Till Brönner "CDs sind teure aufwändige Visitenkarten"

Seine Konzerte sind voll, seine Alben verkaufen sich gut, er wirbt für Mode - der Star-Jazztrompeter Till Brönner über Erfolg, formales Bühnenoutfit und Businesskonzepte für Jazzmusiker und die Fehler der Musiker.

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Der Jazzmusiker Till Brönner spielt ebenso erfolgreich auf der Trompete wie auf der Klaviatur des Marketings. (Copyright: Daniel Witte für Eduard Dressler) Quelle: PR

Herr Brönner, wären Sie damit einverstanden, sich als erfolgreichsten Jazzmusiker Deutschlands, wenn nicht gar Europas bezeichnen zu lassen?
Das wäre dann okay, wenn es sinnvoll nachzuweisen wäre. Es müsste im Bereich des Objektiven liegen. Und ich habe mir auch nie die Mühe gemacht, es auf irgendeine Art herauszufinden. Aus dem Stegreif würde ich aber auch auf eine Handvoll Musiker kommen, denen ich diesen Superlativ eher zutrauen würde. Insofern: Nein.

An welchen Kriterien würden Sie selber Ihren Erfolg als Jazzmusiker festmachen?
Da ich mir die Frage nicht stelle – keine Ahnung. Die Worte Erfolg und Jazz passen für mich per Se nicht gut zusammen. Es ist immer schwierig bei sogenannter Kunst über Erfolg zu sprechen. Das würde Ihnen auch ein Maler wie Neo Rauch nicht beantworten – der will auch über etwas anderes reden

Zur Person

Wir müssen aber ein wenig über Erfolg reden, denn immerhin sind Sie prominent genug, um für Unternehmen als Werbefigur aufzutreten – das hat nur Sinn, wenn Sie als Imageträger und Vorbild wahrgenommen werden.
Ja, diese Symbiose ist da. Aber wir leben in einer Zeit, in der es nicht nötig ist, drumrum zu reden, dass meine Tätigkeit auch eine wirtschaftliche Kooperation ist. Zeitgleich erkennen wir, dass unglaubwürdige Kooperationen heutzutage nicht sehr erfolgreich sind. Es wird zwar sehr viel Geld ausgegeben, aber ich staune über Konstellationen auf dem Markt zwischen Protagonist und Marke, die ich für unsinnig halte, für die aber trotzdem offenbar Geld ausgegeben wird. In unserem Falle – also der Kooperation dem Herrenausstatter Eduard Dressler und mir – gibt es diese Schnittmenge aber.

Worin besteht die?
Beide Seiten halten Handwerk und Tradition für unverzichtbar, um neue Wege zu gehen. Es gibt Konstanten, die unsere Systeme miteinander verbinden. Diese geben uns die Basis eine Geschichte zu erzählen, die den Menschen, in diesem Falle den Mann, in den Mittelpunkt stellt.

Der Bezug zum Anzug erstaunt zunächst, gilt doch der Jazz auch bei der Bekleidung als die Chance, sich abzuheben, von den funkelnden Kostümen des Pianisten Sun Ra bis zum Laborkittel des Trompeters Lester Bowie. Sie haben früh in Ihrer Karriere bei der Rias-Big-Band im Smoking gespielt, Ihre eigenen Konzerte Anfang 2000 im Hemd und später im Sakko. Was ist passiert?
Die Hemdphase war eigentlich die Ausnahme. Ich habe im Anzug begonnen und spiele überwiegend im Anzug. Für ein Album „That Summer“ haben wir im Rahmen der Kampagne beschlossen, es etwas legerer anzugehen. Jetzt aber lasse ich mir meine Sakkos so anpassen, dass sie auch gut sitzen, wenn ich beide Arme zum Trompete spielen anhebe – da soll dann nichts verrutschen.

Das klingt recht förmlich.
Ein Anzug kann durchaus leger sein – vor allem ohne Krawatte. Ich bin kein Krawatten-Typ. Das habe ich am Anfang mal gemacht – das funktioniert bei mir aber schon mit der Atmung nicht. Auch wenn ich eine Sammlung von 500 Krawatten habe – sie gefallen mir, aber ich trage sie nie.

Jazz gilt als die Musik, die die Individualität des Musikers ins Zentrum rückt. Dazu passt doch eigentlich das Uniforme, Nivellierende eines Anzugs nicht – oder schon gerade wieder deswegen, weil ihn sonst keiner trägt?
Das könnte man meinen, bleibt für mich aber an der Oberfläche. Der Jazzmusiker, der mittels der Kleidung unterstreichen muss, wie hip oder extrovertiert er ist, der ist sich zwar vielleicht selber recht nahe, hätte das aber vermutlich nicht nötig. Und ich bin Fan davon, nicht von der Musik abzulenken. Wenn die Menschen sich vor allem mit meinem Äußeren, beispielsweise einem gelben Anzug, auseinandersetzen, ich aber meine Töne nicht bewerkstelligt bekomme, habe ich da auch nicht viel von. Dann wäre ich nur der Typ im gelben Anzug. Wenn ich Miles Davis bin – dann geht das. Zu mir passt der klassische Anzug.

En passant zum Marketingexperten

Sie sind Musiker, Werbefigur, Marke – und in Summe Unternehmer. Viele Musiker blenden den unternehmerischen Teil gerne aus, weil sie dazu keine Lust haben und er von der Konzentration auf die Kunst ablenke. Haben Sie Spaß an diesem Teil?
Vieles von dem, was ich zu Beginn so entschieden habe für mich, ist – wie ich mir hinterher habe erklären lassen – klassisches Marketingdenken. Damit wurde ich en passant über die Jahre konfrontiert. Und irgendwann habe ich erkannt, dass mich das sogar künstlerisch weiterbringt.

Inwiefern?
Auf der Suche nach sich selbst kommt man vermutlich nie an. Aber im Laufe des Lebens deuten immer mehr Komponenten darauf hin, was einen auszeichnet und wie man ist. Und es gibt diesen schönen Spruch, dass man sich verändern muss, um zu bleiben, wer man ist. Und dieser Teilführt dazu, dass man nie so genau weiß bei mir, was bei mir als nächstes kommt.

Ihr nächstes Album wird eines im Duo mit einem Bassisten sein. Ist das für Sie so ein Schritt?
Ja, durchaus. Denn so eines gibt es noch nicht von mir. Andererseits ist es ein natürlicher Schritt, denn wir spielen schon seit vielen Jahren gemeinsam und auch mal nur im Duo und nun halten wir das auf einem Tonträger fest. Aber es gibt uns so im Prinzip schon seit zehn Jahren.

Sie sind attraktiv und teilen das mit dem Münchner Barkeeper Charles Schumann, der seit vielen Jahren für die Modemarke Baldessarini wirbt – ebenfalls kein Prototyp eines Anzugträgers. Was macht Seiteneinsteiger wie Sie beide Ihrer Meinung nach zur Identifikationsfigur für die Zielgruppe?
Uns eint vielleicht, dass die Unternehmen über den Tellerrand schauen. Es geht um Emotionen. Meine Aufgabe – und als Künstler auch mein inneres Bedürfnis – ist natürlich, meine Emotion in Musik zu packen. Wir sprechen also von einem ehrlichen Impuls und keinem Fake. Schwierig wäre es, wenn ich merke, dass ich vielleicht mit etwas kalkuliert hätte. Habe ich aber nie gemacht. Ich bin das, was da passiert. Und Unternehmen haben verstanden, dass ein Teil ihres Erfolgs von Emotionen abhängig ist.

Charles Schumann sagte unlängst in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung, dass er nie bezahlt wurde, sondern sich stets Kleidung dafür aussuchen durfte.
Die Aussage passt zu ihm, auch wenn ich mir vorstellen könnte, dass er das einfach übersehen hat.

Erfolgreich sind Sie beide in ihren Genres. Sie sind mit ihren Alben immer wieder auch in den Pop-Charts gelandet. Das gelingt unter den deutschen Musikern neben dem Pianisten Michael Wollny vor allem Ihnen.
Da gibt es sicher noch einige weitere. Die Frage ist aber auch immer - wie lange bleiben die Alben dort. Wer über die Jahre im sogenannten gesunden Mittelfeld dabei ist, erreicht als Langstreckler viel mehr. Es ist nicht wichtig, immer vorne dabei zu sein und die Helene Fischer des Jazz zu sein - das bin ich sicher nicht. Natürlich überlege ich mir, mit welchen Partnern ich wann welches Thema als CD mache, um dann auch bereit zu sein, auch über einen Zeitraum von über zwei Jahren mit diesem Thema präsent zu sein. Da muss man sich seiner Sache sicher sein, sonst kann es echt zäh werden. Plattenfirmen, die immer noch gute Partner sind, die überlegen in ihren Abteilungen auch, wie sich die Medienlandschaft verändert hat, wie die Digitalisierung unsere Arbeit verändert. Das bleibt eine Herausforderung.

Erst zahlen, dann spielen

Sie sprechen von CD-Verkäufen - das klingt auch anachronistisch...
Ja, das ist so. Auch wenn ich ich in einem Segment bin, wo der CD-Verkauf noch ein echtes Thema ist. Es gibt Menschen, die die Reihe mit den CDs vollständig haben wollen. Dennoch - die Zahlen sind nicht im Ansatz so wie früher. Deswegen ist ein langfristiger Erfolg heute umso wertvoller. Auch wenn die Zahlen sich glatt halbieren und mehr. Aber Jazz-CDs liegen sehr häufig viel eher bei 80 bis 200 Stück.

Auch Ihre Verkaufszahlen sinken - die Musikindustrie rätselt, wie die Musiker, die nicht gerade Weltstars mit Millionen von Downloads sind, Geld verdienen sollen. Musiker haben keine Antworten auf diese Veränderungen, scheint es. Macht Ihnen das Sorgen?
Natürlich macht mir das Sorgen. Es ist ärgerlich - und das ist eigentlich ein zu mildes Wort - dass die Musiker sich diesen Teil ihrer Verantwortung einfach so aus der Hand haben nehmen lassen. Irgendwer muss gepennt haben - eine schöne Überschrift für das Interview - also, irgendwer muss gepennt haben, wenn die Musiker es gestatten, dass Streamingdienste und Plattenfirmen die Erlöse in Relation unter sich aufteilen, dass für die Musiker, die die Musik produzieren, der Gewinn so gering ist. Plattenfirmen argumentieren natürlich immer, dass sie mehr für die Musiker leisten müssten, damit die überhaupt wahr genommen würden. Dennoch - für einen Newcomer ist es sehr schwer, überhaupt einen Plattenvertrag zu bekommen und dann auch noch davon leben zu können. Eine CD ist selbst für mich so etwas wie eine aufwändige Visitenkarte. Eine, über die ich Livekonzerte generiere - aber mich gibt es auch schon seit ein paar Jahren. Und ich zehre als Kind der 90er Jahre auch von der damaligen medialen Situation.

von Dieter Schnaas, Christopher Schwarz

Und CDs kosten zudem - es heißt, sie hätten 2013 das erste Mal einen Scheck bekommen für die verkauften CDs statt mit den Erlösen die Produktionskosten zu decken.
Ja, das stimmt. Die Investitionen sind eben hoch gewesen - bis dann mal was beim Musiker ankommt, kann es dauern.

Wenn selbst Sie als so erfolgreicher Musiker so lange brauchen, um mit den CDs auch Profit zu machen....
Ja, manchmal kratzt man sich schon am Kopf.

Meinen Sie, dass Labels wie das des Münchner Produzenten Manfred Eicher, ECM, die ihre Musik grundsätzlich für Streamingdienste sperren, den richtigen Weg gehen?
Das ist zumindest konsequent. Ob es wirtschaftlich ist, müsste Ihnen das Label dann selbst sagen. Ob es ihm die Zahlen gerettet hat, ich glaube es nicht.

Oder macht eine Band wie Snarky Puppy alles richtig, die ihre Konzertvideos auf einen Youtube-Kanal stellt und bei Konzerten Mitschnitte des Abends ein Tag später als Download an das Publikum verkauft?
Da muss dann auch das Publikum da sein...

Sie haben doch volle Hallen!
Ja, das ist auch interessant. Es wäre ein anderes Geschäftsmodell als das, das ich aktuell unterhalte. Ich habe ja auch Partner, denen ich verpflichtet bin - ich darf nicht so einfach ein Konzert mitschneiden und das vertreiben. Es wäre aber interessant. Wenn da 2000 Menschen sitzen, können Sie sich ja ausrechnen, wie interessant. Das müsste mal getestet werden. Ich habe neulich mit einem CEO aus der Musikindustrie zusammen gesessen und es ist spannend zu sehen, wie die Unternehmen alles Digitale versuchen zu nutzen. Und eines der wichtigsten Assets für sie ist, alle Plattformen und Outlets zu analysieren, die zukünftig von Relevanz sein werden. Heute ist das vielleicht SnapChat, morgen ist es etwas Neues, über das es in Zukunft wichtig sein wird, seine Musik anzubieten. Das können sie als Künstler nicht leisten, wenn sie sich noch mit ihrer Musik auseinandersetzen wollen.

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