
Weinetiketten können für den Verbraucher oft eine verwirrende Vielfalt von Informationen aufweisen. Von Lagennamen wie Kröver Nacktarsch oder Kiedricher Gräfenberg, Phantasienamen und den Pflichtangaben wie Alkoholgehalt und Menge des Inhalts ist alles zu finden. Winzer haben dennoch recht präzise Vorgaben, was alles über den Wein gesagt - oder auch eben nicht - werden darf. Immer häufiger stehen zwei Worte drauf, die den Interessenten verführen sollen, zuzugreifen: Alte Reben.
"Alt" ist ein Qualitätsmerkmal
Im Vergleich zu Qualitätseinstufungen wie Kabinett, Beerenauslese oder Eiswein, ist das etwas, unter dem sich selbst Laien sofort etwas vorstellen können. Alte Reben, da wachsen knorzige dicke Stämme vor dem inneren Auge, die seit Jahrzehnten im Umfang zulegen, da ahnt man Wurzeln, die sich über zahllose Vegetationsphasen tief in die Erde gruben, um dort die Nährstoffe den oft kargen Böden zu entreißen.
Alt ist bei Wein kein Makel, es ist ein - oft falschverstandenes - Qualitätssiegel. Es gibt kaum ein Produkt, von dem der Kunde ausgeht, dass es noch besser wird, wenn er es nur lange genug liegen lässt. Bei Wein reicht oft der Jahre alte Staub im heimischen Keller, um Nachfahren glauben zu machen, die Eltern hätten dort über Generationen wahre Schätze reifen lassen. Das Image des "guten alten Weins" machen sich die Winzer zunutze. Wer die Weinlisten der Weingüter der deutschen Anbaugebiete des aktuellen Jahrgangs studiert, stößt immer häufiger auf diesen Zusatz. Schon 2015 schrieb der Weinblog "wuertz-wein.de" über die Zunahme der Angabe und überschrieb das mit "Einem Phantom auf der Spur."
Was darf, was muss, was kann auf einem Weinetikett stehen?
Auf Anhieb die einfachste Kategorie. Die Weingesetze schreiben den Produzenten recht genau vor, wann ihr Wein eine der verschiedenen Einordnungen erfüllt und damit auf dem Etikett bezeichnet wird. Eine Spätlese muss bestimmte Bedingungen erfüllen, wie Termin der Lese. Oder das Most-Gewicht, oder auch Oechsle-Grad - vulgo: Zuckergehalt der Traube. Es kommt jedoch vor, dass renommierte Winzer Weine so ausbauen, dass sie den gesetzlichen Vorgaben genügen, aber für sie selbst die Spitze ihrer Erzeugnisse darstellen und deswegen keines der Prädikate tragen.
Wenn der Wein Prädikat trägt, wie zum Beispiel Kabinett oder Spätlese, dann ist oft vorgeschrieben, dass auch die Lage, aus der der Wein stammt, aufgeführt ist. Viele sehr bekannte Weinbergslagen in Deutschland werden von mehreren Winzern betrieben. Die Unterschiede in der Qualität kann dementsprechend sehr unterschiedlich ausfallen.
Wer hat den Wein in die Flasche gefüllt? Das erläutert die Angabe "Abfüller".
Die für den Laien am leichtesten zu verstehende und einzuordnende Angabe: Die des Alkoholgehalts. Er wird in Volumenprozent angegeben. Er rangiert von teilweise 6,5 bei edelsüßen Weinen bis 15,5, gar 16 Prozent bei Rotweinen meist aus Übersee.
Das ist die Angabe über die Menge des Weins. In Deutschland wird Wein in Flaschen von 0,375, 0,5, 0,75, 1, 1,5 und mehr Litern abgefüllt. Die größte Flasche mit 18 Litern trägt den Zusatznamen Melchior.
Besitzt ein Wein keine Amtliche Prüfungsnummer, wird eine Loskennzeichnung angegeben. Die erlaubt es, die Flasche einem Produzenten zuzuordnen.
Sie belegt, dass der Wein einer amtlichen Qualitätsprüfung unterzogen wurde. Die Produzenten beantragen diese, um den Wein als Qualitätswein deklarieren zu dürfen. Teil der Prüfung ist auch eine sensorische Prüfung. Dabei soll vermieden werden, dass fehlerhafte Weine als Qualitätsweine in den Handel kommen. In den vergangenen Jahren ist es dennoch immer wieder vorgekommen, dass Winzer mit ungewöhnlichen Weinen, die von Kritikern hoch gelobt werden, bei der Qualitätsprüfung durchfielen.
Wein darf mit Schwefel angereichert werden, damit er stabil reift. Versetzt der Winzer den Wein mit Schwefel, muss er dies auf dem Etikett deklarieren. In den vergangenen Jahren setzen jedoch vermehrt Winzer darauf, auf Schwefel zu verzichten.
iWird einer dieser beiden Stoffe dem Wein zugesetzt, dann muss das auf dem Etikett gekennzeichnet sein. Es handelt sich um eiweißhaltige Schönungsmitel zur Klärung von Weinen.
Denn wie alt ist eine Rebe eigentlich, wenn sie als alt gilt? Auch wenn Reben einige Jahre nach der Pflanzung brauchen, bis die Erträge und Qualität der Trauben reichen - in der Regel endet ihr Zyklus nach 30 bis 40 Jahren. Wenn die Rebstöcke gut gepflegt werden, sind es vielleicht 60 Jahre. Oder gar 130 Jahre, wie einige Stöcke an der Mosel.
Allein - der Verbraucher muss darauf vertrauen, dass seine romantische Hoffnung auf ein besonderes Geschmackserlebnis nicht von den Fakten enttäuscht wird. Denn während die Regeln für Begriffe wie Spätlese fest umrissen sind, gibt es für die Angabe "Alte Reben" derzeit keine gesetzlichen Vorgaben.





"15 Jahre sind ein Witz, 30 Jahre wären schon aussagekräftiger", sagt Weinkritiker Stephan Reinhardt, der für den amerikanischen "Winedavocate" unter robertparker.com Weine aus Deutschland, Österreich, Schweiz und dem Elsass bewertet. Der Winzer Nik Weis vom gleichnamigen Weingut in Leiwen an der Mosel kann sich zumindest diese etwaige Kritik entspannt anhören - die ältesten Rebstöcke im Wiltinger Schlangengraben datieren auf 1905.