henri Matisses Werk „Odaliske mit Magnolien“ knackte den Rekord bei der Versteigerung bei Christie's. Hier ist es zu sehen in der Hudson Pines Villa von David und Peggy Rockefeller in New York. Quelle: AP
Claude Monets „Nymphéas en fleur“ brachte am ersten Tag der Versteigerung 84,7 Millionen Dollar. Quelle: AP
Rockerfeller bekam zum 100. Geburtstag das Kissen - über dem Sessel hing Pablo Picassos „Junges Mädchen mit Blumenkorb“, das für 115 Millionen Dollar den Besitzer wechselte. Quelle: AP
Peggy und David Rockefeller, die sich Zeit ihres Lebens mit Kunst umgeben haben. Er war das letzte Enkelkind des legendären Ölmagnaten John D. Rockefeller (1839-1937). Quelle: AP

Bei Lempertz Köln, dem führenden Anbieter „alter Malerei“ und asiatischer Kunst, ist das Angebot deutlich reduzierter. Besonders interessant dürfte zu beobachten sein, ob die beim Auktionshaus Dorotheum in Österreich so erfolgreich gehandelten Italiener auch im Rheinland reüssieren können, allen voran Piero Manzonis gefaltete Leinwand „Achrome“ (Schätzpreis 400.000/500.000 Euro), aber auch eine leicht ramponierte Tusch-Arbeit von Emililo Vedova (25.000/30.000 Euro). Im Plan dürften je zwei Klassiker von Günther Förg (150.000 bis 200.000) und Norbert Bisky (ab 30.000) bleiben, deutlich darüber drei Feuer-Bilder von Karin Kneffel (25.000/35.000) und vor allem ein Großformat von Katharina Grosse liegen.

Ausgesprochen schöne Entdeckungen und Erwerbungen sind bei Lempertz - ein paar Liebermanns, Jawlenkys, Noldes, Nays, Hofers, Müllers, Münters auch hier – im Bereich der Klassischen Moderne möglich: Wilhelm Lehmbrucks „Geneiger Frauenkopf“ (250.000/300.000) etwa oder Hermann Stenners „Christuskopf“ (70.000/90.000), Peter August Böckstiegels „Westfälisches Dorf“ (30.000/40.000), Max Peiffer Watenphuls „Stadtlandschaft mit Brücke“ (30.000/35.000) oder  Alexander Kanoldts Stadtbild (50.000/60.000).

Den Nolde der Saison trägt fraglos van Ham in Köln zu Markte: Ein Stillleben mit allem, was ein Nolde haben muss: Masken, Blumen, Farben - vorsichtig auf 500.000/800.000 Euro taxiert. Wer sich den Uecker bei Ketterer nicht leisten kann oder will, darf bei van Ham gleich dreimal sein Glück im 200.000-Euro-Bereich versuchen. Besonders punkten kann das Haus aber einmal mehr mit Werken im hoch vierstelligen und niedrig fünfstelligen Euro-Bereich, auch wenn das Programm dieses Frühjahr (Luther, Mack, Piene, Polke, Schultze, Winter…) überraschend überraschungsarm ausfällt - bis auf die Zeitgenossen: Vom überragenden Bild eines dunklen, kargen Wohnzimmers aus der Hand von Adrian Ghenie (150.000/200.000) über Thomas Struths riesige Australienlandschaft (18.000/24.000) bis hin zu einem grell-gespenstischen „Haus am Waldesrand“ von Detlev Foth (3000/5000) und Hans op de Beecks verspielter Reminiszenz an eine untergegangene Modelleisenbahn-Seligkeit (2000/3000) reicht das hübsche Angebot.

Schließlich Karl&Faber, ein Haus, das offenbar sehr gut gedeiht im Windschatten der größeren drei Konkurrenten Ketterer, Grisebach und Lempertz sowie und des etwas kleineren vierten (van Ham): Knapp 600 Bilder plus noch einmal knapp 400 Werke, meist Grafiken, für weniger als 1000 Euro - die Münchener sind ganz offenbar auf einem guten Weg. Und sie haben in Lovis Corinths Blumenstrauss (250.000/350.000 Euro) und Gabriele Münters „Tauwetter im Dorf“ (250.000/300.000) zwei ausgezeichnete Top-Lose im Moderne-Programm. Vor allem Einsteiger kommen hier auf ihre Kosten - etwa mit Johannes Ittens Rückenakt, Walter Jacobs Straßenszene (je 2000/2400 Euro) oder auch mit einer Komposition von Theodor Werner (1200/1440).

Den Bereich der Zeitgenössischen Kunst führt das Duo Richter/Polke an, dieser ist mit einem kleinen, abstrakten Bild vertreten (350.000/400.000), jener mit einer aquarellierten Fotografie (200.000/250.000). Besonders interessant: Wer das „Yellow Painting“ von Joseph Marioni am 2. Juni bei Lempertz (25.000/30.000), kann hier mit dem Green Painting (20.000/25.000) am 7. Juni nachlegen. Preiswert angeboten werden auch die „Nachtstimmen“ von Raimund Girke (15.000/20.000) und „Drei Hüte“ von Werner Berges (10.000/15.000) - in der Börsensprache würde man sagen: ein klarer Kauf für spekulative Kleinanleger. Für Einsteiger mit Lust auf Wertsteigerung besonders interessant: etwa Gunter Damischs große Arbeit auf Karton (4000/4800) und Fred Sandbecks „drawing“ (2500/3000). Für Freunde kleiner Blue Chips: eine Gouache von Karl Otto Götz (4000/4800) und ein Aquarell von Max Uhlig (1500/1800). Und für Liebhaber-Conaisseure: Jürgen Brodwolfs Figurentypen (4000/4800), Harald Metzkes’ „Kühler Janus“ (2500/3000) oder auch Hans Platscheks titelloses Ölbild (1600/1920) und Aquarell (1500/1800).

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