Wein „Dieses Geschäft ist einfach zu schön“

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Ökonomisch nachhaltig

Sie gelten auch als ökonomisch nachhaltig, weil Sie traditionell aus eigener Kraft wachsen seit einiger Zeit. Reizt es Sie nicht manchmal, Kapital von außen einzuholen, um schneller wachsen zu können?
Albiera: Wir wollen ja in unserer Generation ja gar nicht einfach schnell wachsen. Wir wollen wachsen, aber langsam und nachhaltig und vor allem im Qualitäts-Segment bleiben. Das schaffen wir, indem wir ökonomisch solide bleiben und das Geld investieren, das wir jedes Jahr erwirtschaften. Wenn man schnell wachsen wollen würde, müsste man anders arbeiten – aber das wollen wir nicht. Wenn man im Weingeschäft schnell wachsen will, tut man das meist über Zukäufe. Aber dann riskiert man die Qualität und das ergibt keinen Sinn.
Piero: In der Vergangenheit haben uns viele Banken empfohlen, an die Börse zu gehen. Aber das ist für uns einfach nicht die beste Lösung. Wenn man an die Börse geht, ist man verdammt, den Analysten alle drei Monate etwas zu erzählen und Fortschritt zu erklären. In unserem Geschäft braucht man aber längere Intervalle. Wenn Sie heute einen Weinberg planen, haben Sie den ersten positiven Cashflow in acht oder zehn Jahren. Das ist eine andere Mentalität als an den Börsen.

Dieses Jahr zum Beispiel gilt als Jahr mit schlechten Erträgen. Wie bewerkstelligen Sie das finanziell?
Piero: Wir haben dieses Jahr bei guter Qualität 30 Prozent unserer Menge verloren wegen des Wetters. Das ist dieses Jahr nicht so dramatisch, weil wir für solche Ausnahmejahre immer Ausgleichsmengen im Keller zurückhalten, die solche Einbrüche ausgleichen. Wenn das zwei Jahre hintereinander passiert, wäre das schon schlechter. Aber alle zehn Jahre können wir ein solches Jahr kompensieren.

Wo wollen Sie eigentlich noch absatzmäßig wachsen?
Albiera: China ist eine große Sache, wenn auch kompliziert. Frankreichs Weine waren dort etwas schneller. Es braucht Zeit, bis wir da Erfolg haben. Wir dachten, es gelingt uns früher, aber es braucht weitere zehn, 15 Jahre, bis Wein auch von der chinesischen Mittelschicht getrunken und nicht nur als Luxus-Produkt verstanden wird.

Vor allem drängt China auch auf den Produzenten-Markt.
Albiera: Das dürfte uns aber helfen, weil es die Idee von Wein als Alltagsgut zu verbreiten hilft.

Je mehr Produzenten aus China und Übersee in den Markt drängen, desto stärker folgt der Markt einer industriellen Logik. Wie wollen Sie da mithalten?
Albiera: Überall auf der Welt werden gute Weine produziert. In Europa haben wir unglaublich viele lokale Variitäten, das ist ein Glück, ein echter Schatz. Die Leute müssen verstehen, dass es in Italien Weine gibt, die es nur hier gibt. Deswegen sind europäische Weine eben auch deutlich teurer als Weine aus anderen Weltgegenden.  In USA oder China sind Marken wichtiger. Aber man kann die europäischen Marken ja aufwerten mit Begriffen wie Handwerk oder was eben europäischen Wein ausmacht. Aber klar: Es ist eine Herausforderung, jeden einzelnen europäischen Wein in seiner Bedeutung zu positionieren.
Piero: Wir sollten nicht versuchen, Wein für amerikanischen oder chinesischen Geschmack zu produzieren. Wir machen unseren Wein, der den Charakter der Regionen, wo er produziert wird, widerspiegelt. In den USA hat es ja auch eine starke Verbesserung beim Wissen der Kunden gegeben: Sie sind neugierig auf Wein, sie sind informiert. Die Weinkultur dort hat sich massiv verbessert. Und in China könnte es eines Tages genauso sein.

Was darf, was muss, was kann auf einem Weinetikett stehen?

Hier, rund um Florenz, gibt es unglaublich viele Unternehmen, die schon seit Jahrhunderten erfolgreich sind. Warum ausgerechnet hier?
Albiera: Es gibt hier sehr viele Familien, die im Wein- oder Landwirtschaftsgeschäft sind. Und das sind Geschäfte, die nachhaltiger sind und die länger anhaltend erfolgreich zu führen sind als andere Branchen.
Piero: Es ist sehr einfach, sich von Landschaft und Wein hier faszinieren zu lassen. Unser Geschäft ist ja auch ein sehr schönes. Wenn man die Landschaft mag, kann man die Landschaft genießen. Wenn man Reisen mag, kannst man viel reisen. Das Produkt ist ein wundervolles Produkt. Es gibt so viele Gründe, wenn man mit Wein arbeitet, seinen Beruf als Passion zu sehen. Deswegen gibt es viele, die einfach nicht verkaufen wollen. Das haben Sie in anderen Branchen eher nicht.

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