Werner knallhart
Kolumnist Marcus Werner rechnet vor: Eine mittlere Portion Pommes macht 11.880 Kalorien. Das entspricht 47 Croissants. Quelle: dpa

So sparen Sie Kalorien und Geld auf einen Schlag

Mit einer Ernährungsministerin Klöckner entscheidet die Nahrungsmittelindustrie selber, was für uns gesund ist. Schlagen wir einfach zurück: Kaloriensparen auf Kosten derer, deren Produkte ungesund sind. Das spart uns bares Geld.

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Unserer Bundesregierung ist ja bekanntlich einigermaßen schnurz, wie gesund wir uns ernähren. Wichtiger ist ihr, dass die Nahrungsmittelindustrie frei walten kann. Deshalb gibt es vorerst nur freiwillige Schritte der Industrie hin zu gesünderem Fertigessen. Und der Geschäftsführer der Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie (BVE) Christoph Minhoff sagt: „Ich glaube nicht, dass der Bürger möchte, dass am Ende der Staat sagt, wie seine Pizza zu schmecken hat.“

Böööh, der alte rhetorische Trick: Tatkräftige Hilfe dabei, weniger versteckte Dickmacher zu essen, wird zur Bevormundung umgedeutet. Ausgerechnet durch den, der mit den Produkten richtig Geld macht, der den Schaden anrichtet.

So, als würde ein Autoboss sagen: „Ich glaube nicht, dass der Bürger möchte, dass am Ende der Staat sagt, wie viel CO2 sein Auto ausstoßen darf.“

Ich finde nicht, dass wir Herrn Minhoff als Speerspitze im Kampf für die freie Welt brauchen. Herr Minhoff, der Staat, das sind nämlich wir Bürger. Und ich glaube nicht, dass der Bürger möchte, dass die Lebensmittelindustrie entscheidet: Die Konsumenten sollen gefälligst selber gucken, wie sie bei all den ungesunden Industrielebensmitteln mit all ihrem versteckten Fett, Zucker und Salz gesund bleiben.

Aber vorerst bleibt uns nichts anderes übrig, als jeden Fruchtjoghurtbecher zu drehen und zu wenden, denn manchmal ist nicht mehr drin als einfach Vollmilchjoghurt und gekochte Frucht, wie beim Arla Pur. Manchmal aber sind die vermeintlich gesunden Naturprodukte vollgestopft mit Fett und Zucker wie ein mächtiger Pudding oder Kuchen. Eben wie ein Genussmittel.

Smacks von Kellogg´s haben mit 43 Prozent (43!) mehr als doppelt so viel Zucker wie die Schwarzwälder Kirschtorte von Coppenrath & Wiese (21 Prozent). Hundert Gramm Smacks, die landläufig als fluffige Weizen-Frühstücksflocken wahrgenommen werden, haben 386 Kalorien. Die Torte von Coppenrath & Wiese hat 272. Wer auf seine Linie achtet, sollte also besser Torte frühstücken.

Vorne drauf stehen sollen solche entlarvenden Informationen zu Zucker und Fett aber nicht. Weil das die Lebensmittelindustrie nicht möchte. Denn: Wir sind ja mündige Bürger. Wir werden doch wohl noch in der Lage sein, die Zahlen im Kleingedruckten hinten zu lesen, zu vergleichen, zu addieren und uns zu merken. Das ist aus Sicht der Industrie besser als die Rezeptur gesünder zu machen.

Genau deshalb muss man diese heuchlerischen Abfütterer eben zwingen. Wir als Staat. Aber wir haben nun einmal die Frau Klöckner. Kritische Nachfragen zu freiwilligen Selbstverpflichtungen tut sie auf der Pressekonferenz beleidigt ab: „Ist mir ein bisschen zu pessimistisch zu Weihnachten jetzt hier.“ Soll heißen: Weil uns der Heiland geboren wurde, wird sich die Lebensmittelindustrie an ihre freiwilligen Richtlinien halten. Julchen, geh beten.

Nein, nein, wir müssen das mit der Ernährung ohne unsere Ernährungsministerin hinkriegen.

Das ist kompliziert, deshalb gilt es, ein paar einprägsame individuelle Regeln für sich im Alltag zu etablieren.

Das Gute ist: Wenn wir es gut anstellen, dann sparen wir sogar noch Geld. Sorry, Lebensmittelindustrie. Aber wir müssen auch mal an uns denken.

Saft, Latte Macchiato, Pommes

Denken wir mal folgende Doppelschlagstrategie durch: Richtig Kalorien und Geld sparen in einem das geht so:

1. Übers Jahr betrachtet haut Saft richtig rein

Es gibt ja viele, die sagen: Ein Getränk geht über die Zunge und muss deshalb nach etwas schmecken. Und so löschen sie ihren Durst Tag ein, Tag aus, Jahr für Jahr nicht mit Wasser (Wasser ist zum Waschen da), sondern etwa mit Limo oder Säften. Coca-Cola hat aber 420 Kalorien auf einen Liter, der bei Rewe online zurzeit einen Euro kostet. Der Multivitaminsaft von hohes C hat sogar 460 Kalorien und kostet 1 Euro 79.

Wer aber auch nur einen einzigen Liter seines täglichen Flüssigkeitsbedarfs statt mit einer Flasche Saft lieber mit unserem guten deutschen Leitungswasser stillt, der spart pro Jahr

a. 167.900 Kalorien. Das entspricht dem Brennwert von rund 671 Croissants.

b. Er spart 652 Euro. Für das gesparte Geld kann man einen gediegenen Kurzurlaub in Spanien machen. Hält sich die ganze Familie mit Limo und Saft zurück, kommen tausende von Euro jährlich zusammen.

Die größten Kalorienbomben
ColaDie Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor den Folgen übermäßigen Zuckerkonsums und empfiehlt etwa für einen gesunden Erwachsenen, die tägliche Zufuhr auf rund 25 Gramm zu beschränken. In einer 330 Milliliter Flasche Cola stecken immerhin neun Teelöffel Zucker, was in etwa 36 Gramm entspricht - das Limit wäre mit einer kleinen Flasche Coca-Cola also schon gesprengt. Ein Blick auf weitere Kalorienbomben: Quelle: REUTERS
Ketchupflaschen Quelle: dpa
Wurst Quelle: dpa
Gummibärchen Quelle: dpa/dpaweb
Gläser mit Saft Quelle: obs
Milch in einem Glas Quelle: dpa
Ein gefangener Fisch Quelle: dapd

2. Latte Macchiato ist seit jeher wie eine Flüssigmahlzeit

Die Latte haut nicht nur bei den Kalorien rein, sondern kostet auch so viel wie das Stammessen in mancher Kantine. Zur Vergleichbarkeit habe ich einfach mal das Angebot samt Preisen und Nährwertangaben einer der größten Café-Ketten hierzulande zugrunde gelegt: von McCafé. Andere Ketten haben ähnliche Preise bei vergleichbaren Kaffeebecher-Größen. Wer etwa täglich vor der Arbeit von Montag bis Freitag bei 30 Urlaubstagen im Jahr jeden Morgen gemütlich auf dem Weg zum Job oder im Büro eine große Latte Macchiato mit Vollmilch zu 3 Euro 39 und mit 112 Kalorien wegsüffelt, der verbraucht

a. 25.760 Kalorien

b. 779 Euro 70

Aber jetzt kommt´s. Wer stattdessen immer die normale Größe (82 Kalorien und 2 Euro 89) ordert, der spart pro Jahr 6.900 Kalorien (entspricht 27 Croissants) und 115 Euro. Einfach so. Die Kosten für den Netflix-Account wären so wieder drin.

Wer sogar radikal umsteuert und auf schwarzen Kaffee mit einem Schuss Kaffeesahne umstellt (2 Euro 29 bei 0 Kalorien plus kostenlos 7,5 Gramm Kaffeesahne mit 9 Kalorien), der entlastet seinen Organismus jährlich um 23.690 Kalorien (entspricht 95 Croissants) und seinen Geldbeutel um ganze 253 Euro. So gesehen hat man die jährlichen Kosten für den Netflix-Account sogar doppelt raus.

3. Keine Pommes spart Geld fürs Edel-Dinner

Was die Kalorienbilanz eines Hamburgers so versaut, sind die Pommes dazu. Wer sich dreimal im Monat einen Hamburger in einem Fastfood-Restaurant gönnt, dann aber auf die mittleren Pommes verzichtet, der spart (gemessen an den McDonald´s-Werten):

a. 11.880 Kalorien (47 Croissants)

b. 82 Euro 44. Für das Geld können Sie Ihren Schatz einmal mehr pro Jahr nett ausführen. Und sehen statistisch betrachtet dabei wahrscheinlich auch noch schlanker aus. Endlich den Gürtel enger schnallen.

Fettarme Milch und Dinner-Cancelling

4. Fettarme Milch ist reich an Kalorien-Sparpotenzial

Müsli, Cappuccino, Cornflakes, Milkshake, Pfannkuchen. Wer pro Tag für sich rund einen halben Liter Milch verbraucht und dabei von Vollfettmilch (REWE Ja! 640 Kcal und 70 Cent pro Liter) auf fettreduzierte Milch umsteigt (470 Kcal und 62 Cent), der spart zwar gerade mal knapp 15 Euro pro Jahr, aber immerhin 31.025 Kalorien (124 Croissants)

5. Nichts essen spart Geld fürs Essen

Der neue Trend heißt Intervall-Fasten. 15 Stunden am Stück nichts essen. Wem das jeden Tag zu viel Hungerstress bedeutet, der könnte Dinner Cancelling betreiben. Zumindest einmal die Woche. Egal, welcher Trend nun wem wie sehr liegt und wie viel Pfunde er je nach Lebensstil purzeln lässt: Rechnen wir mal durch, was die Zahlen sagen (Motto: Wer weniger Kalorien aufnimmt, als er verbraucht, nimmt ab. Wer weniger Geld ausgibt, als er verdient, hat am Ende was übrig).

Basteln wir uns also mal eine exemplarische Mahlzeit und lassen wir sie dann einmal pro Woche weg:

Eine Pizza Traditionale von Dr. Oetker der Sorte „Tonno e cipolla“ (Thunfisch und Zwiebeln) mit insgesamt 735 kcal kostet rund 3 Euro. Ein schöner eiskalter halber Liter Pils der Marke Becks hat 190 kcal und kostet 90 Cent. Zum Nachtisch noch einen Fruchtjoghurt der Marke „Der große Bauer“. Der kommt auf 235 kcal und kostet rund 69 Cent. Macht 1.160 Kalorien zu 4 Euro 59.

Coca-Cola-Wasser ist die Werbelüge des Jahres
Goldener Windbeutel Quelle: PR
Goldener Windbeutel: „Glacéau Smartwater“ von Coca-Cola Quelle: PR
Goldener Windbeutel: „Kids Tomato Ketchup“ von Heinz Quelle: PR
Goldener Windbeutel: „Corny Milch“ von Schwartau Quelle: PR
Goldener Windbeutel: „Bratöl Olive“ von Dennree Quelle: PR
Goldener Windbeutel: „Erbseneintopf“ von Gut & Günstig Quelle: PR

Dinner-Canceller sparen so im Jahr 60.320 Kalorien (241 Croissants) oder 238 Euro 68 (für einen schönen Städtekurztrip zu zweit).

Und wer alle hier aufgezählten Ideen beherzigen würde, der spart im Jahr:

a. 294.815 Kalorien (fast 1.179 Croissants)

b. 1.241 Euro 12

Und nicht vergessen: Dieses gesparte Geld haben Sie nicht nur mehr. Sondern der Handel bekommt es weniger. Als Machtwort von uns mündigen Verbrauchern.

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